Skandal:Gruß an sein Volk

Der Fußballprofi Paolo Di Canio von Lazio Rom streckt seinen rechten Arm aus - und Italiens Rechtsradikale feiern ihn.

Birgit Schönau

Auf dem rechten Arm trägt er die Tätowierung Dux. Das ist lateinisch für "Duce" - und man weiß, wer gemeint ist. Nicht, dass er nicht kritisch wäre, was Mussolini angeht: "Er führte die Menschen hinters Licht, seine Taten konnten feig' und berechnend sein."

Skandal: Der Arm nach rechts oben. Einst "saluto romano", römischer Gruß. Heute besser bekannt als "Hitlergruß".

Der Arm nach rechts oben. Einst "saluto romano", römischer Gruß. Heute besser bekannt als "Hitlergruß".

(Foto: Foto: AP)

Aber sein Bewunderer bleibt er doch. Rechtsaußen, Nationalist, Patriot, das ja. Aber kein Faschist, sagt er. Der ausgestreckte, rechte Arm am Ende des römischen Derbys? Man wird doch wohl noch seine Leute grüßen dürfen. "Mein Volk", wie Paolo Di Canio zu sagen pflegt.

Für sein Volk war er ausgezogen zum Kampf. Unter dem Trikot mit der Nummer 9 trug er ein T-Shirt, auf dem stand: "Es gibt nur zwei Möglichkeiten, das Schlachtfeld zu verlassen. Entweder mit dem Kopf des Feindes oder ohne den eigenen." Di Canio ging mit dem Kopf des Gegners unterm Arm. Er hatte das Führungstor gegen den AS Rom geschossen, 16 Jahre nach seinem letzten Treffer beim Derby.

Tolle Tore können auch Faschisten schießen

Ein grandioses Tor, volley abgezogen mit dem rechten Fuß, kraftvoll gesetzt, unhaltbar. Am Ende gewann Lazio 3:1, der erste Derby-Sieg nach fünf Jahren. Und Di Canio verlor seinen Kopf. Er ist unter die Kurve des Gegners gerannt und hat gejubelt.

Er hat den Romanisti auch drei Finger gezeigt wie drei Tore. Ein richtiger Ultrà sei dieser Di Canio, hatte die Presse geschwärmt, ein echter Kerl, wie er Italiens Milliardärsliga gefehlt habe. Einer, der rede, wie ihm der Schnabel gewachsen sei und fühle wie seine Tifosi. Einer, der den Fußball im Blut habe, und sein Blut sei blauweiß wie Lazio.

Di Canios Leidenschaft habe das Derby entschieden, schrieben manche Kommentatoren. Nur La Repubblica, die linksliberale, große Tageszeitung, hatte das Foto mit dem ausgestreckten, rechten Arm gebracht. Die vielen Sportsendungen im Fernsehen in strenger Selbstzensur lieber nicht.

"Wir sind 18 Adler", hatte Di Canio im Staatsfernsehen RAI getönt, und als ihn ein Journalist fragte, ob er nicht ein wenig übertrieben habe mit seinen Jubelarien, antwortete der Spieler bloß: "Ich will euren Scheiß nicht mehr hören." Der Arm nach rechts oben heißt in Italien nicht "Hitlergruß", sondern "saluto romano", römischer Gruß.

Er ist Teil jener imperialen Symbolik, die Mussolini aus dem Reich der Cäsaren abgekupfert hatte - und Hitler gefiel das so gut, dass er den zackig emporgeschnellten Arm flugs auch als "Deutschen Gruß" verfügte.

Strafbestand: Verheerlichung des Faschismus

Nun pflegt man zwar in Italien gern über einige unangenehme Aspekte der eigenen Geschichte großzügig hinwegzusehen, aber den "saluto romano" als späte Reminiszenz an Julius Cäsar auszugeben, fällt niemandem mehr ein. Er ist faschistische Ikonographie, und als solche fällt er unter den Straftatbestand "Verherrlichung des Faschismus".

Ein veraltetes Gesetz, schnaubt Alessandra Mussolini, die "Enkelin von Di Canios Tätowierung" (La Repubblica), die den Faschismus gern als reine Familienangelegenheit betrachtet. "Ich verstehe die Aufregung um den saluto romano nicht. Wenn einer die geballte Faust der Kommunisten zeigt, passiert doch auch nichts."

