Anneliese Rothenberger ist tot:Die Lady konnte Luder sein

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Anneliese Rothenberger war eine der erfolgreichsten deutschen Sängerinnen. Sie eroberte die Opern der Welt. Am Montag starb sie in der Schweiz.

Im Wirtschaftswunder-Deutschland war sie der singende Beweis von Kultur. Die Bürger arbeiteten hart, sie wollten sich etwas leisten - auch ein wenig aus dem nicht ganz ungefährlichen Reich der Künste. Und da war Anneliese Rothenberger, der Opern-Star, der sich in die Wohnzimmer sang.

Ein Leben für die Bühne: Die Opernsängerin Anneliese Rothenberger ist im Alter von 83 Jahren gestorben.  (Foto: dpa)

Natürlich wären all die glorreichen Auftritte auf den Bühnen der Welt ohne die Folgen der Popularität geblieben, hätte es die Kaufmannstochter aus Mannheim (geboren am 19. Juni 1926, nach anderen Quellen zwei Jahre früher) nicht früh in den fünfziger Jahren zum Film und später dann zum Fernsehen gezogen. So wurde Anneliese Rothenberger eine der erfolgreichsten deutschen Sängerinnen der Nachkriegszeit. Ihre TV-Sendungen wie Anneliese Rothenberger gibt sich die Ehre im ZDF erreichten ein Millionenpublikum. Sie erschien ganz Dame, gewitzt und geschäftstüchtig, intelligent und begabt.

Dabei hatte sie viele Seiten. In Alban Bergs Lulu an der New Yorker Met konnte sie zum "Luder mit Engelsgesicht" werden, und begeistert reagierten die ansonsten so trockenen Kritiker der New York Times: "Wer hätte gedacht", so schrieb sie über die Kammersängerin, "was unter dieser hübschen Schale noch alles steckt." Zum Vorschein sei eine neue Rothenberger gekommen, ein lyrischer Sopran mit hochdramatischen Akzenten.

Nicht mehr brav deutsch also, sondern lasziv

Ihre erste Sangesstation hatte die Sopranistin in Koblenz begonnen, wo sie schon mit 17 sang. Während des Krieges arbeitete sie in einer Weißblechdosenfabrik in Weißenthurm am Fließband. Von Koblenz ging es an die Hamburgische Staatsoper, wo sie bis 1956 arbeitete. Nach einem kurzen Gastspiel an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf wechselte sie an die Wiener Staatsoper. Egal, ob Anneliese Rothenberger in Salzburg, Mailand, London, New York oder Moskau auftrat, überall wurde sie gefeiert.

Unübertroffen war sie als Interpretin in Werken von Richard Strauss und Mozart. Lotte Lehmann, die 1963 den Rosenkavalier an der Met inszenierte, machte ihr das Kompliment, sie sei die "beste Sophie der Welt". Die Sängerin brillierte im Figaro, der Entführung aus dem Serail und in Arabella. Als herausragend wurde aber ihre Interpretation moderner Opern-Rollen beurteilt. Beliebt waren ihre Liederabende, die sie in vielen Ländern gab, auch in den USA und in der Sowjetunion. Über lange Zeit machte sie zweimal jährlich eine große Liedertournee. Ihre Fans aber saßen vor allem in Deutschland und Österreich. Hier erfreute man sich ihrer Darbietungen in Musikfilmen wie etwa der englischen Verfilmung der Fledermaus von Johann Strauss aus dem Jahr 1955.

Und dann erschien sie sehr oft im deutschen Fernsehen, auch bei den amerikanischen Networks, bei der BBC und in Eurovision-Sendungen. 1967 hatte sie ihre erste eigene Sendung in Deutschland ( Heute Abend: Anneliese Rothenberger). Als sie 1969 das große Live-Konzert in der Berliner Philharmonie zum 90. Geburtstag von Robert Stolz moderierte - waren 200 Sender dabei. Kurz danach bekam sie ihre eigene Unterhaltungsreihe im ZDF, Anneliese Rothenberger gibt sich die Ehre.

Später förderte sie mit ihrer ZDF-Sendung Anneliese Rothenberger präsentiert junge Künstler den Nachwuchs - sowie mit ihrer Stiftung des Anneliese-Rothenberger-Preises im Rahmen des Europäischen-Kultur-Forum-Mainau. Die entscheidende Person in ihrem Leben war der Journalist, Redakteur und Lyriker Gerd Wendelin Dieberitz. Von 1954 bis zu seinem Tod im Jahr 1999 war sie mit ihm verheiratet. Dieberitz wirkte auch als ihr Manager. Zum letzten Mal war Anneliese Rothenberger 1983 auf der Opernbühne aufgetreten. Liederkonzerte gab sie noch bis 1989. Ihre Krebserkrankung verhinderte weitere öffentliche Auftritte.

1963 hatte sie die erste Ausstellung eigener Bilder in Frankfurt am Main. Seitdem richtete sie etliche gut beachtete Ausstellungen in Deutschland und der Schweiz aus. Bis zuletzt lebte die bekannte Sängerin im Ort in Salenstein am Schweizer Ufer des Bodensees.

Über ihren Tod informierte die Grafenfamilie Bernadotte, die eng mit der Künstlerin befreundet war. Anneliese Rothenberger ist am Montagabend im Kantonsspital Münsterlingen im Alter von 83 Jahren nach kurzer Krankheit verstorben.

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