Bootsbauer:Aus demselben Holz

Der Tornado-Schnitzer vom Ammersee - das Leben des Bootsbaumeisters Herbert Glas, der wieer einmal ein neues Boot entworfen hat.

Tobias Opitz

Breitbrunn am Ammersee. Ein kleines Dorf auf dem Weg von der Autobahn ins mondäne Herrsching, das für den Durchreisenden nichts zu bieten scheint, was es lohnen könnte, die Fahrt zu unterbrechen. Auch die zwei leeren Schaufenster am Rande der Dorfstraße, die einst zu einem längst geschlossenen Supermarkt gehörten, locken nicht.

Bootsbauer Ammersee Wikinger Tornado

Generationsvertrag: Bootsbauer Herbert Glas (rechts) und Christian Gallasch nach Testfahrten mit dem Wikinger am Ammersee.

(Foto: Foto: Robert Haas)

Münchner Straße 3 - eine unscheinbare Adresse, hinter der sich tatsächlich aber ein spannendes Kapitel deutscher Bootsbaugeschichte verbirgt. Denn hier arbeitet Herbert Glas: 70 Jahre, Bootsbaumeister von ganzem Herzen und der Mann, der in den siebziger Jahren mit den von ihm gebauten Tornado-Katamaranen weltweite Anerkennung fand.Wer die kleine Werft besucht, wird herzlich begrüßt. Es riecht nach Holz und Leim, mit jeder Menge Sägespänen muss gerechnet werden, zu hören ist nur das leise Schaben eines Hobels.

Den schwingt, wie seit 52 Jahren, Herbert Glas mit großer Präzision. "Ich kann es einfach nicht lassen, Boote zu bauen", sagt er. Anders kann er es nicht erklären, warum er trotz eines vor jetzt 16 Jahren tapfer überstandenen Schlaganfalls noch immer jeden Tag seine alte Cordweste anzieht.

Ein Leben für den Bootsbau, das 1958 beginnt - mit einer Minutenentscheidung. "Eigentlich wollte ich Vermessungsingenieur werden, immer draußen sein, an der Luft." Doch als er zufällig an der Rambeck-Werft in Starnberg vorbeikommt, die damals auch die 20 Meter langen Fahrgastschiffe für den Königssee baut, ist es um Glas geschehen: "Ich sah die Schiffe und wusste, das ist es!"

Der beste Tornado der Welt

Lehrbub Glas lernt schnell, seine ihm bis heute gebliebene Unruhe treibt ihn. "Ich hatte sehr gute Meister, aber irgendwie waren die Abläufe so konservativ und umständlich." Als Geselle heuert er bei der schweizerischen Portier-Werft an, die seinerzeit weltweit führend im Bau von Starbooten ist - schon nach kurzer, "aber sehr schöner Zeit", will Herbert Glas weiter, nach Amerika in die Werft der Starboot-Legende Skip Etchells. Die Liebe kommt dazwischen - "eine wunderschöne Frau..." -, Amerika muss warten. 1968 schließlich macht Glas seine Meisterprüfung, sein Meisterstück ist eine Pirat-Jolle.

Und wieder ist es seine Unruhe, die ihn seine internationale Karriere beginnen lässt. "In England gab es die B-Klasse der Katamarane, einer davon war der Tornado", erinnert sich Glas; die pfeilschnellen Zweirumpfsegler faszinieren den Bootsbaumeister. Er beschafft sich eine Lizenz und beginnt in seinem Breitbrunner Betrieb, die Boote zu verfeinern. "Wir sind gesegelt wie die Verrückten, haben alle Tests selbst gemacht" - dass dabei reihenweise die Masten brechen, kam Glas nur entgegen: "Ich wollte den besten Tornado der Welt bauen."

Der Glas-Tornado wird zum Markenzeichen, seine Boote aus extrem leichten Mahagoni-Sperrholz gewinnen bei Olympia, Welt- und Europameisterschaften. Mit bis zu 50 km/h schon bei vier Windstärken sind es die schnellsten Segelboote der Welt. Regattasegler aus der ganzen Welt bestellen bei ihm; Herbert Glas schickt seine Tornados, in Kisten verpackt, bis nach Australien.

Die Wodka-Gelage mit der russischen Mannschaft werden zum Härtetest - 30 Bestellungen sind die Folge der langen Nächte. Und als hätte er nicht genug zu tun, baut er noch den Unicorn-Kat, entwickelt die Zweirumpf-Jugendklasse Minicorn und fertigt mehr als 4000 Schwerter für den Surfbretthersteller Mistral.

1988 dann, nach rund 300 Tornados, ist die große Zeit vorbei; die Gesundheit und private Probleme bremsen den von immer neuen Ideen besessenen Bootsbauer aus. Er zieht sich zurück, restauriert auf Wunsch alte Tornados - und denkt pausenlos über einen Neustart nach.

Die neue Idee: Wikinger

Und auch der gelingt: Seit gut einem Jahr realisiert er zusammen mit seinem Partner Christian Gallasch, 45, seine Idee vom Wikinger: "Nach meinem Schlaganfall komme ich mit normalen Jollen nicht mehr klar, also wollte ich was Stabiles."

Was ihn besonders freut, ist, seine Erfahrungen an die nächste Generation weitergeben zu können. Denn der segelbegeisterte Gallasch, gelernter Schreiner, soll eines Tages "alles können, was ich auch kann". Für Christian Gallasch eine Riesenchance: "Ich bin der Steuermann, Herbert der Capitano", umschreibt er das, was er als "großes Glück" empfindet.

Wenn Herbert Glas nicht hobelt oder sich an Details festbeißt, freut er sich über besondere Gäste - Kinder, die sich mit seiner Hilfe ein kleines Segelboot bauen und denen er erzählt, warum ein Schiff schwimmt: "Das sind für mich die schönsten Stunden. Auch, weil ich weiß, dass Christian den Betrieb weiterführen wird - einfach, weil er aus demselben Holz ist wie ich."

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