Barcelona:Weißer Gorilla musste eingeschläfert werden

"Schneeflöckchen", der an unheilbarem Hautkrebs litt, sollte ein qualvoller Tod erspart werden. Der Affe war der einzige bekannte Albino-Gorilla der Welt und ein Wahrzeichen von Barcelona.

Der Affe wurde etwa 40 Jahre alt. Das entspricht altersmäßig mehr als 80 Menschenjahren. Barcelona will eine Straße oder einen Platz nach "Schneeflöckchen" (Copito de Nieve) benennen.

Mit seinem weißen Fell und der rosa Haut war der Affe nicht nur der bekannteste Gorilla der Welt, sondern auch ein Wahrzeichen der Stadt. Er zierte die Titelseiten der Weltpresse, darunter der renommierten US-Fachzeitschrift "National Geographic".

Die Bewohner Barcelonas hatten schon im September damit begonnen, sich für immer vom Star ihres Zoos zu verabschieden. Zoo-Direktor Jordi Portabella hatte damals mitgeteilt, dass der Gorilla unheilbar krank sei und sein Leben nicht künstlich verlängert werde.

Weder geklont noch ausgestopft

In der vorigen Woche ließ der Zoo das Gorilla-Gehege schließen. Der Affe blutete aus einer offenen Wunde in der Achselhöhle. Er sollte unbeobachtet und auf würdige Weise sterben. Nach seinem Tod wird er weder geklont noch ausgestopft. Allerdings sollen dem Kadaver zu Forschungszwecken genetische Proben entnommen werden.

"Copito" war der erste Gorilla, an dem ein Hautkrebs festgestellt wurde. Er gehörte zur Art der Flachlandgorillas, von denen in Afrika noch etwa 40.000 Exemplare leben.

Absolute Rarität

Der Zoologe Jordi Sabater Pi hatte das Tier 1966 aus der spanischen Ex-Kolonie Äquatorialguinea in Zentralafrika nach Barcelona gebracht. Der Wissenschaftler hatte das weiße Affen-Kind einem Bauern abgekauft, der "Copitos" Familie erschossen hatte, weil die Gorillas die Früchte von seinen Feldern fraßen. Sabater wusste, dass er es mit einer absoluten Rarität zu tun hatte. Bis dahin waren alle Gorillas, die Wissenschaftler zu Gesicht bekommen hatten, schwarz gewesen.

Nachdem die sensationelle Entdeckung sich herumgesprochen hatte, reisten Zoologen aus aller Welt nach Barcelona, um den Albino zu bestaunen. Der Zoodirektor von Chicago wollte den Gorilla "für jeden Preis" kaufen. Andere Experten reagierten mit Unglauben. Einige behaupteten gar, das Fell sei künstlich gefärbt worden.

Die ersten Monate in Barcelona verbrachte das verspielte Gorilla-Kind in der Wohnung des Zoo-Veterinärs. Dessen Frau kochte dem Affen Brei, wechselte ihm die Windeln und schaukelte ihn in den Schlaf.

Verhindertes Olympia-Maskottchen

1973 wurde "Copito" erstmals Vater. Er zeugte mit seinen drei "Frauen" insgesamt 22 Nachkommen, mehr als jeder andere Gorilla in der Gefangenschaft. Keiner von ihnen erbte jedoch das weiße Fell, alle Jungen waren pechschwarz. Experten halten es für äußerst unwahrscheinlich, dass in späteren Generationen erneut ein Albino auftaucht. Die männlichen Nachkommen sind alle steril.

In den 80er Jahren wurde "Schneeflöckchen" zu einer der wichtigsten Touristenattraktionen von Barcelona. Die Olympischen Spiele 1992 sollten zur Sternstunde des Gorillas werden, aber sie wurden zu seiner bittersten "Niederlage". Eigentlich, so war erwartet worden, sollte der Affe zum Maskottchen der Spiele erkoren werden. Aber die Ausrichter entschieden sich anders. Sie wollten nicht das Risiko eingehen, dass das Olympia-Maskottchen vor den Spielen sterben könnte.

Mürrisch und gelangweilt im Käfig

Seither spielte der Gorilla in der Touristenwerbung kaum noch eine Rolle. "Heute locken vor allem Werke von Künstlern wie Antoni Gaudí, Pablo Picasso oder Joan Miró die Besucher an. Da konnte "Copito" nicht mithalten", sagte der Direktor der Fremdenverkehrsbehörde, Pere Duran.

Der Affe saß häufig mürrisch und gelangweilt in seinem Käfig. "Mit seinen Grimassen will er uns sagen, dass das Paradies nicht in Barcelona liegt, sondern im Urwald in Afrika", schrieb der Ex-Zoodirektor Antoni Jonch in seinen Memoiren.

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