Burberry zieht es nach China:Auch Kate Moss sagt nein

Die britische Traditionsmarke Burberry schließt eine Fabrik in Wales, um Polohemden in China billiger zu produzieren - jetzt protestieren nicht nur die Textilarbeiter.

Andreas Oldag

John Harris stemmt seine kräftigen Arme in die Hüften. ,,Es ist eine Schande. Sie schmeißen uns weg wie einen Lumpen'', sagt der walisische Textilarbeiter.

Burberry zieht es nach China: ,,Haltet Burberry davon ab, unsere Herzen zu brechen'', prangte auf Plakaten bei einer Protestaktion, an der auch Star-Model Kate Moss teilnahm.

,,Haltet Burberry davon ab, unsere Herzen zu brechen'', prangte auf Plakaten bei einer Protestaktion, an der auch Star-Model Kate Moss teilnahm.

(Foto: Foto: dpa)

Der 42-Jährige hockt auf einem abgeschabten Plastikstuhl in einer windschiefen Pförtnerbude am Fabriktor. Hinter ihm stapeln sich Pappschilder. Darauf steht in großen, schwarzen Buchstaben: ,,Keep Burberry British'' (Haltet Burberry britisch).

Mit den Pappschildern sind Harris und seine Kollegen in den vergangenen Wochen durch die Hauptstraße des Ortes Treorchy gezogen. Sie haben demonstriert, um ihre Arbeitsplätze bei der britischen Modefirma Burberry zu behalten. Es war ein Notruf, ein SOS-Signal aus einem walisischen Kaff, das versteckt im Tal des Flüsschens Rhondda liegt.

Galgenhumor

Doch nun ist alles vorbei. Harris versucht, den Schmerz mit Galgenhumor zu überspielen. Er gehöre jetzt zu den ,,Leichenbestattern'' einer Textilfabrik, die 309 Menschen Arbeit geboten hat, sagt der untersetzte Mann.

Er blickt aus dem schmutzig-grauen Fenster seiner Bude. An diesem Montag wird Harris zum letzten Mal sein Büro abschließen. Er hat hier 22 Jahre als Zuschneider gearbeitet und war Gewerkschaftsvertreter.

In Treorchy geht eine fast 70-jährige Tradition der Textilverarbeitung zu Ende. Man könnte sagen, es ist nur ein weiterer Sargnagel für die Produktion, die in Europa ohnehin keine Zukunft mehr hat, eine Episode im großen Monopoly der Globalisierung, das die Industrie aus den einstigen Stammländern der Industrialisierung vertreibt.

Nicht der Exodus irgendeines T-Shirt-Fabrikanten

Doch in dem 8000-Einwohner-Ort Treorchy geht es um mehr: Es ist nicht der Exodus irgendeines T-Shirt-Fabrikanten, der nach China oder Vietnam umzieht, um ein paar Pfund oder Euro zu sparen. Es geht um eine Traditionsmarke der britischen Modeindustrie, 1856 von dem damals gerade 21 Jahre alten Textilkaufmann Thomas Burberry gegründet.

Jeder Gentleman von Stil kennt das geradezu legendäre Kleidungsstück: den von Burberry erfundenen Trenchcoat.

Humphrey Bogart trug den wetterfesten Mantel im Film ,,Casablanca'' ebenso wie Peter Sellers im Streifen ,,Der rosarote Panther''. Und nun das: Der Edelschneider und offizielle Hoflieferant des britischen Königshauses gibt die Polohemden-Produktion in seinem Heimatland auf. Sie soll in ein Billiglohnland verlegt werden.

Kein Zufall, dass die Ereignisse im Rhondda-Tal eine nationale Schockwelle ausgelöst haben: ,,Burberry made in China'' - das kommt für die Fans der Edelmarke mit dem typischen Karo auf Kleidungsstücken, Taschen und Accessoires einem Sündenfall gleich.

Beschwichtigende Sprüche

Da helfen auch die beschwichtigenden Sprüche der Burberry-Finanzchefin Stacey Cartwright nicht weiter, die in einem schicken Büro in der Londoner Firmenzentrale residiert.

Die Managerin weist darauf hin, dass das Unternehmen ohnehin schon zwei Drittel der Polohemden nicht mehr in Großbritannien zusammennähen lasse. ,,Wenn eine Fabrik nicht überlebensfähig ist, muss man entscheiden, sie zu schließen. Das sind wir den Anlegern schuldig'', sagt sie.

