Streit um Großmarkthallen:Hickhack um Sanierung

Die Großmarkthallen sind marode und müssen dringend saniert werden: Der Kämmerer will Investoren für eine millionenteure Renovierung gewinnen, aber die Kommunalreferentin ist gegen einen Verkauf.

Jan Bielicki

Die Sitzung des städtischen Kommunalausschusses dauerte gerade einmal zehn Minuten. Dann gingen die 16 Stadträte auseinander - und hatten wieder nicht über das bei weitem wichtigste Problem gesprochen, das der Ausschuss in diesem Jahr zu lösen hat.

Großmarkthalle

Der Kämmerer Wolowicz will nicht, dass die Steuerzahler für die Sanierung der Großmarkthallen aufkommen müssen.

(Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Wie bereits im März flog auch an diesem Donnerstag der angekündigte Punkt "Zukunftssicherung der Markthallen" kurzfristig von der Tagesordnung. Begründung: Es gebe noch "Abstimmungsbedarf".

So kann man den erbitterten Streit auch nennen, den die ungewisse Zukunft der dringend sanierungsbedürftigen Großmarkthallen am Gotzinger Platz an der Spitze der rot-grünen Stadtregierung ausgelöst hat. Dabei geht es um dreistellige Millionenbeträge und letztlich darum, in welchem Maß sich die Stadt künftig am Betrieb - und damit an den Kosten - ihrer Markthallen beteiligen soll.

Geht es nach der zuständigen Kommunalreferentin Gabriele Friderich (parteilos), bleiben die derzeit als städtischer Eigenbetrieb geführten Markthallen mehrheitlich im Besitz der Stadt. Stadtkämmerer Ernst Wolowicz (SPD) würde es vorziehen, die Mehrheit des künftig in eine private Rechtsform umzuwandelnden Betriebs in die Hände der Händler und von anderen Investoren geben.

In einem Schreiben an die "sehr geehrte Kollegin" wurde der Kämmerer deutlich: "Ganz sicher ist es nicht Aufgabe des Münchner Steuerzahlers, Investitionen und Risiken zu übernehmen für Händler, die noch nicht einmal das Stadtgebiet versorgen, sondern weit darüber hinaus reichende Regionen", schrieb Wolowicz.

Sanierung und Neukonzeption der Großmarkthalle müssten "primär und ganz überwiegend von den Nutznießern dieser Maßnahme, nicht aber vom Steuerzahler getragen werden", ließ der Kämmerer die Kommunalreferentin in fett gedruckten Lettern wissen.

Es geht um viel Geld. Denn klar ist: Ein Großteil der Hallen, in denen Münchens Lebensmittelhändler und Wirte sich mit Obst und Gemüse eindecken, ist so marode, dass der Betrieb sich "noch höchstens fünf Jahre" aufrecht erhalten lasse, wie die Werkleitung warnt. Damit steht die Zukunft von 500 Firmen auf dem Spiel, die 2009 zusammen 2,8 Millionen Euro Gewerbesteuer an die Stadt abführten.

Eine von den Markthallen bestellte Konzeptstudie der Beratungsfirma Deloitte & Touche, auf deren Vorstellung die Stadträte immer noch warten, rechnet erste, zum großen Teil nur sehr grobe Schätzungen des Sanierungsbedarfs auf mehr als 108 Millionen Euro zusammen.

"Lebensmittel-Frische-Zentrum"

So viel Geld in Altbauten zu stecken, die den Bedürfnissen des modernen Großhandels kaum mehr entsprechen, lohnt nach Ansicht der Berater jedoch nicht. In zwei weiteren Szenarios schlagen sie statt dessen vor, auf einem derzeit als Lkw-Parkplatz Teil des Großmarktgeländes an der Schäftlarner Straße einen als "Lebensmittel-Frische-Zentrum" etikettierten Neubau zu errichten.

Die alten Hallen könnten - bis auf die denkmalgeschützte Halle I - abgerissen werden und an ihrer Stelle die Feinkosthändler unterkommen, die derzeit im ehemaligen Viehhof nördlich der Bahngleise daheim sind. Dieses sieben Hektar große Viehhof-Gelände könnte die Stadt dann verkaufen. Diesen Plan hat sich auch die oberste Marktchefin Friderich zu eigen gemacht (Süddeutsche Zeitung vom 9. Februar).

Nur bleibt auch in diesem Szenario ein dickes Defizit. Denn der Neubau einer neuen Markthalle kostet laut Schätzungen der Konzeptstudie mehr als 53 Millionen Euro. Andere, nach wie vor notwendige Sanierungsarbeiten an den weiteren Gebäuden des Großmarktes summieren sich danach auf 66 Millionen Euro. Der Verkauf des Viehhofes bringt nach diesen Rechnung jedoch nur rund 35 Millionen Euro.

Und auch wenn sich aus weiteren Immobilienverkäufen - wie etwa der ehemaligen Sortieranlage vor dem Sendlinger Haupttor des Marktes - noch einmal knapp sechs Millionen Euro erzielen ließen, bleibt eine Finanzlücke von fast 80 Millionen Euro. Diese Summe aber können die Markthallen auch dann nicht stemmen, wenn sie künftig deutlich höhere Mieten von den Händlern verlangt.

Zwar hält es die Studie durchaus für realistisch, die Mieten - in den unsanierten Hallen derzeit 9,50 Euro pro Quadratmeter Verkaufsfläche - um 50 Prozent zu erhöhen, wenn die Gebäude einmal saniert sind. Auf einen durchschnittlichen Handelsbetrieb kämen dann für 150 Quadratmeter Fläche rund 700 Euro Mehrkosten im Monat zu, die er jedoch durch eine effizientere Betriebsführung in einer modernen Halle ausgleichen könne.

Doch diese zusätzlichen Mieteinnahmen und die Grundstücksverkäufe reichen nach Rechnung der Berater nicht, die nötigen Neubauten und Sanierungsarbeiten zu finanzieren: "Die Investition bleibt defizitär", schreibt die Studie, und "ohne Investitionszuschüsse der Landeshauptstadt nicht realisierbar".

Genau das will Stadtkämmerer Wolowicz nicht akzeptieren. Er hält die Zahlen der Studie für "nicht belastbar" und will erst einen Masterplan mit genauer Kostenschätzung erarbeitet lassen. Außerdem dringt der Kämmerer darauf, "die Händler und sonstige private Dritte in eine Finanzierung einzubinden". Zum einen müssten sich die Händler bereits vor Baubeginn in langfristigen Mietverträgen dazu verpflichten, künftig kostendeckende, also deutlich höhere Mieten zu zahlen.

Außerdem will Wolowicz dem klammen Stadtbudget die wirtschaftlichen Risiken dieser hohen Investitionen nicht zumuten. Auch die Konzeptstudie schlägt daher vor, den Eigenbetrieb in die private Rechtsform einer GmbH & Co. KG zu überführen, an der sich auch die Händler und andere Investoren beteiligen. Am liebsten würde der Kämmerer die Privaten sogar als Mehrheitseigner dieser Markthallen-Gesellschaft sehen.

"Es sind alles ungelegte Eier", wiegelte Wolowicz auf Anfrage ab. Kommunalreferentin Friderich soll derzeit klären, wie groß die Bereitschaft der Händler überhaupt ist, sich an der Finanzierung der Neubaupläne zu beteiligen. Verärgert über das Hickhack in der Stadtregierung zeigt sich die Rathaus-CSU: "Hier wird verzögert und verschleppt", klagt ihr stellvertretender Fraktionschef Hans Podiuk, "Rot-Grün gefährdet die Zukunft der Markthallen."

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