Eurovision Song Contest:Verka hat euch lieb!

Die Ukraine schickt einen Transvestiten zum Song Contest - für den Westen wäre das keine große Sache, aber die Ukraine ist ein Eurovision-Newcomer. Da ist jeder Auftritt eine nationale Angelegenheit. Proteste gibt es zuhauf.

Sonja Zekri

Es ist ja nicht der erste Skandal. Als Verka Serduchka ein Hemd mit dem Bild des Nationaldichters Taras Schewtschenko über ihren airbag-großen Brüsten trug, forderten ukrainische Nationalisten sie auf, unverzüglich ihren ukrainischen Pass abzuliefern.

Verka Serduchka fährt zum European Song Contest.

Verka Serduchka fährt zum European Song Contest.

(Foto: Foto: Screenshot sueddeutsche.de (www.serduchka.com))

Ihre Texte, gesungen in einer Mischung aus Ukrainisch und Russisch, seien eine Verhöhnung der schönen ukrainischen Sprache, die ganze Figur ein vaterlandsloser Witz. Demonstranten in Kiew empfingen Verka bei der Heimkehr von einer Tournee mit Plakaten, auf denen ,,Nieder mit Serduchka, dem Hermaphroditen'' stand und andere, noch gemeinere Sprüche. Nein, es ist nicht der erste Skandal.

Aber dass der Radiosender ,,Jewropa FM'' nun zum SMS-Protest aufrief, dass er öffentlich Puppen im Verka-Kostüm verbrennen ließ, ist doch ein starkes Stück und erklärt sich eigentlich nur aus einem Neidreflex. Verka Serduchka, die im richtigen Leben Andrej Danilko heißt und der bekannteste Transvestit in Osteuropa ist, wird nämlich für die Ukraine zum Eurovision Song Contest fahren.

Für den Westen wäre das keine große Sache, eine Drag Queen beim Grand Prix, ja, mein Gott, sonst noch was Neues? Gab's in Israel doch auch schon. Man hört gewissermaßen schon das Gähnen von Marseille bis Marzahn. Aber die Ukraine ist ein Eurovisions-Newcomer, überhaupt erst seit vier Jahren dabei, und dabei immerhin schon einmal Sieger geworden. Da ist jeder Auftritt eine nationale Angelegenheit.

Dottergelbe Riesentutus und rosa Federboas

Und nun soll ausgerechnet Verka Serduchka nach Helsinki scharwenzeln, Verka mit ihren dottergelben Riesentutus und den rosa Federboas, mit den silbernen Flügelchen und goldenen Krönchen, mit Bommeln, Riesenblüten und Sonnenbrillen, so groß wie die Fenster des A380.

Verka Serduchka ist die Antwort der Ukraine auf Dame Edna (,,Hallo, meine Beutelratten''), aber die Ukraine ist nicht Australien, sondern eines von vielen traditionell eher homophoben Ländern im Osten, und insofern sind die Proteste eigentlich weniger erstaunlich als die zärtliche Verehrung, die die mollige, prollige Transe bei vielen in der Ukraine und in Russland trotzdem genießt.

Zugegeben, es war ein Aufstieg im Gleitflug, die ersten Jahre waren schwer. Aber spätestens seit der eher durchschnittliche Schauspieler Andrej Danilko - geboren in Poltawa, 33 Jahre, abgebrochenes Studium der Zirkus-Schule - eine Fernsehsendung für seine Kunstfigur bekam, war der Weg zum Ruhm geebnet.

Schamlos kopiert

Inzwischen Und in gewisser Hinsicht versöhnt Danilko, der bis heute darauf besteht, dass er nicht schwul ist, mit seiner Verka die zerrissene, postkommunistische Ukraine mit sich selbst. Für das Video ,,Gop, Gop'' trug Verka die traditionelle Frauentracht, gelegentlich blitzen Sinti-Klänge und Volkslieder in den Songs auf, und in den Clips kommen sich die alte bäuerliche Ukraine und das neue glitzernde Oligarchen-Reich auf ebenso exzentrische wie verspielte Weise näher.

Verka Serduchka wird nicht nur von Kiew bis Kamtschatka von Hunderttausenden verehrt, sondern auch schamlos kopiert. Typisch war ein Fall vor drei Jahren, als in der Kaukasusrepublik Karatschai-Tscherkessien ein Betrüger zwei Stunden lang die ahnungslosen Massen begeisterte und nach dem Konzert sogar Autogramme gab.

Weltweit operierten Dutzende falscher Verkas, hat Danilkos Manager Igor Klinkow mal geklagt: ,,Unsere Partner aus Deutschland rufen an und sagen: Wir wissen, dass Sie heute in Hannover auftreten. Können wir ein Interview mit der Künstlerin machen? - Und wir antworten: Tut uns leid, aber wir sind gerade in Israel.''

Geschlagene Butter

Zum Eurovision Song Contest nach Helsinki wird selbstverständlich das Original fahren. Und sie wird ihren Song ,,Dancing'' singen, ein Partyrumpelhit, der allerdings - Überraschung! -, kaum bekannt, schon Unmut ausgelöst hat, diesmal bei den Russen.

Abgesehen davon, dass Verka in diesem Song gelegentlich deutsche Zahlen einstreut, was einige Russen irgendwie als suggerierte Nähe von Russen und Nazis deuten, abgesehen auch von der Anspielung auf den ,,Maidan'', den Unabhängigkeitsplatz in Kiew, wo die orangefarbene Revolution triumphierte, was Großrussen bis heute als Dolchstoß betrachten, abgesehen von all dem gebe es da eine Textstelle, die klinge wie ,,Ich möchte, dass ihr singt: Russia, goodbye!''

Aber nein, beruhigt Danilko, da habe man ihn völlig missverstanden. In Wahrheit laute die Zeile ,,Ich möchte, dass ihr seht: Lascha Tumbai'', was aus dem Mongolischen komme und ,,geschlagene Butter'' bedeute. Alle, die ,,Russia, goodbye'' hören, sollten sich mal die Ohren waschen, sagt er. Ob das nun geschlagene Butter oder gequirlter Unsinn ist - im Mai wird sich Europa ein Bild machen können.

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