Umwelt:Leere Meere bis 2048

Bye-bye Kabeljau, Thunfisch und Heilbutt. Die Fischereiflotten sind offenbar im Begriff, etliche Fischarten vollständig auszurotten. Bereits in 40 Jahren könnten die heute kommerziell genutzten Spezies sämtlich ausgestorben sein.

Katrin Blawat

Kein Kabeljau, kein Thunfisch und kein Heilbutt mehr da: Bereits im Jahr 2048 könnte dieses Gedankenspiel zur Realität geworden sein.

Überfischung

Die Fischereiflotten sind offenbar im Begriff, viele Fischarten auszurotten.

(Foto: Foto: dpa)

Eine entsprechende Hochrechnung stellen Ökologen um Boris Worm von der Dalhousie University in Halifax am heutigen Freitag im Fachmagazin Science vor (Bd. 314, S. 787, 2006).

Demnach sind die weltweiten Fischereiflotten im Begriff, komplette Fischarten auszurotten. In 40 Jahren könnten die heute kommerziell genutzten Spezies sämtlich ausgestorben sein.

Das würde nicht nur dem Menschen eine wichtige Nahrungsquelle rauben, sondern das gesamte Ökosystem der Meere durcheinander bringen, schreiben die Ökologen. Eines der Szenarien lautet: Wenn die Fische fehlen, fangen Algen unkontrolliert zu wuchern an. Das mindert die Wasserqualität und senkt den Sauerstoffgehalt, wodurch irgendwann sämtliche Tiere und Pflanzen sterben.

29 Prozent der Arten bereits zusammengebrochen

Im Jahr 2003 waren bereits die Bestände von 29 Prozent der Arten zusammengebrochen, und diese Entwicklung setze sich immer schnell fort, warnen die Forscher. Inzwischen leben in einigen Regionen der Meere nur noch ein oder zwei Arten nebeneinander.

Welche Folgen derartige Monokulturen für das Ökosystem Meer haben, untersuchten die Wissenschaftler in einer Meta-Studie. Dazu werteten sie Daten aus insgesamt 32 begrenzten Meeresgebieten aus, in denen bereits jetzt wenige Arten leben.

In allen Fällen zeigte sich, dass ein Meeresareal besser mit Störungen wie einer veränderten Wasserzusammensetzung oder Verschmutzung umgehen konnte, je mehr unterschiedliche Arten darin lebten. In Gebieten, in denen die Forscher viele verschiedene Arten fanden, nutzten die Tiere Ressourcen wie Nahrung und Platzangebot um ein Drittel effektiver als ihre Artgenossen in Monokulturen.

"Das vermutet man zwar auch mit gesundem Menschenverstand, aber es gibt nicht viele Studien, die das mit wissenschaftlichen Maßstäben zeigen", sagt Pedro Martinez Arbizu, der das Deutsche Zentrum für marine Biodiversitätsforschung (DZMB) in Wilhelmshaven leitet.

Worm und seine Kollegen stützen ihre Hochrechnung nicht nur auf Laborexperimente, sondern suchten auch in Fischerei-Archiven und fossilen Ablagerungen an den Meeresküsten nach Hinweisen auf die Entwicklung der Artenvielfalt.

"Wir können diese Entwicklung noch stoppen"

Noch ist es jedoch nicht zu spät, um die Fische und das Meer zu retten. Zahlreiche kleine Projekte widmen sich bereits dem Erhalt der Artenvielfalt im Wasser. Worm untersuchte entsprechende Daten über geschützte Reservate im Meer und stellte fest, dass sich innerhalb kurzer Zeit fast ein Viertel mehr unterschiedliche Arten dort angesiedelten als in einem ungeschützten Gebiet.

"Wir können diese Entwicklung noch stoppen, zumindest auf regionaler Ebene", sagt Worm. Seine Untersuchung zeigte aber auch, dass Rettungsversuche, die in kleinen Gebieten Erfolg haben, sich auch auf Ozeane anwenden lassen.

Pedro Arbizu vom DZMB hat einige Ideen, wie sich das Artensterben aufhalten ließe. "Bisher fischte man die großen fetten Weibchen und schützte die kleineren", sagt der Biologe. "Das ist aber zu kurzfristig gedacht, weil große Weibchen mehr Junge bekommen, also produktiver sind.

Außerdem tragen sie dazu bei, dass die gesamte Art nicht zu kleinwüchsig und damit anfällig wird." Dass solche Maßnahmen allein die Biodiversität wieder herstellen können, nimmt Arbizu allerdings nicht an. "Die Fischerei ist immer auch ein soziales Problem", sagt der Spanier. "In den nächsten Jahren müssen viele, die heute noch von der Fischerei leben, umdenken und sich in ihrem Arbeitsalltag umstellen."

Wissenschaftler registrieren jedoch nicht nur, dass immer mehr Fischarten immer schneller aussterben. Aus anderen Meeresgebieten wandern neue Arten ein und nutzen das brach liegende Nahrungs- und Platzangebot. Außerdem entdecken Meeresforscher ständig neue Arten.

"Vor allem in Korallenriffen kennen wir erst einen Bruchteil von dem, was da lebt", sagt Arbizu. "Aber auch bei den Fischen ist ein Ende noch nicht in Sicht." Aufgabe der Wissenschaftler sei es, die Öffentlichkeit über beides zu informieren: Über den verborgenen Artenreichtum und die Gefahr, diesen Reichtum zu vernichten.

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