Die Signora, als Vorsitzende der rechtsradikalen Kleinstpartei "Alternativa Sociale" auch Europa-Abgeordnete, zollte dem Lazio-Spieler Lob: "Wie schön dieser Gruß, das hat mich sehr bewegt." Da machte Di Canio einen Rückzieher.

Über die Nachrichtenagentur Ansa ließ Di Canio eine Erklärung an "Frau Floriani" verbreiten (Floriani heißt der Mann von Frau Mussolini). "Ich erkläre, dass ich ein Profi bin", heißt es darin, "und meine Freude über den Sieg hat nichts mit Politik zu tun."

Ebenso sieht es Lazio-Sportdirektor Gabriele Martino: "Der Klub distanziert sich von allen, die über Gewaltverherrlichung reden. Lazio bestätigt sein Nein gegenüber jeder politischen Instrumentalisierung." War da was? Vielleicht wollte Di Canio ja nur mit den Fingerspitzen die Temperatur in der Fankurve fühlen.

Flaschen auf den Gegner werfen

Oder eine der vielen Flaschen abwehren, die sein Volk vorher auf die Roma-Spieler geworfen hatte. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Wenn einer den rechten Arm ausfährt, auf dem auch noch "Dux" steht, muss das noch lange nichts mit Faschismus zu tun haben. Oder gar mit Politik.

Das finden auch zwei, die in ihrer Jugend selbst öfter mal die Hand gen Himmel erhoben haben, und heute respektable Vertreter der Regierungspartei "Nationale Allianz" sind. "Wenn Di Canio sagt, da ist nichts mit Politik, glaube ich das", sagt Francesco Storace, der Präsident der Region Latium.

Italiens Kommunikationsminister Maurizio Gasparri deutelt: "Ich verstehe Di Canios Jubelarie, der ist als Laziale eben das Siegen nicht gewöhnt." Gasparris Parteizeitung Secolo d'Italia schreibt: "Di Canios instinktives Verhalten erweckt Sympathie bei denjenigen Italienern, die keine Joints rauchen und nicht an Anti-Berlusconi-Demos teilnehmen." Fußballfans seien nunmal rechts, merkt das Fachblatt an, "und das ist ganz natürlich".

Während die links regierte römische Stadtverwaltung von einer Schande spricht ("hier geht es um Verharmlosung des Faschismus"), kündigen die Lazio-Ultràs schon die nächste Schlacht an, aus der sie den Kopf des Gegners tragen werden. Sie wollen "mit 30.000 Leuten" zum Fußballverband marschieren, falls Di Canio gesperrt wird. Immerhin hat nämlich der Verband ein Verfahren eingeleitet, eine Entscheidung wird erst für Mitte Februar erwartet.

"Auschwitz ist eure Heimat"

Fabrizio Toffolo, der Anführer des Di-Canio-Fanblocks, ist selbst gerade aus dem Hausarrest entlassen worden und einschlägig vorbestraft nach Krawallen. Er teilt die politischen Ansichten seines Idols, wie die lärmende Mehrheit der Lazio-Ultràs, die immer wieder international Aufsehen erregten.

Spruchbänder wie "Auschwitz ist eure Heimat" oder "Ehre dem Tiger Arkan" waren in der Lazio-Kurve an der Tagesordnung, vergebens versuchte der damalige Klubpräsident Sergio Cragnotti, seine rechtsradikalen Tifosi in den Griff zu bekommen. Mehrmals zwang Cragnotti seinen Spieler Sinisa Mihajlovic, der Sympathien für die rechten Fans zeigte, zu öffentlichen Entschuldigungen.

Davon ist die amtierende Klubführung weit entfernt. Der Heimkehrer Di Canio soll nach 15 Jahren bei Juve, Milan und in England als neue Identifikationsfigur aufgebaut werden, als Gegenstück zum populären Francesco Totti, dem Kapitän des AS Rom. Schließlich ist mit dem 36-jährigen Di Canio wieder ein Römer Lazio-Anführer, nachdem Alessandro Nesta zum AC Mailand verkauft werden musste.

"Mit 40 kommt auch Nesta zu euch zurück", hatten die Romanisti beim Derby die Laziali verspottet. Das war vor ihrer Niederlage und den Jubelfeiern des Dux.

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