Eiszeitliches Massensterben:Tödliche Gewohnheiten

Bisher wurden steinzeitliche Jäger und der Klimawandel für das Massensterben zum Ende der Eiszeit verantwortlich gemacht. Doch es könnte auch ganz andere Ursachen gehabt haben.

Ute Kehse

Der Höhlenlöwe war ein mächtiger Jäger. Mit einer Schulterhöhe von 1,50 Meter und einer Länge von fast drei Metern war die Großkatze eines der fürchterlichsten Raubtiere der eiszeitlichen Mammutsteppe.

Eiszeitliches Massensterben: Der Höhlenbär war in seiner Ernährung nicht so flexibel wie der Braunbär. Ist er deshalb ausgestorben?

Der Höhlenbär war in seiner Ernährung nicht so flexibel wie der Braunbär. Ist er deshalb ausgestorben?

(Foto: Grafik: JGI)

Diese Graslandschaft zog sich als breites Band von Spanien bis Sibirien. Doch tatsächlich musste nur eine Tierart den Höhlenlöwen fürchten: "Er hatte eine ausgeprägte Vorliebe für Rentiere", berichtete Hervé Bocherens auf der Tagung der European Geosciences Union in Wien.

Der Paläontologe von der Universität Tübingen vermutet, dass der Höhlenlöwe an dieser allzu einseitigen Ernährung schließlich zugrunde ging.

Zusammen mit der Raubkatze verschwanden auch Mammut, Wollnashorn, Höhlenbär, Riesenhirsch, Steppenbison und andere große Säugetiere am Ende der Eiszeit von der Bildfläche. Ob steinzeitliche Jäger oder der Klimawechsel an dem Massensterben am Ende des Pleistozäns Schuld waren, darüber diskutieren Paläontologen seit langem - bislang ohne klares Ergebnis.

"Keiner verzehrte so viel Mammutfleisch wie die Neandertaler"

Bocherens vermutet nun, dass vor allem Tiere mit starren Gewohnheiten ausstarben. "Sie waren nicht in der Lage, sich an die Umweltveränderungen anzupassen." Womöglich fiel auch der Neandertaler in diese Kategorie: Er ernährte sich laut Bocherens überwiegend von Mammuts und Wollnashörnern. "Kein anderer Fleischfresser verzehrte so viel Mammutfleisch wie die Neandertaler. Vielleicht wurde ihnen das zum Verhängnis."

Das rätselhafte Massensterben am Ende der Eiszeit fasziniert Forscher vieler Disziplinen. Paläogenetiker etwa gewinnen immer bessere Erbgut-Schnipsel aus fossilen Knochen. Das Genom einiger ausgestorbener Arten, etwa des Neandertalers oder des Höhlenbären, ist bereits zu großen Teilen rekonstruiert.

Daraus lassen sich Verwandtschaftsverhältnisse und Populationsgrößen ermitteln. Bessere Datierungsmethoden erlauben es, eine Chronologie des Aussterbens aufzustellen.

Stabile Isotope - unterschiedlich schwere Varianten der Elemente Stickstoff, Kohlenstoff, Sauerstoff oder Strontium in den Knochen - geben Forschern Hinweise auf Nahrung oder Herkunft einzelner Tiere. Auch Niederschlags- und Temperaturschwankungen hinterlassen lesbare Spuren in den Fossilien.

In Wien stellten Forscher um Anthony Stuart von der Durham University in England die Ergebnisse einer groß angelegten Studie zum Aussterben der eiszeitlichen Tiere in ganz Eurasien vor. Die Klimaschwankungen am Ende der Eiszeit machten den großen Bewohnern der Mammutsteppe demnach schwer zu schaffen.

Die Steppe wurde zur Waldlandschaft

"Als die Steppe zur Waldlandschaft wurde, fanden viele Tiere nicht mehr genug zu fressen", sagt Stuart. "Der Lebensraum schrumpfte, und die Individuenzahl nahm ab."

Eine Ausnahme scheint der Höhlenbär gewesen zu sein. Er verschwand bereits vor 28.000 Jahren, noch vor dem Höhepunkt der Eiszeit. Andere, zum Beispiel Mammut und Riesenhirsch, überlebten in Sibirien noch bis vor wenigen tausend Jahren.

Genetische Daten zeigen, dass sich die Population vieler Arten schon Jahrtausende vor ihrem Aussterben verminderte.

Höhlenbär, Braunbär und Mensch

Beim Höhlenbär begann der Niedergang bereits vor 50.000 Jahren. Ähnlich wie der Höhlenlöwe hatte er einen beschränkten Speiseplan: Er ernährte sich fast ausschließlich vegetarisch.

"Er hatte es womöglich schwer, genug nährstoffreiche Pflanzen zu finden, um über den Winter zu kommen", sagt Martina Pacher von der Universität Wien.

Konkurrenten um die Höhle

Die Forscherin hat Daten über Höhlenbären und die nahe verwandten Braunbären zusammengetragen, um herauszufinden, warum die eine Art das Massensterben überlebt hat und die andere nicht.

Der Einfluss des Menschen war eher indirekt, so Pacher: "Der Höhlenbär war kein bevorzugtes Jagdtier, aber wahrscheinlich konkurrierte er mit dem Menschen um Höhlen zum Überwintern."

Der Blick auf die Ernährung zeige, dass der Braunbär flexibler war, sagt Bocherens: "Er war zunächst ausschließlich Fleischfresser, stieg aber auf Pflanzen um, als der Höhlenbär ausstarb."

Nachdem das warme Klima die Eiszeit-Riesen geschwächt hatte, gab die menschliche Jagd vielen den Rest, sagt Anthony Stuart: "Das könnte in einigen Fällen zum endgültigen Aussterben beigetragen haben."

Bocherens glaubt zudem, dass der Mensch nach dem Ende der Eiszeit auch die letzten Refugien in Sibirien unsicher machte, in denen die Kälte liebenden Tiere Zuflucht fanden: "In früheren Warmzeiten konnten sie den Kontinent von solchen Rückzugsgebieten aus wieder besiedeln."

Den Überlebenden des Massensterbens drohen derweil neue Gefahren. Die globale Erwärmung reduziert den Lebensraum von Rentieren, Elchen, Moschusochsen und Saiga-Antilopen nun ein weiteres Mal.

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