Miroslav Klose und Japan:Eine Liebesgeschichte

Der Junge aus der Pfalz taut in der Ferne auf - zumindest ein kleines bisschen.

Von Ludger Schulze

Busan - Nicht einmal Fensterputzer an New Yorker Wolkenkratzern, Totengräber oder Bombenentschärfer können da mithalten, nein, Fußballspieler sind die am heftigsten abergläubische Berufsgruppe auf Erden.

Jede zufällige Wiederholung eines Ereignisses oder ein damit verbundener Gegenstand wird ihnen zum Omen oder Fetisch; na ja, kann man sich fragen, wenn's hilft? Der Nationalstürmer Miroslav Klose, 26, hat gleich ein ganzes Land zu seinem Talisman deklariert, Japan, aus dem der DFB-Tross nach einem hochanständigen 3:0-Erfolg gegen die Gastgeber weiter gereist ist nach Südkorea, gegen das am morgigen Sonntag (11 Uhr MEZ in Busan, live in der ARD) der zweite Teil der Asien-Trilogie zum Vortrag kommt.

Mit einem besonderen Hochgefühl dürfte Miroslav Klose, seit 1.Juli dieses Jahres bei Werder Bremen unter Vertrag, das Land der Morgenröte verlassen haben. Zwei Tore hat er gegen die Söhne Nippons erzielt so wie schon im November in Leipzig gegen Kamerun. Und wenn man mal zweieinhalb Jahre zurückdenkt, wird man gleich merken, dass Klose und Japan eine ganz eigene Liebesgeschichte miteinander haben.

Tottenham lockte

Damals kam Klose, in Oppeln geboren als Sohn eines polnischen Nationalspielers und einer Speerwerferin, als international so gut wie unbekannter Fußballer in das WM-Land.

Selbst in den deutschen Medien war das griffigste Thema um den jungen Mann noch sein Heimatort Blaubach-Diedelkopf, bei deren SG der kleine Miro die ersten Schritte mit Stollenschuhen gemacht hatte.

Blaubach-Diedelkopf, zwischen Kaiserslautern und Kusel gelegen, das klang für viele wie ein Witz, jedenfalls wie ein Synonym für tiefste Provinz, was es in Wirklichkeit auch ist.

Und der schüchtern-schlichte Klose aus der Pfalz bekam das entsprechende Adjektiv gleich mit angehängt: provinziell. Das sollte sich während der WM-Vorrunde dramatisch ändern, als Klose fünf Treffer (drei gegen Saudi-Arabien, je eines gegen Irland und Kamerun) per Kopf erzielte und mit seinem anschließenden Freuden-Salto die Nachrichtensendungen in aller Welt auflockerte.

Plötzlich war er ein Star, beim FC Bayern schon so gut wie unter Vertrag, die Tottenham Hotspurs lockten und Manchester City wollte ihn unbedingt.

Der Name Miroslav Klose hatte plötzlich einen ganz anderen Klang, der gelernte Zimmermann zählte auf einmal zu den begehrtesten Kickern auf dem gesamten Globus.

Aus dem Nest gefallen

In Anbetracht dieses Boheis um seine Person wirkte der "Pfälzer Bub" immer so ein bisschen wie ein Vogeljunges, das aus dem Nest gefallen ist. Sein Unbehagen, wenn er bedächtig auf Journalisten-Fragen antwortete, seine Distanz zu den Mitmenschen, selbst zu seinen Verehrern in der Westkurve des Lauterer Fritz-Walter-Stadions, waren körperlich zu spüren.

Doch der Boom flaute so schnell ab, wie er eingetreten war. Miroslav Klose litt zäh unter Achillessehnenschmerzen, der 1. FCK litt mehr und mehr unter dem Verlust personeller und damit sportlicher Substanz, bis die Worte Abstiegskampf und Kaiserslautern begrifflich irgendwie miteinander verschmolzen, und Klose litt still vor sich hin.

Eine einzige Leidenszeit, der Fall von einer Formkrise in die nächste. Dann wurde sein Stammplatz in der Nationalelf anderweitig vergeben, an jüngere, medienkompatiblere Typen, und an Klose schien das vorbeizugehen, als habe er nichts zu tun mit dieser Sache.

Der Höhepunkt war während der EM im Spiel gegen Lettland (0:0) erreicht, als er Sekunden vor dem Abpfiff aus formidabler Position vorbeiköpfelte wie ein Fußgänger, dem ein Blumentopf auf den Kopf fällt.

Raumgreifend rückwärts

Klose war in seiner Entwicklung nicht einfach stehen geblieben, er hatte raumgreifende Schritte rückwärts gemacht. Die Bayern wollten ihn schon längst nicht mehr, aus England war nichts mehr zu hören, aber er wurde quasi gegen seinen Willen gezwungen, die provinzielle Enge von Blaubach und auch Kaiserslautern zu verlassen.

Denn Miroslav Klose war ein Pfand in der Hand der Toto-Lottogesellschaft, die dem finanziell schwerkranken FCK mit fünf Millionen Euro unter die Arme gegriffen hatte.

Klose wurde deshalb als Aktivposten überschrieben, und irgendwann wollte der Gläubiger sein Geld zurück. Werder Bremen schließlich war so gut, den notwendigen Scheck auszustellen, aber in der Pfalz, ehrlich, glaubte kein Mensch daran, dass der Miro sich an irgendeinem Ort auf diesem Planeten zurecht finden könnte, der nicht Blaubach heißt.

Das schafft der Bub doch nie, der geht ein vor Heimweh, hieß es. Der Bub, der schaffte das, und wie. Nach kleinen anfänglichen Problemen ist alles in so guter Ordnung, dass man am besten ein paar Zahlen sprechen lässt: Klose liegt auf Platz zwei der Bundesliga, in der Liste der Torjäger (zehn hinter Mintal/Nürnberg mit 13) wie auch in der Scorer-Reihung (Tore plus Vorlagen zu Toren) mit 17 hinter Marcelinho (Hertha BSC mit 18).

Klose sagt: "In allererster Linie war mein Vereinstrainer der Grund für diese Leistungssteigerung." Thomas Schaaf, der Bremer Coach, ist in gewisser Weise wie ein älterer Bruder, gleichfalls introvertiert, meist wortkarg, dabei aber humorig und ganz offenbar sensibel für die Schwierigkeiten Kloses, sich in dieser funkelnden Welt des schönen Scheins einen Logenplatz zu sichern.

Schaaf schützt Klose, wo es nötig ist, Bundestrainer Jürgen Klinsmann macht es nicht anders.

Ein kleines bisschen ist Miro Klose inzwischen sogar aufgetaut. Nach den beiden Toren gegen Japan machte er einen Scherz. Lieber wäre ihm gewesen, sagte er, er hätte die beiden Treffer von Yokohama 2002 im WM-Finale am selben Ort erzielt.

Aber immerhin: "Jetzt habe ich den Japanern gezeigt, dass ich auch Tore mit dem Fuß machen kann und nicht nur mit dem Kopf." Japan ist ein gutes Pflaster für Miroslav Klose.

Gilt die Parallele zur WM auch im zweiten Fall? In Südkorea, beim zweiten Akt der WM, war die Luft total heraus und Klose traf nicht ein Mal mehr. Man mag ihm wünschen, dass die Angelegenheit mit Omen, Fetisch und Aberglaube vielleicht doch nicht ganz so ernst ist.

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