Ölpest im Golf von Mexiko:Bohrung war unzulässig

Eine US-Behörde hat offenbar etliche Ölbohrungen ohne notwendige Zulassungen und gegen den Rat der eigenen Experten genehmigt. Betroffen war auch die explodierte Deepwater Horizon.

Während das Öl weiter aus dem Bohrloch des britischen Unternehmens BP im Golf von Mexiko sprudelt, werden schwerwiegende Vorwürfe an die Adresse der US-Behörde laut, die diese und andere Bohrungen genehmigt hat.

Ölpest im Golf von Mexiko: Öl strömt aus den Lecks im Golf von Mexiko - bis zu 800.000 Liter täglich.

Öl strömt aus den Lecks im Golf von Mexiko - bis zu 800.000 Liter täglich.

(Foto: Foto: Reuters)

Die Behörde für Rohstoffverwaltung (Minerals Management Service, M.M.S.) habe dem Unternehmen und etlichen anderen Firmen die Ölförderung erlaubt, obwohl zusätzliche Umweltzulassungen notwendig gewesen wären, berichtet New York Times.

Wie die Zeitung unter Berufung auf Unterlagen des Bundes und Angaben aus Mitarbeiterkreisen schreibt, verzichtete die Behörde in Hunderten Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebenen Stellungnahmen der Wetter- und Ozeanografiebehörde (National Oceanic and Atmospheric Administration, NOAA). Die NOAA ist zuständig dafür, bedrohte Arten und Meerestiere zu schützen.

Dem Bericht zufolge wurden regelmäßig die Warnungen der M.M.S.-Biologen und -Ingenieure ignoriert. Auch wurden die Fachleute unter Druck gesetzt, die Ergebnisse der Studien zur Gefahr von Unfällen und Umweltschäden zu verändern.

Genehmigungen trotz Kritik

Mehrmals habe die NOAA festgestellt, dass Bohrungen im Golf von Mexiko geschützte Tiere gefährdeten. Trotzdem wären Genehmigungen für kritisierte Projekte erteilt worden.

Eine Sprecherin der M.M.S. sagte der Zeitung, ihre Behörde habe Rücksprache mit der NOAA über den Schutz von gefährdeten Tierarten im Golf von Mexiko geführt.

Auf die Frage, ob man auch die erforderlichen Zulassungen eingeholt habe, antwortete sie dem Blatt zufolge nicht. Sie warf der Regierung des früheren Präsidenten George W. Bush vor, die Wissenschaft bei Entscheidungen unter Druck gesetzt zu haben. Die Behörde arbeite nun daran, den Wissenschaftlern mehr Einfluss zu geben.

Bereits 2009 hatte die NOAA die Behörde für Rohstoffverwaltung beschuldigt, die Wahrscheinlichkeit und die möglichen Folgen von großen Ausstritten von Öl herunterzuspielen. Auf der anderen Seite hätte die Behörde die Sicherheit der Ölbohrungen betont - obwohl die Zahl von Austritten zugenommen habe, schreibt die Zeitung.

"Es ist einfach nicht erlaubt, zu sagen, dass Ölbohrungen Auswirkungen haben", erklärte ein Experte der New York Times. Wenn man feststellt, dass das Risiko eines Ölaustritts groß ist oder dass bestimmte Arten gefährdet werden, verschwindet der Bericht in einem Schreibtisch und sie finden einen anderen Wissenschaftler, der ihn umschreibt."

Nach einer Reihe missglückter Versuche, den Ölaustritt am Meeresboden zu stoppen, ruhen die Hoffnungen nun auf einem Rohr mit einer Dicke von nur 15 Zentimetern.

Die Versuche, das Loch mit einer Stahlglocke abzudecken, waren zuvor unterbrochen worden. Nun wollen die Experten des britischen Ölkonzerns BP auf dem abgerissenen Steigrohr in 1500 Meter Tiefe ein Ventil anbringen und ein zweites Rohr einführen, über das das ausströmende Öl in einen Tanker an der Wasseroberfläche geleitet werden soll.