Auch Kate Moss sagt nein

Zugleich versichert Cartwright, dass teure ,,High-end''-Fabrikationen, wie zum Beispiel die Trenchcoats, nicht in Billiglohnländer ausgelagert werden sollen. Burberry hat derzeit noch weitere Produktionsstätten in Castleford, West Yorkshire, South Yorkshire und Rotherham.

Doch was sind die Versprechungen des Managements wert? Es sei ein klassischer Fall von Gier, in denen die Anleger, die ,,Shareholder'' der Modefirma, einen Logenplatz an Gottes rechter Seite erhalten, die Arbeiter aber in die Hölle geschickt würden, giftete die Boulevard-Zeitung Daily Mirror.

Der Fall Burberry entfacht Emotionen auf der Insel. Die Fabrikschließung in Treorchy hat sich für den Luxusgüterhersteller längst zum PR-Desaster ausgeweitet.

Gutbetuchte Kunden gehen auf Distanz

Sogar Burberrys gutbetuchte Kunden gehen auf Distanz. Auch Prince Charles sei besorgt, meldeten britische Medien. Der Sänger Sir Tom Jones, die Oscar-Preisträgerin Emma Thompson und das Model Kate Moss schlossen sich einer von der Gewerkschaft GMB organisierten Protestaktion vor Burberry-Läden an. ,,Haltet Burberry davon ab, unsere Herzen zu brechen'', prangte auf großen Protestplakaten.

Die GMB rechnete vor, dass Burberry in Treorchy mit Herstellungskosten von 11 Pfund für ein Poloshirt profitabel gearbeitet habe. Der Ladenpreis für die bunten Baumwollhemden liegt bei 55 Pfund. Das sind umgerechnet etwa 80 Euro.

Königlicher Hoflieferant

In London lud der Besitzer des Luxuskaufhauses Harrods, Mohamed Al Fayed, die Burberry-Protestanten sogar zum Lunch ein. Er sei auf ihrer Seite, sagte Al Fayed. Sogar in New York, Las Vegas, Chicago und Paris kam es vor Burberry-Geschäften zu Kundgebungen. Der walisische Labour-Unterhausabgeordnete Chris Bryant beantragte im Parlament, der Edelmarke das Gütesiegel als königlicher Hoflieferant zu entziehen.

Genützt haben die Proteste allerdings nichts. 200 Kilometer weiter westlich von London, abseits der Luxusboutiquen der britischen Hauptstadt, macht sich in den walisischen Bergen Resignation breit. Burberry-Mitarbeiter Harris muss nächste Woche zum Arbeitsamt gehen. ,,Ich habe zwei Kinder zu versorgen. Das Arbeitslosengeld reicht nicht. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Andere Jobs gibt es hier praktisch nicht'', sagt der Familienvater.

Seine Kollegin Gaynor Richards hat mehr Glück gehabt. Die 42-Jährige, die mehr als 20 Jahre bei Burberry gearbeitet hat, ließ sich zur Altenpflegerin umschulen. ,,Es ist zumindest eine kleine Chance'', sagt die Frau.

Mehr als 50 Kohlezechen geschlossen

Die Menschen im Rhondda-Tal wissen, dass ihnen nicht viel geschenkt wird. In den achtziger Jahren schlossen die letzten der einst mehr als 50 Kohlezechen. Zehntausende verloren ihre Arbeitsplätze. Erholt hat sich das Tal von diesem wirtschaftlichen Aderlass nicht. Die Region gehört bis heute zu den ärmsten in der EU mit einer Arbeitslosigkeit von mehr als 15 Prozent.

Das hat auch einschneidende soziale Folgen: Viele junge Leute wandern ab. Nur die Alten bleiben zurück. Die Menschen leben in den typischen kleinen Reihenhäusern, die sich entlang der Straßen das Tal hinaufziehen. ,,Das ist meine Heimat. Ich gehe hier nicht weg'', beteuert Harris.

Der Arbeiter hat sich selbst einen Vorschlag überlegt, wie die Fabrik in Treorchy vielleicht doch noch erhalten werden könnte. ,,Ich denke, die vielen reichen Kunden könnten für ein Polohemd ohne Probleme zwei Pfund mehr bezahlen'', sagt er. ,,Dann muss Burberry nicht nach China.''

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