Industrie-Chef Keitel:Attacke gegen die Regierung

Die Bundesregierung soll sparen - aber doch bitte nicht die Steuern erhöhen: BDI-Präsident Keitel greift die Bundesregierung an.

Markus Balser

Vor der Haushaltsklausur des Bundeskabinetts am kommenden Wochenende in Berlin spitzt sich der Streit um den Sparkurs in Deutschland zu. Die deutsche Wirtschaft fordert angesichts der schwierigen Haushaltslage gezielte Einschnitte bei öffentlichen Ausgaben. In der Debatte um neue Sparrunden warnte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) die Bundesregierung davor, "mit fatalen Konsequenzen an der falschen Stelle zu sparen. Die eigentlichen Einschnitte müssen beim Staat selbst erfolgen - in Bürokratie und Verwaltung", sagte Hans-Peter Keitel der Süddeutschen Zeitung am Montag. Mögliche Steuererhöhungen seien dagegen Gift für den beginnenden Aufschwung.

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Hans-Peter Keitel: Keinesfalls "mit fatalen Konsequenzen an der falschen Stelle sparen".

(Foto: dpa)

"Begriffsverwirrung"

Die Bundesregierung will auf einer Klausurtagung am 6. und 7. Juni im Kanzleramt die Eckpunkte für den Haushalt 2011 und die Finanzplanung für die kommenden Jahre festlegen. Die Regierung muss alleine wegen der inzwischen verfassungsrechtlich festgeschriebenen Schuldenbremse bis zum Jahr 2016 jährlich zehn Milliarden Euro einsparen.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte am Wochenende auch Steuererhöhungen und den Abbau von Subventionen zur Bewältigung der Haushaltskrise nicht ausgeschlossen. Peter Müller, Ministerpräsident des Saarlands, plädierte für eine Anhebung des Spitzensteuersatzes. Hessens Ministerpräsident Roland Koch hatte Kürzungen bei Bildung und Forschung ins Spiel gebracht.

Der BDI warf der Bundesregierung vor, sich mit dem Plänen um eigene Sparanstrengungen zu drücken. "Die Regierung betreibt Begriffsverwirrung", sagte Keitel. Statt um staatliche Mehreinnahmen müsse es um niedrigere Ausgaben und darum gehen, das bürokratische System zu entrümpeln. "Die Diskussion, ob der Staat bei sich sparen kann, findet bislang überhaupt nicht statt. Das muss sich ändern", sagte Keitel weiter. So gebe es im Gesundheits- und Sozialbereich noch immer Effizienzpotenziale. "Alle Ausgaben des Staates gehören auf den Prüfstand", sagte Keitel.

Sorge vor den Schwellenländern

In der Wirtschaft wächst zudem die Sorge, ein Sparkurs bei den Zukunftsinvestitionen könne den Konjunkturaufschwung zu früh wieder abwürgen. "Deutschland muss das Haushaltsdefizit zurückfahren", sagte der BDI-Chef. Die Bundesregierung müsse ein Zeichen der Disziplin setzen. Doch drohe mit falschen Entscheidungen ein Rückfall in die Krise. Steuererhöhungen könnten der Binnenkonjunktur schaden. "Und wer das Tabu der Forschungs- und Bildungsausgaben angreift, gefährdet die Zukunft des Landes", sagte Keitel am Rande der deutsch-brasilianischen Wirtschaftstage in München. Schwellenländer holten im internationalen Wettbewerb schnell auf. Deutschland müsse nicht weniger, sondern mehr in neue Technologien investieren.

Die Wirtschaft ist mit ihrer Forderung nicht allein. Auch Wissenschaftler plädieren für eine Entrümpelung von Verwaltung und Bürokratie. "In den vergangenen 20 Jahren hat es anders als in Großbritannien und Frankreich keine größere Reform des Staatsapparates in Deutschland gegeben", sagt Michael Thöne, Chef des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts der Universität Köln. Es gebe im Gegensatz zu Unternehmen in der öffentlichen Verwaltung zudem kaum Anreize zu geringeren Ausgaben. Die Krise biete der Regierung nun die Chance, gestaltend zu sparen und Einschnitte durchzusetzen.

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