Finanzierungschaos:Basisarbeit gegen Rechts droht das Aus

Das Familienministerium will seine Strategie gegen Rechtsradikalismus ändern - und gefährdet damit fast 400 erfolgreiche Projekte in Ostdeutschland.

Lenz Jacobsen

Während Politiker aller Parteien mal wieder mit pathetischen Worten zum Kampf gegen Rechtsextremismus aufrufen, droht fast 400 Basisprojekten und Initiativen das finanzielle Aus.

Finanzierungschaos: Stopschild für Nazis: Demonstranten demonstrieren im Juni 2005 gegen einen NPD-Aufmarsch in Erfurt.

Stopschild für Nazis: Demonstranten demonstrieren im Juni 2005 gegen einen NPD-Aufmarsch in Erfurt.

(Foto: Foto: ap)

Ihre Förderung durch den Bund läuft zum Ende des Jahres aus und in dem neuen Programm des Familienministeriums gegen Rechtsradikalismus ist für viele von ihnen kein Platz mehr. Dadurch, so warnen die Betroffenen, werde "der Kampf gegen Rechtsextremismus in Ostdeutschland um fünf Jahre zurückgeworfen".

Bund will die Länder in die Pflicht nehmen

Über 1500 Projekte hat das Ministerium seit 2001 in seinem Programm "Jugend für Toleranz und Demokratie" gefördert und gab dafür jährlich 19 Millionen Euro aus. Mobile Beratungsteams, Schulprojekte oder auch das bekannte Nazi-Aussteiger-Programm "Exit" wurden davon finanziert.

Jetzt will sich der Bund zurückziehen und Länder und Kommunen in die Pflicht nehmen. "Die sind jetzt dafür verantwortlich, dass diese Projekte weiterlaufen", heißt es aus dem Familienministerium. Das Problem ist nur: Die Länder und Kommunen wollen oder können diese Aufgabe nicht übernehmen.

"Wir sind zutiefst betrübt, dass der Bund sich aus der Finanzierung zurückzieht", sagt zum Beispiel Andreas Beese, der stellvertretende Regierungssprecher in Sachsen zu sueddeutsche.de. Das Land beteiligt sich über ihr Programm "tolerantes Sachsen" bereits mit zwei Millionen Euro an den Kosten der Projekte, doch komplett könne es die Finanzierung nicht übernehmen. Dafür sei einfach nicht genug Geld da.

Das Absurde: Das Geld vom Bund ist eigentlich weiter vorhanden. Auch 2007 will das Familienministerium wieder 19 Millionen Euro für die Basisarbeit gegen Rechts ausgeben, genauso viel wie bisher. Doch ab nächstem Jahr soll das Geld nach anderen Kriterien verteilt werden, bei denen die meisten bestehenden Projekte wohl nicht zum Zuge kommen werden.

Fehlendes Problembewustsein in der Lokalpolitik

Denn in Zukunft will der Bund weniger "von oben" fördern und stattdessen mehr auf die Eigeninitiative der Kommunen setzen. Diese sollen sogenannte "lokale Aktionspläne" entwickeln, für die es vom Bund 100 000 Euro geben soll. Das Geld dürfen die Lokalpolitiker dann in Posten von maximal 20 000 Euro an einzelne Projekte weitergeben. Ein Betrag, der nicht einmal für eine Sozialarbeiter-Stelle reichen würde. Kritiker bezeichnen dieses neue Verteilungssystem schon als die Rückkehr zum Gieskannenprinzip.

Hinzu kommen Kompetenzprobleme. Den Lokalpolitikern fehle oft die Erfahrung und das Gespür für den richtigen Umgang mit Rechtsextremismus, warnt Grit Hanneforth vom sächsischen mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus: "Viele Bürgermeister nehmen das Problem nicht ernst genug, und die, die etwas tun wollen, haben meist überhaupt keine Ahnung von der Thematik." Es drohe deshalb eine Entprofessionalisierung der Basisarbeit.

Das Familienministerium wehrt sich gegen die Kritik und verweist auf rechtliche Zwänge: "Wir dürfen hier nur befristet fördern, weil diese Art von Arbeit eigentlich nicht Bundes-, sondern Länderaufgabe ist", sagte Pressereferent Hanno Schäfer zu sueddeutsche.de. Die geförderten Projekte seien Modellprojekte mit "Anregungsfunktion". In der Regel drei Jahre, maximal fünf Jahre, könne der Bund gezielt Mittel zuschießen, danach müsse er sich zurückziehen. "Da sind uns rechtlich leider die Hände gebunden." Dass das Geld aus Berlin nur befristet fließe, sei auch von Anfang an allen Beteiligten klar gewesen.

Klagen über zu wenig politische Unterstützung

Nur, wie es danach weitergeht, darum hat sich die Politik anscheinend kaum Gedanken gemacht. "Wir müssen wie Bittsteller für den Erhalt unserer Arbeit werben", kritisiert Grit Hanneforth vom Beratungsteam, "dabei müsste es doch eigentlich Aufgabe der Politiker in Bund und Ländern sein, unser Fortbestehen zu sichern. Die Politik unterstützt uns nicht genug." Wenn das Geld vom Bund demnächst ausbleibt, droht dem Dresdner Expertennetzwerk das Aus. Das Land Sachsen schießt zwar schon jetzt etwas Geld zu, doch die komplette Finanzierung kann es nach eigenen Angaben nicht übernehmen.

Bundesfamilienministerin von der Leyen hat den Beratungsstellen und den Initiative, die Opfer rechtsradikaler Gewalttaten betreuen, finanzielle Sicherheit zumindest bis Mitte 2007 zugesagt. Und sogar Bundeskanzlerin Merkel hat sich mittlerweile eingeschaltet: Die bisherigen Ministeriumspläne zum Kampf gegen Rechtsextremismus seien noch nicht ausreichend, befand sie.

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