Steuerhinterziehung:Knast trotz Selbstanzeige

Steuersünder aufgepasst: Bei der Selbstanzeige heißt es ganz oder gar nicht. Wer nicht alle Konten auf einmal angibt, kann trotzdem ins Gefängnis kommen.

Alexander Hagelüken und Klaus Ott

Herbert Welber konnte nicht mehr ruhig schlafen. Als die Zeitungen im Frühjahr ständig über CDs mit den Daten deutscher Steuersünder berichteten, glaubte er, die Verfolger im Nacken zu spüren. Der bayerische Freiberufler, der in Wahrheit anders heißt, wollte reinen Tisch machen.

Zumwinkel von Polizei abgeholt

Negativbeispiel Klaus Zumwinkel: Um der öffentlichen Demütigung zu entgehen, zeigen sich viele Steuersünder selbst an. Das schützt aber nicht immer vor einer Gefängnisstrafe.

(Foto: ag.dpa)

Zwei Jahrzehnte lang hatte Welber immer wieder Vermögen in die Schweiz transferiert, um sich Steuern zu ersparen. So hatten sich zehn Millionen Euro angesammelt, für deren Erträge er keine Abgaben zahlte. Welber suchte einen Anwalt auf, der eine Selbstanzeige fürs Finanzamt aufsetzte. Fast zwei Millionen Euro soll Welber nun zahlen. Aber dafür kann er wieder ruhig schlafen, muss keine Angst mehr vor dem Gefängnis haben. Oder doch?

Ein paar Wochen nach dem ersten Termin meldete sich Welber erneut bei dem Anwalt. Er hatte noch ein Konto in Österreich vergessen, von dem aus er Kosten für den Unterhalt eines Ferienhauses beglich. Auf diesem Konto sammelten sich jedes Jahr ein paar tausend Euro Kapitalerträge an. Kleingeld im Vergleich zu seinen sonstigen Gewinnen. Aber genug, um Welbers Nachtruhe empfindlich zu stören.

Alles oder nichts

Als der Selbständige das österreichische Konto beim Anwalt nachmeldete, hielt er das für eine Formalie. Doch sein Rechtsbeistand hatte unangenehme Nachrichten für ihn. Unter Umständen führt das Vergessen dieses Kontos dazu, dass die Selbstanzeige ungültig ist und nicht vor Strafe schützt. Als ihm der Anwalt das sagte, reagierte er konsterniert.

Der Fall hat grundsätzliche Bedeutung. Allein in der Schweiz lagern 200 Milliarden Euro Schwarzgeld deutscher Kunden, schätzen Banker. Wie Welber müssen nun Zehntausende Steuerhinterzieher befürchten, künftig nicht mehr so glimpflich davonzukommen wie bisher. Das liegt an einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs gegen den Unternehmer Stefan W., der in Schweinfurt und bei Rosenheim eine Medizin-Firma betreibt.

W. hat ebenfalls Einkünfte in Millionenhöhe verschwiegen. Als ihm der Fiskus auf die Schliche kam und seine Wohnung und die Kanzlei seines Steuerberaters durchsuchte, sagte der, die Ermittler seien zwei Wochen zu früh gekommen. Steuererklärungen mit den nun vollständigen Angaben seien ja schon vorbereitet. Doch die Justiz wertete dies nicht als gültige Selbstanzeige. Das Münchner Landgericht verdonnerte ihn wegen Steuerhinterziehung sowie Anlagebetrug zu sieben Jahren Gefängnis.

Bundesweite Bedeutung

Und seit der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe das harte Urteil bestätigte, hat es bundesweit Bedeutung. Der erste Strafsenat unter Leitung von Armin Nack, der für seine strenge Vorgehensweise gegen Wirtschaftskriminalität bekannt ist, nutzte die Gelegenheit, um wieder einmal neue Grundsätze zu postulierten. Eine "Rückkehr zur Steuerehrlichkeit" sei nur dann gegeben, wenn die Täter ihre Einkünfte und ihr Vermögen vollständig dem Fiskus meldeten, also reinen Tisch machten. Erst dann schütze eine Selbstanzeige vor Strafen.

