Katholische Kirche:Gespaltenes Bistum Regensburg

Johannes Grabmeier, ehemaliger Dekanatsrat in Regensburg, hat dem Papst vor seinem Besuch einen Brief geschrieben. Darin beklagt er, tausend Gläubige in der Diözese seien "vom derzeitigen Verwalter des Bischofsamtes geistig und religiös getrennt, weil der Bischof sein Hirtenamt nur den ihm hörigen Christen widmet, seinen Kritikern dagegen in intensiver Feindschaft verbunden ist".

Rolf Thym

So ergriffen hat man den Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller bislang selten erlebt: Als Benedikt XVI. am Samstag in München vor der Mariensäule betete, hatte Müller - so bekannte er danach - Tränen in den Augen, wie viele seiner Amtsbrüder. Gerührt berichtete er davon, der Papst habe ihm mitgeteilt, dass er sich besonders auf seinen Besuch in Regensburg freue.

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Umstritten: Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller

(Foto: Foto: dpa)

Ganz im Sinne des Kirchenoberhaupts will Müller den Schwung der Papstvisite zu einer Neuevangelisierung nutzen. Es sei wichtig, "dass wir uns öffnen und fähig werden, auf die Stimme Gottes zu hören, damit wir im Stimmengewirr nicht die entscheidende Stimme, die uns die Wahrheit verkündet, überhören".

Was nun die Wahrheit über den Zustand des Regensburger Bistums angeht, so stehen seit geraumer Zeit zwei völlig verschiedene Versionen einander gegenüber. Die eine, es ist die des Bischofs, handelt davon, dass innerkirchliche Abweichler unbotmäßige, nicht hinzunehmende Kritik an ihm und am Bischofsamt üben.

Vorwurf des selbstherrlichen Gebarens

Die andere Version der Wahrheit tragen kritische Katholiken, etwa der Regensburger Verein "Laienverantwortung", in die Öffentlichkeit. Sie werfen Müller selbstherrliches Gebaren und eine Missachtung der Laien vor.

Davon soll auch der Papst erfahren: An ihn ist eine 17 Seiten umfassende Denkschrift gerichtet, in welcher die dringliche Bitte an Benedikt XVI. ergeht, er möge angesichts der erheblichen Zwistigkeiten im Bistum den Regensburger Bischof ins Gebet nehmen.

Ob der Papst das Schreiben gelesen hat, ist nicht bekannt. Auf alle Fälle hat Johannes Grabmeier, der Verfasser und Mitglied der "Laienverantwortung", bislang keine Antwort erhalten - weder aus dem Vatikan, noch von Bischof Müller, der es mittlerweile ohnehin vorzieht, seine Kritiker möglichst zu ignorieren.

Der an der Fachhochschule in der niederbayerischen Kleinstadt Deggendorf als Professor für Wirtschaftsinformatik lehrende Grabmeier war in besonderem Maß von einer Neuordnung der Laienmitarbeit betroffen, die der Regensburger Bischof per Dekret erlassen hatte: Grabmeier verlor mit der Auflösung der Dekanatsräte und des Diözesanrats zwei wichtige Laienämter. Der Bischof schuf ein neues überregionales Laiengremium, das Diözesankomitee, in dem Grabmeier allerdings nicht vertreten ist - ebenso wie andere Kritiker.

"Kaskade von Krisen"

Kurz nach Müllers Amtsantritt im November 2002 änderte sich so manches im zuvor so ruhigen Bistum: Dem neuen regionalen Kirchenoberhaupt ging der Ruf eines streng Konservativen voraus. Müller maßregelte Geistliche, die Kritik an ihm gewagt hatten. Dieses Vorgehen stieß bei etlichen engagierten Laien keineswegs auf Begeisterung, und so baute sich ein bis heute spürbares Spannungsfeld auf - begleitet von mitunter heftigen Entladungen.

In der Folge insbesondere der neugeordneten Laienmitwirkung stellten sich viele engagierte Katholiken so offen wie selten zuvor in Deutschland gegen ihren örtlichen Oberhirten. Pfarrgemeinderäte legten aus Protest ihre Ämter nieder oder traten zu Neuwahlen nicht mehr an.

Vor dem Regensburger Dom hielten Katholiken Mahnwachen gegen den Bischof - so auch neulich wieder, an den beiden Samstagen vor dem Papstbesuch. Darüber hinaus schickte Johannes Grabmeier unlängst seine Denkschrift an den Papst: Viele tausend Gläubige in der Diözese seien "vom derzeitigen Verwalter des Bischofsamtes geistig und religiös getrennt, weil der Bischof sein Hirtenamt nur den ihm hörigen Christen widmet, seinen Kritikern dagegen in intensiver Feindschaft verbunden ist", schrieb der Professor.

Mit einer "Kaskade von Krisen" habe Müller "insbesondere der Ortskirche Regensburg erheblichen Schaden" zugefügt. Schließlich bat Grabmeier den Papst um Hilfe und Unterstützung, "damit nicht Feindbilder weiter vertieft werden".

Keine Reaktion auf Kritik

Auf derlei Kritik ging der Bischof vor wenigen Tagen nur mit wenigen Randbemerkungen ein: Mit dem Hinweis auf all jene, "die versuchen, das Bistum schlecht zu reden", betonte er, dass "die Stimme der Laien gut in der Öffentlichkeit vertreten" und "unsere Diözese doch ganz gut aufgestellt" sei. "Wir brauchen nicht anzugeben und zu sagen: Da sind wir besser als die anderen", meinte der Bischof, aber "man kann in einer nüchternen Bilanz auf die positiven Seiten hinweisen".

Nach den positiven Seiten an Müllers Laien-Neuordnung suchen Grabmeier und viele weitere Bischofs-Kritiker bis heute vergebens. Auch warten sie weiter auf Gesprächsangebote der Bistumsleitung.

Immerhin Philipp Graf von und zu Lerchenfeld, der Vorsitzende des neuen Diözesankomitees, in dem Laienvertreter aus dem gesamten Bistum versammelt sind, hat neulich signalisiert, Kritiker des Bischofs einbinden zu wollen - allerdings wählte er dabei Formulierungen, die den Eingeladenen nicht besonders gefielen: Lerchenfeld, im Hauptberuf CSU-Landtagsabgeordneter, sprach von Katholiken, die "aus welchen Gründen auch immer außerhalb der Kirche und deren Strukturen stehen".

Fritz Wallner, der ehemalige Vorsitzende des vom Bischof abgeschafften Diözesanrats, empfindet diese Äußerung als "unerträglich und ungeheuerlich", schließlich sei er, so betont Wallner, "fest in der Kirche verwurzelt". Im Übrigen freue er sich auf den Papstbesuch in Regensburg, und er habe den Wunsch, dass Benedikt XVI. "wenigstens ein mahnendes Wort an unseren Bischof richtet".

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