80. Geburtstag von Helmut Kohl:"Mein Leben hat einen Sinn gehabt"

Bewegender Auftritt: Altkanzler Kohl zieht auf dem Festakt zu seinem 80. Geburtstag Bilanz - und spricht über "viele Höhen und sehr viele Tiefen".

M. C. Schulte von Drach

Dramatisch klang die Musik, die sich Helmut Kohl zum Festakt anlässlich seines 80. Geburtstags gewünscht hatte, dabei aber nicht düster, sondern optimistisch: Mit dem ersten Satz der Symphonie Nummer 7 von Ludwig van Beethoven begrüßten die Deutschen Staatsphilharmoniker Rheinland-Pfalz den Jubilar und seine Gäste.

Kohl 80. Geburtstag dpa

Helmut Kohl: "Mein Leben war ein ereignisreiches Leben, mit vielen Höhen und sehr vielen Tiefen."

(Foto: Foto: dpa)

Vielleicht spiegelt die Musik die Persönlichkeit des Altkanzlers tatsächlich ein wenig wider: Manch anderer Politiker wäre pathetischer aufgetreten als er - dabei war Kohl ohne Zweifel ein Komponist der Weltpolitik, der jene Momente zu schätzen und zu nutzen wusste, wo er an der Geschichte Deutschlands und der Welt teilhaben und sie mitgestalten durfte.

Gerade dies betonte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die bei dem Festakt im Pfalzbau von Kohls Heimatstadt Ludwigshafen ihrem früheren politischen Förderer dankte - als Bundeskanzlerin und auch ganz persönlich. Sie tat das zum zweiten Mal, da Kohl bereits am 3. April Geburtstag im kleinen Kreis mit privaten Freunden gefeiert hatte.

"Es bleibt Ihre historische Leistung", so betonte Merkel, "dass Sie gemeinsam mit Ihren damaligen Partnern im gegenseitigen Vertrauen und eingebettet in die europäische Einigung den Weg zur Einheit friedlich gestaltet haben." Deutschland, Europa und die internationale Staatengemeinschaft, erklärte die Bundeskanzlerin, hätten Kohl viel zu verdanken.

Besonders hob Merkel natürlich die Rolle Kohls bei die Wiedervereinigung Deutschlands hervor: "Ohne Ihren historischen Beitrag wäre das Leben von Millionen Menschen, die wie ich in der DDR gelebt haben, völlig anders verlaufen."

Ähnlich wie vor ihr die Bürgermeisterin von Ludwigshafen, Eva Lohse (CDU), und der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck (SPD), würdigte Merkel den Altkanzler als Menschen, der Politik nicht nur aus dem Jetzt heraus gestaltet, sondern die historischen und kulturellen Wurzeln im Auge behalten habe.

Darüber hinaus lobte sie Kohls Blick für das Menschliche in der Politik. Immer habe er zuerst den Menschen, dann den Politiker gesehen. Und mit seiner Fähigkeit, innerhalb persönlicher Bindungen Weltpolitik zu gestalten, sei es ihm gelungen, die Angst der europäischen Nachbarn vor einem wiedervereinigten Deutschland zu zerstreuen.

Auch Altbundespräsident Roman Herzog (CDU) betonte in seiner Laudatio die bedeutende Rolle Kohls für die Wiedervereinigung Deutschlands. Herzog verteidigte Kohl, sah sich allerdings auch in der Pflicht, eine der häufig kritisierten politischen "Strategien" des Altkanzlers zu verteidigen: das Aussitzen.

"Das Abwarten ist deshalb eine effektive Methode des Regierens"

Es sei eine Stärke Kohls gewesen, Enttäuschungen und Demütigungen hinzunehmen und einen langen Atem zu zeigen. Dies aber sei ins Negative verkehrt worden. Dabei sei "Gelassenheit eine uralte und gut begründete stoische Tugend".

