Arbeitsmarkt:"Ein kleines Jobwunder"

Von Konjunkturaufschwung und Jobwunder spricht Wirtschaftminister Rainer Brüderle. Andere sind da lange nicht so zuversichtlich.

Die Regierung feiert sich selbst: "Deutschlands Wirtschaft wächst wieder, wir erleben so etwas wie ein kleines Jobwunder", sagte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP).

Maschinenbau, Foto: AP

Maschinenbau in Deutschland: Gemäß einer Studie drohen hier wie auch in anderen führenden Branchen langfristig Jobverluste.

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Wegen der mehrtägigen Luftraumsperre über Europa erwartet Brüderle keine ernsthaften Rückschläge für die deutsche Konjunktur. Die volkswirtschaftlichen Schäden würden sich in Grenzen halten.

Die schwarz-gelbe Koalition rechnet für dieses Jahr mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 1,4 Prozent und leicht beschleunigtem Wachstum von 1,6 Prozent 2011. Damit gibt sich die Regierung für 2010 zurückhaltender und für 2011 optimistischer als führende Forschungsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten.

Der wirtschaftlich stärkste Einbruch der Nachkriegszeit liegt hinter uns", sagte Brüderle. "Die erfreuliche Belebung der deutschen Wirtschaft wird von der Erholung der Weltwirtschaft, aber zunehmend auch von der Binnennachfrage getragen."

Während der Krise sei der Staat in besonderem Maße gefordert gewesen. "Dies darf aber kein Dauerzustand werden", mahnte er. Maßnahmen, die der Krisenbewältigung dienten, würden schrittweise und mit Augenmaß zurückgeführt. "Der Aufschwung trägt sich mehr und mehr selbst."

Rentnern droht eine Nullrunde

Aufgrund der bereits beschlossenen Entlastungen werden laut Brüderle die Nettoeinkommen je Arbeitnehmer 2010 voraussichtlich um 2,5 Prozent steigen - mehr als in den vergangenen neun Jahren. Bremseffekte auf den privaten Konsum würden so im weiteren Verlauf des Jahres mehr als aufgeholt. Die Bruttolohn- und Gehaltssumme wird laut Regierungsprognose 2010 um 0,8 und 2011 um ein Prozent zulegen. Damit zeichnet sich für Rentner eine erneute "Nullrunde" ab.

Der Arbeitsmarkt erweise sich als "erstaunlich robust". Die Regierung geht in ihrer neuen Prognose davon aus, dass die Zahl der Arbeitslosen im Jahresschnitt nur um rund 10.000 auf etwa 3,4 Millionen steigt. Noch im Januar hatte Brüderle mit einem kräftigen Anstieg um 320.000 auf 3,77 Millionen gerechnet.

Die positive Lage am Arbeitsmarkt schafft nach den Worten von Brüderle Spielräume für Steuersenkungen. In seiner Rechnung unterstellt der Minister, dass 100.000 Arbeitslose weniger rund zwei Milliarden Euro Staatsausgaben weniger bedeuten.

Da die Arbeitslosigkeit 2010 geringer ausfalle als ursprünglich befürchtet, ergäben sich sechs bis acht Milliarden Euro weniger staatliche Ausgaben. Damit wären die von der FDP geplanten Steuerentlastungen von rund 16 Milliarden Euro bereits zur Hälfte gegenfinanziert, erklärte Brüderle.

Vertreter der Union mahnten zu Geduld bei der Umsetzung von Steuersenkungen. Das vorgelegte Steuerkonzept der FDP sei ein "Schritt in die richtige Richtung", sagte Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier am Dienstag in Berlin. Ob dieser Schritt ausreichend sei, lasse sich aber erst dann sagen, wenn die Daten der Steuerschätzung im Mai vorlägen.

Kein belastbares Konsolidierungsprogramm

Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, warf der FDP im Zusammenhang mit ihren Entlastungsplänen vor, bislang kein belastbares Konsolidierungsprogramm vorgelegt zu haben. In der Wirtschaft rechne kaum noch jemand damit, dass tatsächlich Steuern gesenkt werden. "Jeder ist froh, wenn es keine Steuererhöhung gibt."

So zuversichtlich die Aussagen der Regierung auch sein mögen: Eine Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) zeichnet ein düsteres Bild: Wie das Manager Magazin berichtete, reiche die konjunkturelle Entwicklung nicht aus, um die Beschäftigung in Deutschland langfristig zu sichern.

Auch wenn sich die Weltwirtschaft und der Außenhandel weiterhin stark erholen sollten, gehen der Studie zufolge hundertausende Arbeitsplätze verloren. Dabei wurde von zwei Szenarien ausgegangen:

Im postiven Fall einer schnellen Rückkehr des deutschen Wachstums auf jährlich zwei Prozent, käme es wegen der schwachen Dynamik der Weltwirtschaft, der Produktivitätsfortschritte durch Rationalisierungen und der weiteren Globalisierung der etablierten Industriebranchen in der Autobranche, beim Maschinenbau, der Chemie und Elektrotechnik in den kommenden fünf Jahren noch immer zu einem Verlust von 250.000 Stellen.

Im zweiten Szenario entwickelt sich die weltweite Nachfrage schwächer, weshalb unter diesen Bedingungen sogar bis zu 1,2 Millionen Jobs auf der Kippe stehen würden.

Laut der Studie können die in Deutschland dominierende Branchen den Wohlstand nicht länger sichern, Wachstumspotentiale gäbe es in neuen, forschungsintensiven Bereichen, etwa Umwelttechnologien, aber auch Bio- und Nanotechnologie.

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