Ölkatastrophe:Schlupflöcher im Golf

Öko-Gruppen fordern den Rücktritt des US-Umweltministers

Christian Wernicke

Mehr als fünf Wochen ist es her, da versicherte Barack Obama im Rosengarten des Weißen Hauses, er werde Lehren aus der Ölpest am Golf von Mexiko ziehen. "Wir schließen das Schlupfloch, das es einigen Ölgesellschaften erlaubt hat, einige wichtige Umweltprüfungen zu umgehen", sagte der Präsident. Die zuständige US-Aufsichtsbehörde, der von Korruptionsskandalen erschütterte "Mineral Management Service" (MMS), erließ Anfang Juni prompt schärfere Vorschriften.

Nun wird bekannt: Seither hat die Obama-Regierung mindestens fünf neue Offshore-Bohrungen genehmigt - und dabei, wie 2009 bei der Genehmigung der nun katastrophalen BP-Bohrung, die Ölkonzerne in mindestens drei Fällen von der eigentlich verlangten Umweltprüfung freigestellt. Schon werden Forderungen nach dem Rücktritt von Umweltminister Ken Salazar laut.

Die US-Regierung hatte im Mai einen sechsmonatigen Stopp aller neuen Bohrungen nach Öl- oder Gasfeldern in einer Tiefe von mehr als 500 Fuß (etwa 150 Meter) verfügt. Allerdings können die Energieunternehmen weiterhin neue Anträge und Bohrpläne vorlegen, die sie nach dem von ihnen gegen Jahresende erhofften Ende des Moratoriums umsetzen wollen. Bis zur Explosion und dem Untergang der Bohrplattform Deepwater Horizon Ende April hatte die Behörde MMS regelmäßig eine Art Verzichtserklärung ausgestellt, die im Ergebnis die strengen US-Vorschriften etwa zum Schutz von Wasser, Tier- und Pflanzenwelt außer Kraft setzte.

Das genau war das Schlupfloch, das Obama am 14. Mai zu stopfen versprach. Nach Informationen der Zeitungsgruppe McClatchy setzt die MMS diesen Kurs nicht um. Im Juni erhielt zunächst Exxon Mobil die Erlaubnis, ohne Öko-Prüfung in etwa 300 Metern Tiefe zu bohren. Dann folgten zwei weitere Genehmigungen für Marathon Oil (230 Meter) sowie für Rooster Petroleum, in flachem Gewässer.

Zudem gab die MMS grünes Licht für zwei Tiefseebohrungen, die noch weiter unter dem Meeresspiegel lägen als das explodierte Bohrloch von BP. Allerdings mussten Chevron und Exxon ökologische Prüfpläne erarbeiten. Umweltgruppen protestieren inzwischen gegen das MMS-Vorgehen. "Die ganze Welt schreit auf angesichts der Bilder vom Golf", schimpft etwa Kieran Suckling, der Direktor des Centers for Biological Diversity, "und diese Typen machen einfach weiter wie bisher."

Die Folge werde sein, dass nach einem Ende des Bohrstopps etliche Unternehmen mit Genehmigungen "an der Startlinie hocken" und wiederum "ohne Umweltprüfung ihre Projekte vorantreiben wollen." Sucklings Organisation hat inzwischen Klage eingereicht gegen insgesamt 49 genehmigte Erschließungsbohrungen im Golf, die in den vergangenen Jahren ohne Öko-Prüfung gebilligt wurden.

Mehrere nationale Umweltorganisationen verlangten in einem Schreiben an Präsident Obama vorige Woche den Rücktritt von Ken Salazar, dem Innen- und Umweltminister der Regierung. Salazar habe sich nur "mangelhaft" für den Schutz der Umwelt eingesetzt.

Zudem wächst die Kritik an Salazar, weil dieser nach dem Machtwechsel im Januar 2009 zu zögerlich gegen das Missmanagement innerhalb des MMS vorgegangen sei. So durfte etwa ein Vizedirektor im Amt bleiben, der während der Bush-Regierung kontinuierlich im Interesse der Ölindustrie entschieden hatte und den Energiekonzernen Lizenzgebühren in Milliardenhöhe erspart hatte. Erst nach der Explosion der Deepwater Horizon musste der Mann in Pension gehen.

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