Die schwierige Operation solle mit Hilfe von ferngesteuerten Robotern ausgeführt werden, sagte BP-Sprecher Bryan Ferguson. Nähere Einzelheiten nannte Ferguson nicht. "Wir haben keinen genauen Zeitplan." Unklar sei auch, wie lange die Operation, die auf das Hauptleck zielt, dauern werde. Insgesamt strömt das Öl aus drei Lecks.

"Verhängnisvolle Reihe von Fehlern"

Bei einem Scheitern wollten die Experten zu einer anderen Option greifen: Dabei soll ein Stahlzylinder über das größte Leck gestülpt werden, der das Öl auffangen soll. Von dort solle es dann ebenfalls auf ein Schiff abgepumpt werden.

Ein erster Versuch mit einer größeren Stahlglocke war vergangene Woche gescheitert, weil sich darin Eiskristalle bildeten und das Absaugen des Öls verhinderten. Die danach eingesetzte Glocke ist kleiner, eine Wärmevorrichtung soll Eis zum Schmelzen bringen. Doch bislang war es den Fachleuten nicht gelungen, sie an ihr Ziel zu bringen.

Alle Technologien, die angewendet oder erwogen würden, seien in der Praxis noch nicht erprobt, hieß es bei BP. Selbst auf so rustikale Methoden wie das Verstopfen der Ölquelle mit Autoreifen, Golfbällen und anderem Gummi-Müll sowie Holz-Teilen wird inzwischen nachgedacht.

Die Kritik an dem Unternehmen wegen der Katastrophe hat mit den Anhörungen mehrerer ranghoher Firmenvertreter vor dem US-Senat zugenommen. Die Aussagen der BP-Manager verstärkten den Verdacht, dass möglicherweise zahlreiche Warnsignale im Vorfeld des Untergangs der Ölplattform übersehen worden waren.

Offensichtlich sei die Katastrophe durch eine "verhängnisvolle Reihe von Ausrüstungs- und operationellen Fehlern" ausgelöst worden, sagte der Vorsitzende des Senatsausschusses für Energie und Handel, Henry Waxman.

Auch BP-Chef Tony Hayward räumte inzwischen ein, das Unternehmen hätte wahrscheinlich mehr tun können, um sich auf Lecks vorzubereiten, berichtet das Wall Street Journal. Derzeit sei das Unternehmen nicht mit der notwendigen Technologie für solche Katastrophen vorbereitet. Hayward sagte, sein Rücktritt werde nicht diskutiert. Er gab aber zu: "Das kann sich ändern."

Der Konzern erklärte, für "alle Rechtsansprüche" durch die Katastrophe aufzukommen.

Ausgedehnter Ölfilm

Die von BP betriebene Bohrinsel Deepwater Horizon war am 20. April etwa 70 Kilometer von der US-Küste entfernt explodiert, dabei waren elf Arbeiter ums Leben gekommen. Täglich strömen seitdem schätzungsweise 800.000 Liter Öl aus. Vor der Küste Louisianas treibt ein ausgedehnter Ölfilm, der unter anderem das Mississippi-Delta und das ökologisch empfindliche Marschland bedroht.

Wie BP am Donnerstag mitteilte, kostete die Bekämpfung der Katastrophe den Konzern bislang 450 Millionen Dollar. Die Schäden werden bislang auf 14 Milliarden Dollar geschätzt.

Nach Behördenangaben könnte sich der Öl-Teppich bei den gegenwärtigen Windbedingungen weiter dem Bundesstaat Louisiana und dem Mississippi-Delta nähern. "Wenn wir es zulassen, dass das Öl unsere Sumpfgebiete erreicht, dann müssen wir für etwa fünf bis sechs Jahre dichtmachen", klagte Krabbenfischer Rodney Dufrene aus Louisiana. An der Küste errichten Soldaten und Freiwillige weiterhin fieberhaft Barrieren, um das empfindliche Gebiet zu schützen.

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