Gentech-Produkte:"Irrationale Angst"

Die US-Regierung fordert die Europäer dazu auf, manipulierte Produkte zuzulassen - zum Wohle Afrikas. Denn die Angst der Europäer vor Gen-Nahrung sei daran schuld, dass Afrikaner sich nicht die Segnungen der Agrar-Technik zu Nutze machen könnten, weil sie um Absatzchancen auf dem blockierten EU-Markt fürchten müssten.

Von Cornelia Bolesch

(SZ vom 25.06.2003) - Wenn eine grüne Italienerin wie die Europaparlamentarierin Monica Frassoni sich ausgerechnet einen politischen Gegner wie den umstrittenen italienischen Premier und künftigen EU- Ratspräsidenten Silvio Berlusconi als "Alliierten" gegen die amerikanische Regierung vorstellen kann, dann muss es sich um ein ganz besonderes europäisches Problem handeln: Es heißt "GVO".

GVOs

Für weitere Infos klicken Sie bitte auf das Bild. SZ-Grafik: Beck, Quelle: globus/ISAA

200 italienische Abgeordnete aller politischen Fraktionen haben sich kürzlich im Abwehrkampf gegen diese "genveränderten Organismen" vereint und an Kommissionspräsident Romano Prodi appelliert, er müsse die "Koexistenz" in der Landwirtschaft sichern. Er dürfe nicht zulassen, dass genveränderte Produkte den konventionellen und biologischen Landbau in Europa beschädigten.

Streit über die Risiken

Seit Jahren wird in der EU über die Risiken genveränderter Nahrung gestritten. Weil die Bürger mehr als skeptisch sind, blockieren die Regierungen die europaweite Zulassung neuer GVO-Produkte. Das wiederum hat zu wachsenden transatlantischen Spannungen geführt, weil auch US-Importe von dem so genannten "Gen-Moratorium" betroffen sind.

In den USA gehören genveränderter Mais, Soja oder Weizen zum Agrar- Alltag. 66 Prozent des weltweiten Anbaus von GVO-Produkten findet in den USA statt. Auch in der EU sind bereits genveränderte Produkte zur Vermarktung zugelassen, fünfzehn Pflanzen und drei Impfstoffe. Die Größe der europäischen Anbauflächen aber liegt noch im Promillebereich, weil die Zulassung neuer Produkte seit fünf Jahren stockt. "Wir sind mit unserer Geduld am Ende", erklärte der amerikanische EU-Botschafter Rockwell A. Schnabel im Mai.

Unmittelbar vor dem EU-USA-Gipfel an diesem Mittwoch legte George W. Bush nach. Der Präsident berief sich diesmal aber nicht auf die Interessen der amerikanischen Bauern, sondern auf die Zukunft Afrikas. "Zum Wohle eines von Hunger bedrohten Kontinents rufe ich die europäischen Regierungen auf, ihre Opposition gegen die Biotechnologie zu beenden", sagte der Präsident vor dem Verband der Biotechnologie in Washington.

Amerikaner schwingen die Moralkeule

Mit einer Klage vor der Welthandelsorganisation WTO wollen die USA ihre Position untermauern. Als neueste Waffe halten die Amerikaner jetzt die Moralkeule in der Hand. Die "völlig unwissenschaftliche Angst" der Europäer vor Gen-Nahrung sei daran schuld, dass Afrikaner und andere notleidende Völker sich nicht die Segnungen der Agrar-Technik zu Nutze machen könnten, weil sie um Absatzchancen auf dem blockierten EU-Markt fürchten müssten.

"Nicht besonders hilfreich" findet die EU diese Vorwürfe. Vor dem Gipfeltreffen macht die Kommission der US-Regierung klar, dass die Europäer ihre Politik vor der WTO "energisch" verteidigen würden. Ziel sei keineswegs eine auf ewig gentechnikfreie Landwirtschaft. Vielmehr strebe man die ausreichende Kontrolle und Kennzeichnung genveränderter Produkte an.

Zu diesem Zweck berät das EU-Parlament gerade zwei neue Gesetzte. Sie sollen neue Schwellenwerte für GVOs festlegen, die Kennzeichnung regeln und die Kontrolle gewährleisten. Erst mit diesen Absicherungen, so die Kommission, hätten genveränderte Nahrungsmittel auf dem europäischen Markt überhaupt eine Chance.

"Riesige Herausforderung"

Zwei Hürden blieben im transatlantischen Streit allerdings bestehen: Die Pflicht zur Kennzeichnung würde ebenfalls für Importe gelten - auch dagegen wehren sich die Amerikaner. Und die Diskussion über die "Koexistenz" von gentechnischer Landwirtschaft, konventionellen Agrarmethoden und Bio-Landbau droht die Aufhebung des Gen-Moratoriums in der EU weiter zu verzögern.

Als "riesige Herausforderung" bewertet die EU die Probleme der Biotechnologie. Es ginge um Gesundheit, Umweltschutz und wirtschaftliche Fragen. "Globale Regierungskunst" sei notwendig, um mit diesen Problemen umzugehen. Auf dem EU-USA-Gipfel wird diese Kunst noch keine Rolle spielen.

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