Spektakuläres Urteil in Karlsruhe:Autobahn-Raser muss ins Gefängnis

Der DaimlerChrysler-Mitarbeiter ist wegen fahrlässiger Tötung zu 18 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Dem Gericht zufolge verursachte seine Raserei den Tod einer 21-Jährigen und deren Tochter. Die Richterin betonte, das auf deutschen Autobahnen übliche dichte Auffahren, Blinken und Drängeln sei "kein Kavaliersdelikt".

Die Verteidigung kündigte Berufung gegen das Urteil an. Das Gericht musste sich ausschließlich auf Indizien stützen, Rolf F. hatte von Anfang an bestritten, in das Unfallgeschehen verwickelt gewesen zu sein. Es wäre "uns lieber gewesen, ganz klare, schöne Beweise zu haben", räumte Amtsrichterin Hecking ein. Doch Zeugenaussagen und Weg-Zeit-Berechnungen hätten ausgereicht, um den Angeklagten zu überführen.

Rolf F. war demnach am 14. Juli 2003 um sechs Uhr mit seinem 500 PS starken Mercedes Benz CL 600 Coupé bis auf wenige Meter auf den vor ihm fahrenden Wagen der 21-Jährigen zugerast. Die junge Mutter riss deshalb das Steuer nach rechts und verlor die Kontrolle über ihr Auto. Sie geriet ins Schleudern und prallte mit ihrem Wagen gegen mehrere Bäume. Mutter und Tochter waren sofort tot.

Eine Frage der Scheinwerfer

Als erster Beweis dienten dem Gericht Weg-Zeit-Berechnungen, wonach Rolf F. nach seiner Abfahrt vom Werksgelände in Sindelfingen um 5. 30 Uhr genau um 6.00 Uhr an der Unfallstelle sein konnte. F. hatte ausgesagt, er sei erst gegen 6.10 Uhr dort gewesen.

Die Richterin warf ihm vor, er habe versucht, seine Aussagen den Fakten anzupassen. In einer ersten Vernehmung bei der Polizei hatte er angegeben, erst gegen 6.30 die Unfallstelle passiert zu haben. "Ich habe es noch in keinem Verfahren erlebt, dass mit derartiger Widerwilligkeit Angaben gemacht werden", sagte die Richterin bei der Urteilsbegründung.

Nach Aussagen von Augenzeugen, die den Unfall beobachtet hatten, hielt das Gericht es für erwiesen, dass ein Mercedes Coupé auf den Kleinwagen der jungen Mutter zugerast war. Damit konnte der zunächst ebenfalls verdächtigte Chef des Angeklagten, Stefan H., als Unfallverursacher ausgeschlossen werden, weil er eine Limousine fuhr. Ein Zeuge hatte ausgesagt, er habe voneinander getrennte Doppelscheinwerfer gesehen, die es nur beim Coupé, aber nicht bei der Limousine gibt.

Richterin: Keine Befriedigung der Volksseele

Richterin Hecking erklärte, das Amtsgericht wolle mit der Gefängnisstrafe nicht "die Presse, die Öffentlichkeit und das Volk befriedigen". Die Straftat sei aber "keine leichte Fahrlässigkeit", es gehe "nicht um ein Kavaliersdelikt".

Auf deutschen Straßen gebe es häufig keine Geschwindigkeitsbegrenzung, wogegen nichts zu sagen sei. Gerade deshalb aber sei eine "besondere Rücksicht auf andere erforderlich, wenn jemand diese Möglichkeit für sich in Anspruch nimmt". Dichtes Auffahren bei hohen Geschwindigkeitsunterschieden sei grob verkehrswidrig und rücksichtslos.

Urteil einhellig begrüßt

Das Urteil stieß auf breite Zustimmung. Nordrhein-Westfalens Innenminister Fritz Behrens (SPD) sprach von einem notwendigen Zeichen der deutschen Gerichtsbarkeit, "dass so etwas nicht toleriert, sondern hart bestraft wird". Er erhoffe sich eine positive Signalwirkung. Der Auto Club Europa (ACE) erklärte: "Hier wurde im wahrsten Sinne des Wortes ein Urteil im Namen des Volkes gefällt." Raser gehörten gesellschaftlich geächtet.

Auch der ADAC nannte das Urteil gerechtfertigt, wandte sich aber gegen Forderungen nach einem Tempolimit. Sinnvoller sei, die Sicherheit der Autos und das Verantwortungsgefühl der Fahrer zu erhöhen. "Wenn die Strecke frei und trocken ist, spricht nichts gegen Tempo 200, bei dichtem Verkehr oder Nebel können 80 Stundenkilometer zu schnell sein." Das Unternehmen DaimlerChrysler kündigte an, sich von dem Testfahrer trennen zu wollen.

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