Da niemand die Weisheit mit Löffeln gefressen habe, sei es richtig, Fragen aufzuwerfen und sie eine Zeitlang diskutieren zu lassen. "Das dient meist der Sache selbst, weil man dadurch etwas klüger werden kann." Und dann käme es auf das Timing an - das doch sonst auch als Kunst betrachtet würde. "Das Abwarten ist deshalb eine effektive Methode des Regierens", erklärte Herzog.

Zu Beginn seiner Rede hatte Herzog Schiller zitiert: "Von der Parteien Gunst und Hass verwirrt, schwankt sein Charakterbild in der Geschichte." Auf Helmut Kohl bezogen, so schloss er, könne man jedoch sagen: "Er steht, und die Geschichte ist das, was schwankt und die Begleitgesänge in der öffentlichen Meinung."

Kohl, der trotz seines Gesundheitszustandes selbst eine Rede hielt, dankte offensichtlich bewegt dafür, diese Gelegenheit zu haben. "Mein Leben war ein ereignisreiches Leben, mit vielen Höhen und sehr vielen Tiefen", so resümierte der im Rollstuhl sitzende Altkanzler. Aufgrund seiner Sprachstörung war er manchmal nur schwer zu verstehen. "Ein Leben mit viel Verantwortung und viel Gestaltungsmöglichkeiten."

Besonders aber betonte Kohl: "Es war ein Leben, von dem ich sagen darf, es hat einen Sinn gehabt!"

Lange war nicht klar gewesen, ob Kohl würde sprechen können, nun zeigte er sich dankbar dafür, "dass ich heute hier sein darf". Vor zwei Jahren hätte er nicht damit gerechnet. Zu verdanken sei dies seiner Frau Maike Kohl-Richter, der er auch gleich zum Hochzeitstag gratulierte. Anfang 2008 war Kohl schwer gestürzt.

Kohl-Richter, die er 2008 geheiratet hatte, hätte "in schwierigen und bitteren Jahren" zu ihm gestanden. "Jetzt bin ich wieder hier, und das verdanke ich ihr." Kohl dankte auch seiner ersten Frau Hannelore, die sich 2001 das Leben genommen hatte.

Angela Merkel nicht erwähnt

Kohl erklärte, man habe Grund, "durchaus beruhigt in die Zukunft zu schauen. Denn nach menschlichem Ermessen haben wir die Chance, dass es in Europa in absehbarer Zeit keinen Krieg geben wird."

Auffällig war, dass er Angela Merkel nicht erwähnte. Seine Nachfolgerin als Vorsitzende der CDU hatte sich 1999 aufgrund der Spendenaffäre von Kohl distanziert.

Auf diese Affäre hatte sich zuvor direkt Herzog bezogen. "Dass Helmut Kohl in dieser Frage das Parteiengesetz verletzt hat, steht fest und wird auch von ihm nicht bestritten." Doch künftige Juristengenerationen würden sich eines Tages nur noch daran erinnern, dass Helmut Kohl der Mann gewesen sei, der Teile des Parteiengesetzes einmal nicht beachtet habe, der andererseits auch den Wiedervereinigungsauftrag des Grundgesetzes erfüllt habe.

Zu dem Festakt in Ludwigshafen waren insgesamt etwa 800 Gäste erschienen, darunter Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), der FDP-Vorsitzende und Bundesaußenminister Guido Westerwelle, der frühere CSU-Ministerpräsident Edmund Stoiber, der gegenwärtige CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer sowie die Bundesminister Rainer Brüderle (FDP), Ronald Pofalla und Norbert Röttgen (beide CDU). Auch Hans-Dietrich Genscher (FDP) war erschienen.

Aus dem Ausland angereist waren der ehemalige italienische Ministerpräsident und EU-Kommissionspräsident Romano Prodi und der österreichische Exkanzler Wolfgang Schüssel. Als Vertreter der Wirtschaft waren unter anderem Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt, BASF-Vorstandschef Jürgen Hambrecht, der Aufsichtsratsvorsitzende der Commerzbank, Klaus-Peter Müller, und der Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner erschienen.

Den Festakt beschließen sollte ein Essen - natürlich mit Kohls bekanntem Pfälzer Lieblingsgericht: Saumagen.

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