Pieter Hugo und seine Fotos:Höllenhunde in den Städten

Zwei Jahre lang ist der Fotograf mit Hyänenmännern durch Nigeria gezogen. Seine Bilder zeigen die neue Wirklichkeit der wuchernden Großstädte der Dritten Welt.

Andrian Kreye

Die afrikanische Tüpfelhyäne ist ein ausgesprochen hässliches Tier, das mit seinem erstaunlich großen, gedrungenen Leib und seinem boshaften Katzenblick an die mittelalterlichen Darstellungen von Höllenhunden erinnert. So wirken die Bilder des südafrikanischen Fotografen Pieter Hugo wie Momentaufnahmen aus einer Finsternis, in der archaische Urzeiten und das Chaos der Megacitys zu einer bedrohlichen Parallelwelt verschmelzen.

Pieter Hugo Foto

International ausgezeichnet: Pieter Hugos Bilder der "hyena men".

(Foto: Foto: Pieter Hugo/ Prestel Verlag)

Zwei Jahre lang ist Hugo mit den Gadawan Kura, den Hyänenmännern, durch Nigeria gezogen. Herausgekommen ist ein Foto-Essay, das so viel mehr erzählt als nur die Geschichte jener Gaukler und Medizinmänner, die auf den Straßen der Städte ihre Hyänen vorführen. Pieter Hugo hat die neue Wirklichkeit der wuchernden Großstädte in der Dritten Welt auf den Punkt gebracht. Da prallt die schwarze Magie der Naturreligionen auf den Geschäftssinn der Schattenwirtschaft, Gauklertum auf Hip-Hop-Kultur, Naturgewalt auf Faustrecht, die Öde der Savanne auf die Wurzellosigkeit der Shantytowns. Nüchtern und statisch hat Pieter Hugo die Hyänenmänner und ihre Tiere abgebildet, sie in die strenge Quadratur des Mittelformats gestellt und ihnen so noch mehr Wucht verliehen.

"Zuerst habe ich versucht, ihre Vorstellungen zu fotografieren", erzählt er. "Wo immer sie auftauchen, sind die Gadawan Kura ein Spektakel. Autos und Busse halten an, Menschenmengen sammeln sich um sie. Aber das war nicht das Interessante. Ich wollte die Dynamik zwischen den Männern und ihren Tieren abbilden. Und das gelang nur mit solchen Porträts." Jetzt erschien die Arbeit als Buch ("The Hyena & Other Men", Prestel Verlag München, 80 Seiten, 39,95 Euro).

An einer schweren Kette

Alle paar Jahre gibt es solche epochalen Foto-Essays, die formal und künstlerisch nicht unbedingt bahnbrechend sein müssen. Meist sind sie auch keine journalistischen Meisterleistungen, und doch treffen sie einen Nerv, weil sie in wenigen Bildern alles über einen neuralgischen Punkt der Geschichte erzählen.

Robert Franks "The Americans" war so ein Essay, weil es der Welt erstmals die Melancholie hinter der amerikanischen Aufbruchsstimmung vorführte, Garry Winogrands "Arrivals and Departures" erzählte von den Verheißungen des "Jet Age", Bruce Webers "O Rio de Janeiro" vom nahenden goldenen Zeitalter, Ken Schles' "Invisible City" vom Sterben der alten Stadtkulturen und Peter Gransers "Sun City" von der Verzweiflung des ewig jugendlichen Lebens.

Angefangen hatte für Pieter Hugo alles mit einem Schnappschuss, den ein Unbekannter von der Rückbank eines Autos aus mit dem Handy aufgenommen hatte. Da sah man einen der Hyänenmänner, wie er vor den entsetzten Passanten in Lagos eine bullige Hyäne an einer schweren Kette durch die Straßen führt. Seit Jahren zirkuliert dieses Bild im Internet. Niemand wusste, was wirklich darauf zu sehen ist. Nigerianische Zeitungen schrieben einmal, es handle sich um Bodyguards, dann wieder, es seien Geldeintreiber oder Bankräuber, die ihre Opfer mit den Tieren bedrohen. So begann Hugo seine Suche.

