Neue WM-Helden (7): Jong Tae Se:Für Diktator und Vaterland

Jong Tae Se, Nordkoreas Geheimwaffe bei der WM, ist in Japan aufgewachsen. Bei der WM in Südafrika will er der Welt die freundliche Seite der Diktatur zeigen - und gegen Brasilien und Portugal treffen.

Henrik Bork

Endlich einmal gibt es Schlagzeilen über Nordkorea, die nichts mit Kriegsdrohungen oder Atombomben zu tun haben. Zum ersten Mal seit 1966 hat sich das Land für eine Fussball-WM qualifiziert. Zum ersten Mal also, seit sie damals wie aus dem Nichts auftauchten und dann Italien schlugen. Auch diesmal wieder, für die WM in Südafrika, hat sich Jong Tae Se, der 25-jährige Star des Teams, viel vorgenommen. "Ich will in jedem Spiel ein Tor schießen, besonders gegen Brasilien und Portugal", sagt er. Eine Chance wird er bekommen, denn Nordkorea trifft schon in der ersten WM-Runde auf diese beiden großen Fussballnationen - Pech gehabt bei der Auslosung.

Neue WM-Helden (7): Jong Tae Se: Jong Tae-Se bei der Ankunft der nordkoreanischen Mannschaft in Südafrika.

Jong Tae-Se bei der Ankunft der nordkoreanischen Mannschaft in Südafrika.

(Foto: AP)

Eine "große Ehre" sei es, für Nordkorea spielen zu dürfen, sagt Jong (im Koreanischen steht der Familienname vorn). "Ich bin so glücklich, mein Volk repräsentieren zu können." Und natürlich hat er auch für den nordkoreanischen Diktator Kim Jong Il ein paar nette Worte übrig, der die Spiele wohl daheim am Fernseher verfolgen wird. "Wenn Kim Jong Il zufrieden sein wird, die hochrangigste Persönlichkeit in unserem Land, wird es eine Ehre für mich sein", sagt Jong.

Gemeingefährlicher Schuss

Dass er das alles ernst meint, steht bei ihm außer Frage, denn Jong ist freiwillig angetreten. Der Sohn eines nordkoreanischen Vaters und einer südkoreanischen Mutter ist in Japan geboren und aufgewachsen. Wenn er nicht mit der nordkoreanischen Nationalmannschaft unterwegs ist, spielt er gewöhnlich in der japanischen Fussball-Liga für Kawasaki Frontale. Nordkorea mag ein hermetisch abgeriegeltes, geheimnisumwittertes Land sein. Gerade erst hat die Versenkung eines südkoreanischen Kriegsschiffes durch ein nordkoreanisches Torpedo die Halbinseln an den Rand einer militärischen Auseinandersetzung gebracht. Aber zumindest beim Sport scheint Nordkorea nun eingesehen zu haben, dass es ohne ein wenig internationale Kooperation nicht geht.

Jong hat einen gemeingefährlichen Schuss, ist kopfballstark und hat mehr Kraft als die meisten der doch eher zierlich gebauten Asiaten. Für Kawasaki schießt er in jeder Saison ein gutes Dutzend Tore. Und schon in seinen allerersten zwei Spielen für Nordkorea waren es acht, vier in jedem Spiel. 2008 war das, beim "East Asia Cup", und zwar nicht gerade gegen Brasilien und Portugal, sondern gegen die Mongolei und Macao, aber immerhin.

"Sie machen uns das Leben schwer"

Jong ist ein Teil der koreanischen Minderheit in Japan, genannt "Zainichi". Es sind rund 500.000 Menschen. Ihre Vorfahren waren meist zwischen 1939 und 1945 als Arbeiter nach Japan gekommen, wo sie oft unter grausamen Bedingungen in Bergwerken und Fabriken schufteten. Die japanische Besatzung Koreas, der Koreakrieg und später die Teilung ihres Landes in Süd- und Nordkorea bewog viele dieser Menschen dazu, in Japan zu bleiben. Ein großer Teil von ihnen bekennt sich offen zu Nordkorea und dem dortigen Regime.

Jong besuchte eine von dem nordkoreanischen Regime finanzierte Schule in Japan und spielte später im Team der ebenfalls Nordkorea-treuen "Korea University" in Tokio. Die japanischen Kinder in seiner Nachbarschaft behandelten ihn dennoch wie einen "Ausländer". Jong spricht nur ganz selten über diese Hänseleien. "Nordkorea gibt uns Geld für unsere Ausbildung, aber die japanische Regierung hasst unsere Schule wirklich sehr und diskriminiert uns. Sie machen uns das Leben schwer,"sagte er vergangenes Jahr gegenüber der Japan Times.

"Wir spielen nicht so schmutzig"

So wird verständlich, dass sich Jong geehrt fühlte, als die Nordkoreaner bei ihm anklopften. "Ich fühlte, dass Nordkorea mein Land ist und entschied mich, für sie zu spielen", sagt Jong. "Chongryon", die De-facto-Botschaft Pjöngjangs in Tokio versorgte ihn mit einem nordkoreanischen Reisepass. Die Fifa-Regeln erlauben ihm, damit für Nordkorea anzutreten, obwohl er auch die südkoreanische Staatsbürgerschaft besitzt. Andere Spieler mag so etwas in eine Identitätskrise stürzen, doch Jong schoss beim Asia Cup sowohl gegen Südkorea wie auch gegen Japan jeweils ein Tor.

Wie viele Zainichi, die nie selbst in der nordkoreanischen Diktatur leben mussten, ist er von einer geradezu naiven Loyalität gegenüber seiner Wahlheimat beseelt. "Jeder denkt, Nordkorea sei ein wirklich gefährliches Land", sagte Jong vor seiner Abreise zur WM, "aber wir spielen nicht so schmutzig wie China oder Südkorea. Die foulen ständig, nachdem du schon deinen Pass gespielt hast. Aber wir Nordkoreaner wollen der Welt diesmal unsere freundliche Seite zeigen."

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