Bewerbung in der Arbeitslosigkeit:Jedes Mittel ist recht

Auf Jobsuche darf man sich keine Hemmungen erlauben. Eine ehemalige Quelle-Mitarbeiterin erzählt, warum sie mit Schild um den Hals auf die Straße ging.

Jutta Pilgram

Vor drei Wochen versammelten sich 45 Ex-Quelle-Mitarbeiter zu einer ungewöhnlichen Aktion vor der Nürnberger Lorenzkirche: Sie hängten sich Plakate um den Hals und boten ihre Dienste an - von der Bürokraft bis zum Schulungsleiter. Die 57-jährige, ehemalige kaufmännische Angestellte Petra Nagy sagt, ob es sich gelohnt hat.

Bewerbung Jobsuche

"Es ist schon ein bisschen entwürdigend, so um Arbeit zu betteln": Eine ehemalige Quellemitarbeiterin ging mit einem Schild um den Hals auf Jobsuche.

(Foto: Foto: iStock)

SZ: Im Januar wurden Sie arbeitslos. Was haben Sie seither gemacht?

Petra Nagy: Seit dem 10. Januar bin ich in einer Weiterbildungsmaßnahme an der Kolpingakademie. Da lerne ich mit vielen anderen Ex-Quellerianern, wie man sich bewirbt - von Assessment Center über Online-Jobsuche bis zu Zeitmanagement. Die meisten von uns haben sich ja seit 30 Jahren nicht mehr beworben. Am wichtigsten ist es, dass die Schulung uns aufbaut und zum Bewerben ermutigt.

SZ: Mit Erfolg?

Nagy: Bisher habe ich 85 Bewerbungen geschrieben und 37 Absagen bekommen, der Rest ist Schweigen. Viele Firmen schicken noch nicht mal die Mappen zurück. Das ist denen offenbar zu teuer. Im Moment werden unsere Bewerbungskosten noch erstattet, aber wenn meine Schulung nächste Woche endet, wird es eng. Die Arbeitsagentur zahlt zwar fünf Euro pro Mappe, aber nur maximal 260 Euro im Jahr. Da wäre ich längst drüber.

SZ: Wie kamen Sie auf die Idee, mit einem Schild auf Jobsuche zu gehen?

Nagy: Der Vorschlag kam von unserer Dozentin an der Kolpingakademie. Die meisten von uns waren sofort dabei. Wir wollen zeigen: Wir sind uns nicht zu schade, uns mit einem Schild hinzustellen. Nur ein paar Männer haben nicht mitgemacht, es war ihnen unangenehm, von den Nachbarn so gesehen zu werden.

SZ: Wie fühlten Sie sich selbst dabei?

Nagy: Gemischt. Einerseits war es lustig, Wimpel zu basteln und Plakate zu beschriften, und während der Aktion hat sich ein Straßenmusikant zu uns gesellt. Andererseits ist es schon ein bisschen entwürdigend, so um Arbeit zu betteln. Aber als Gemeinschaft fühlten wir uns stark, alleine hätte ich es nicht gewagt.

SZ: Kamen denn schon Jobangebote?

Nagy: Eine Handvoll Unternehmen hat sich gemeldet. Aber bisher hat nur eine junge Kollegin ein Angebot bekommen. Das Problem ist wohl, dass wir zu alt sind. Die meisten von uns waren seit 20 oder 30 Jahren bei Quelle.

SZ: Was suchen Sie eigentlich?

Nagy: Ich bin gelernte Datenverarbeitungskauffrau, habe mich aber breit gefächert beworben - als Rechnungsprüferin, Bürokraft, Buchhalterin, Speditionssachbearbeiterin, Disponentin, Verkäuferin, Reisebegleiterin, Vertriebsassistentin. Ich habe 41 Jahre lang Arbeitslosenversicherung gezahlt. Für mich wäre es eine Katastrophe, nächstes Jahr in Hartz IV zu rutschen - da würde ich dann in eine Schublade gesteckt mit einer 27-Jährigen, die noch keinen Cent eingezahlt hat.

SZ: Wären Sie auch bereit, für einen Job aus Nürnberg wegzugehen?

Nagy: Ja. Allerdings muss man sich den Umzug auch leisten können. Für einen Sachbearbeiter oder eine Hilfskraft übernimmt ja kein Arbeitgeber die Umzugskosten. Ich war immer berufstätig und kann mir nicht vorstellen, zu Hause herumzudümpeln. Seit ich selbst so abgesackt bin, habe ich mir alles mögliche ausgemalt - darum habe ich mich auch bei Hilfsorganisationen beworben, um zum Beispiel beim Wiederaufbau in Haiti zu helfen.

SZ: Wollen Sie und Ihre Mitstreiter die Aktion wiederholen?

Nagy: Eigentlich war unser Plan, so lange jeden Monat dort zu stehen, bis wir neue Jobs haben. Einige sind etwas entmutigt, weil bisher so wenige Reaktionen kamen. Aber vielleicht überlegen wir uns auch noch ganz andere Aktionen.

Interessierte Arbeitgeber können Kontakt aufnehmen: wir_wollen_arbeit@yahoo.de

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