Bio-Drogen:Gefährlicher Rausch aus Omas Vorgarten

Psychedelische Kakteen aus dem Gartencenter, Muskatnuss aus der Gewürzdose: Bei Bio-Drogen zeigen viele Jugendliche ungeahnte Experimentierfreude - häufig mit gefährlichen Nebenwirkungen.

Muskatnuss, Bilsenkraut, Stechapfel oder bestimmte Pilze: Sogenannte Bio-Drogen gelten unter Jugendlichen oft als harmloser Partyspaß. Um sich zu berauschen trocknen und essen sie die Pflanzen, schnippeln sie in den Salat oder kochen einen Tee daraus.

Bio-Drogen: Engelstrompete & Co bergen böse Überraschungen

Engelstrompete & Co bergen böse Überraschungen

(Foto: Foto: dpa)

Was in Omas Vorgarten, auf der Wiese oder im Blumenladen an der Ecke frei verfügbar ist, kann aber gefährliche Nebenwirkungen haben und bei falscher Dosierung sogar zum Tod führen.

"Das große Problem der Bio-Drogen ist, dass sie oft nicht verboten sind und deswegen harmlos erscheinen", sagt die Medizinerin Gisela Dahl aus Stuttgart, die lange den Suchtausschuss der Landesärztekammer Baden-Württemberg geleitet hat.

Kakteen aus dem Gartencenter

Tatsächlich fallen nur die wenigsten Bio-Drogen unter das Betäubungsmittelgesetz - sie sind also legal. Über das Internet sind die Pflanzen leicht erhältlich - oder sogar in der unmittelbaren Umgebung zu finden: Bestimmte Pilze wachsen häufig im nahe gelegenen Wald. Kräuter wie Muskatnuss stehen griffbereit in Mutters Gewürzregal; Blumen wie die Engelstrompete oder bestimmte Kakteen mit berauschender Wirkung werden in jedem Gartencenter an ein breites Publikum verkauft.

Doch der harmlose Schein trügt: Für den Nervenkitzel der neuen Erfahrung gehen Konsumenten zum Teil hohe psychische und körperliche Risiken ein, warnt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Köln. Zum einen sei der Rauschverlauf sehr stark von der einzelnen Person und ihren Erwartungen abhängig: Nicht immer wird die Stimmung durch Halluzinogene euphorisch. "Sie kann auch in Panik und Entsetzen umkippen, da die Erlebnisse Angst bereiten können", heißt es. "Aus dem Rausch wird dann ein Horror-Trip."

Angstzustände und Vergiftungserscheinungen

Außerdem kommt es im Rausch regelmäßig zu lebensgefährlichen Aktionen: Jugendliche verletzen sich mit Messern oder Scheren, steigen durch das Fenster aus ihrem Zimmer oder geraten berauscht in andere gefährliche Situationen.

Ob die pflanzlichen Halluzinogene abhängig machen, ist unklar. In jedem Fall können sie als Katalysator für eine Drogenkarriere dienen. "Rund zwei Drittel der Nutzer taucht irgendwann in die härtere Drogenszene ab", schätzt Dahl. Einige der Bio-Drogen können zu schweren Vergiftungen führen.

Vor allem Nachtschattengewächse wie Stechapfel, Bilsenkraut oder Tollkirsche fördern Angstzustände und haben im Extremfall eine tödliche Atemlähmung zur Folge. "Dabei ist die ungenaue Kenntnis über die Dosierung und Anwendung ein besonderes Problem", sagt Hans-Jürgen Haak von der Landeskoordinierungsstelle Suchtvorbeugung Nordrhein-Westfalen in Mülheim/Ruhr.

Viele ignorieren diese Risiken. Vor allem online forschen sie nach Tipps zur Zucht, Dosierung und Einnahme der Drogen.

Austausch über das Internet

Auch ein User namens Stef gibt in einem Forum seine Erfahrungen weiter und erzählt euphorisch von seiner "Reise ins Regenbogenland" - bei der er sich allerdings nicht nur übergeben musste, sondern auch noch einige Zeit später gegen die Wirkung der Drogen anzukämpfen hatte: "Ich brauchte ganze zwei Tage, um mich wieder zurück zu erinnern."

Trotzdem verteidigen die Nutzer ihre Bio-Drogen: So berufen sich die selbst ernannten Experten unter anderem auf die lange Tradition biogener Drogen. In Ländern Südamerikas oder im Orient sind bewusstseinsverändernde Pflanzen lange bekannt.

"Der Unterschied ist jedoch, dass die Menschen in diesen Ländern ein ganz genaues Wissen über die Wirkung und die richtige Dosierung dieser Drogen haben", sagt Dahl.

Dort würden Bio-Drogen kontrolliert und in Gesellschaft eingenommen. Jugendliche in Deutschland benutzten die Pflanzen dagegen für eine Flucht aus dem Alltag. Das ist keine Lösung: "Das gehört zum Leben dazu: Konflikten nicht durch einen Rausch zu entfliehen, sondern sie langfristig auszuhalten und positiv zu nutzen."

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