Die falschen Fragen

Der 31-Jährige hatte sich lange als Bildjournalist versucht. Er arbeitete für das New York Times Magazine, für den Telegraph, den Observer und GQ. "Das hat nicht wirklich funktioniert", sagt er. "Als knapp zwei Meter großer Weißer wurde ich in Afrika meist schnell selbst zum Spektakel." So begann er mit seinen künstlerischen Essays. Er dokumentierte das südafrikanische Grenzstädtchen Musina, dokumentierte die Spuren des Völkermordes in Ruanda und die Folgen der Aids-Seuche. Sein Arbeiten wurden in Genf, Rom, New York und Chemnitz ausgestellt.

Adetokunbo Abiola fand die Hyänenmänner schließlich für ihn, ein Journalist aus Benin City, mit dem er befreundet ist. Die Männer vom Stamme der Hausa lebten mit drei Hyänen, zwei Pythonschlangen und vier Pavianen in einer Dreizimmerwohnung in Dei Dei Junction, einem Vorort der nigerianischen Hauptstadt Ajuba. Von dort zogen sie über die Lande. Als Gaukler und Medizinmänner, die das Volk mit ihren Tieren unterhielten, um ihnen dann traditionelle Pulver, Tränke und Amulette zu verkaufen. Zwei Trommler begleiten die Vorstellungen, und die Hyänenmänner tragen die Bante-Trachten, bunte Röcke, Metallreifen und Medaillons, die sie vor den Angriffen der Tiere und allerlei üblem Zauber beschützen.

Sie erzählten Hugo von ihrem Geschäft, dass sie schon seit zwei Generationen die Hyänen in der Savanne aus ihren Höhlen zerren, wie sie die vermeintlich unzähmbaren Tiere über Monate hinweg mit traditionellen Betäubungsmitteln und Stockhieben gefügig machen. Einen guten Zentner wiegen die erwachsenen Tiere, könne sich bis zu eineinhalb Metern aufrichten. Es sind empfindliche Wesen, schwer in Gefangenschaft zu halten.

Tierschutz zählt nicht viel

Denn auch wenn sie aussehen wie Höllenhunde, auch wenn sie eigentlich Aasfresser sind, sind sie doch entfernte Verwandte der Wildkatzen. Das kleinste Geräusch weckt sie aus dem Schlaf. Sie vertragen keine Hitze, müssen oft mit Wasser besprengt werden. Gefüttert werden sie mit Schlachtabfällen aus den Abattoirs. Und immer lauert die Gefahr, dass sich eines der Tiere gegen seinen Bändiger richtet. Da hilft kein Amulett und kein Zaubertrank. Dann greifen die Hyänenmänner zu den schweren Stöcken, die sie allzeit mit sich führen.

Das hat schon Tierschützer auf den Plan gebracht, die Pieter Hugos Bilder sahen. In Nigeria selbst stoßen solche Einwände auf unverständiges Erstaunen. Zum einen haben die Hyänenmänner amtliche Genehmigungen, ihre Tiere zu halten und vorzuführen. Vor allem aber werden sie allgemein bewundert, schließlich haben sie einen einzigartigen Weg gefunden, Geld zu verdienen.

In einem Land, in dem die offizielle Arbeitslosenqote bei rund 50 Prozent liegt, zählt der Tierschutz bei so wohlgenährten Bestien wie den Hyänen der Gadawan Kura nicht viel. "Das sind auch die falschen Fragen", sagt Hugo. "Wenn wir schon Mitleid mit den Tieren haben, sollten wir uns vielleicht fragen, warum diese jungen Männer darauf angewiesen sind, wilde Tiere einzufangen, um in einem Land zu überleben, das der sechstgrößte Ölexporteur der Welt ist."

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