Kampf gegen Pseudo-Pillen:Sicher wie Banknoten

Schluss mit der Fälscherei: Als erster Pharmahersteller verschreibungsfreier Medikamente wagt sich Bionorica mit einem Verpackungssiegel auf den Markt.

Stefan Weber

Ein solcher Fang war den Beamten des Zollfahndungsamtes Berlin-Brandenburg lange nicht ins Netz gegangen. In den Taschen der jungen Frau, die sie im Frühjahr vergangenen Jahres auf dem Flughafen Tegel aufgriffen, fanden sie zwei Sorten gefälschter Potenzmittel im Verkaufswert von etwa 120.000 Euro. Täuschend echte Zehnerpackungen Cialis, deren Original vom britischen Pharmaunternehmen Lilly hergestellt wird, sowie mehrere tausend nachgemachte Viagra-Tabletten, auf die der US-Konzern Pfizer das Patent besitzt.

Gefälschte Viagra-Pillem in Thailand

Gefälschte Viagra-Pillen in Thailand: Die deutschen Zollämter haben immer häufiger mit gefälschten Arzneimitteln zu tun.

(Foto: ag.rtr)

Kein Einzelfall. Auch die Kollegen in anderen Zollämtern haben immer häufiger mit gefälschten Arzneimitteln zu tun. Der Frankfurter Zoll stellte im vergangenen Jahr 3,1 Millionen nachgemachter Tabletten sicher; 2008 waren es erst 1,2 Millionen Stück gewesen. "Wir können inzwischen ein Kaufhaus mit allen möglichen Medikamenten aufmachen", sagt Ronald Mattausch, Chef des Flughafenzolls in Frankfurt.

Nach Schätzung von Experten werden in diesem Jahr 58 Milliarden Euro mit gefälschten Präparaten umgesetzt. Das ist eine Verdopplung gegenüber 2005. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass inzwischen zehn Prozent aller Medikamente Fälschungen sind.

Gewaltige Gewinnspannen

Im Versandhandel, über den immer mehr Verbraucher Medikamente beziehen, tauchen besonders häufig Plagiate auf. Die Gewinnspannen in diesem Geschäft sind gewaltig: Viagra-Tabletten, in Fernost illegal gemixt, kosten zwei Euro; in Deutschland werden dafür 15 Euro verlangt.

"Die Wirkstoffe sind oft von zweifelhafter Qualität. Sie gefährden die Gesundheit der Patienten", betont Michael Popp, Vorstandschef von Bionorica, dem führenden Hersteller von pflanzlichen Arzneimitteln in Deutschland und stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie.

Nach Erkenntnis des Bundeskriminalamtes enthalten die Pseudo-Pillen häufig andere Wirkstoffe als auf der Packung angegeben. Oder die Dosierung ist anders als vermerkt. Häufig fehlen auch deutschsprachige Beipackzettel.

Anstrengungen, Arzneimittelfälschungen einzudämmen, haben bisher kaum Früchte getragen. Vorschläge der EU-Kommission, Medikamentenpackungen mit Sicherheitszeichen zu versehen, gibt es seit zwei Jahren. Passiert ist wenig.

Pilotprojekt mit eindeutiger Seriennummer

Im Februar startete die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ein Pilotprojekt zur Authentifizierung von Arzneiverpackungen. Dabei erhält jede Faltschachtel eine eindeutige Seriennummer. In diesem Code stecken unter anderem Informationen zum Verfallsdatum und zur Chargennummer. Bei Abgabe des Medikaments gleicht der Apotheker diese Informationen mit einer zentralen Datenbank ab. Ergebnisse dieses Pilotprojekts liegen noch nicht vor.

Bionorica, aus deren Produktion unter anderem das in Deutschland meistverkaufte pflanzliche Arzneimittel Sinupret gegen Nebenhöhlenentzündung stammt, marschiert jetzt voran.

Als erster Hersteller verschreibungsfreier Medikamente versieht die Firma ihre Verpackungen mit einer dreidimensionalen und optisch variablen Prägung. Durch Kippen der Schachtel werden das Relief der Prägung und die darin enthaltenen Informationen sichtbar.

Das Sicherheitselement wurde von dem auf Banknotendruck spezialisierten Münchner Unternehmen Giesecke & Devrient entwickelt. "Das Siegel ist nicht kopierbar", sagt Vorstandschef Popp. Zum Preis macht er keine Angaben. "Es geht pro Verpackung nicht um Cent-Beträge. Das wäre bei 40 Millionen Schachteln, die wir in jedem Jahr verkaufen, zu teuer." Spätestens im Frühjahr nächsten Jahres sollen alle Bionorica-Verpackungen fälschungssicher sein. International soll die Umstellung bis 2011 abgeschlossen sein.

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