Angst vor der Demütigung

Wer hingegen nachträglich einige Konten angebe, andere Konten aber verschweige, weil er deren Entdeckung durch die Behörden nicht befürchte, der habe keinen Anspruch auf Schonung. Eine "gestufte Selbstanzeige", bei der das verheimlichte Vermögen erst nach und nach offenbart werde, sei wirkungslos.

Seit diesem Verdikt sind säumige Steuerzahler verunsichert, und der Beratungsbedarf bei den Anwälten ist groß. "Der BGH-Beschluss schürt die Angst, trotz einer Selbstanzeige könnte noch etwas hängen bleiben, weil in vielen Fällen nicht jeder Sachverhalt völlig klar ist", sagt der Bonner Rechtsanwalt Karsten Randt.

Das Urteil ist Teil einer Welle des Unmuts. Politiker und Finanzprüfer finden, dass Steuersünder zu gut davon kommen. Einige Sozialdemokraten fordern, die Selbstanzeigen abzuschaffen. Bayern, Nordrhein-Westfalen und sechs andere Bundesländer wollen die Gesetze so verschärfen, dass generell nur noch vollständige Selbstanzeigen gültig sind. Man will vermeiden, dass die Bürger nur Einkünfte melden, die sowieso vor der Aufdeckung stehen.

Plus trotz Nachzahlung

Der Münchner Anwalt Jan Olaf Leisner erklärt die harte Welle: "Durch die Selbstanzeigen ist Deutschland international gesehen fast das einzige Land, bei dem ein Steuerhinterzieher straflos davonkommen kann." Die Politiker ärgere insbesondere, dass mancher Sünder am Ende noch ein Geschäft mache: "Wer länger als zehn Jahre Steuern hinterzogen hat, der hat selbst nach den Zahlungen durch eine Selbstanzeige noch verdient". In den Gesetzesanträgen ist unter anderem vorgesehen, auf den hinterzogenen Betrag fünf Prozent aufzuschlagen, die der Kunde zusätzlich zu Steuern und Zinsen zahlen muss.

All diese Verschärfungen kommen zu einer Zeit, da sich so viele Steuersünder outen wie selten zuvor. Der Ankauf von CDs mit Daten von Steuersündern treibt Tausende Deutsche in Anwaltskanzleien. Sie fürchten um ihre Existenz, falls sie auffliegen. "Die Betreuung solcher Mandanten besteht zu 50 Prozent aus Psychologie", schildert Anwalt Randt.

Sein Kollege Leisner berichtet, dass viele Mandanten auf die Bilder vom ehemaligen Postchef Klaus Zumwinkel zu sprechen kommen. Zumwinkel vor aller Welt aus seinem Haus geführt, rechts die Staatsanwältin, das schockiert viele. "Ersparen Sie mir solche Bilder, egal was es kostet", hört Anwalt Leisner oft.

Von der Villa in die Zelle

Noch ist nicht völlig klar, wie Finanzbehörden und Gerichte mit Selbstanzeigen umgehen, bei denen ein Bürger nicht sofort alles offenlegt. Womöglich wird das Nachmelden kleinerer Beträge akzeptiert, aber sicher ist das nicht. Viele Hinterzieher melden allerdings von vorneherein einen großen Teil der Beträge nicht.

So wie jener Bürger, der als Selbstanzeige 1,3 Millionen Euro Vermögen auf Konten einer Schweizer Bank meldete, von der eine Daten-CD aufgetaucht war - aber nicht die 1,4 Millionen Euro auf Konten einer anderen Bank.

Demnächst muss wohl der erste Steuerhinterzieher wegen des BGH-Beschlusses in den Knast. Es ist jener Stefan W., der mit seinem Fall das Verdikt der Karlsruher Richter herbeigeführt hat. Nun dürfte der Haftantritt zu sieben Jahren Gefängnis bevorstehen. W. wird sich umstellen müssen. In Schweinfurt hatte er sich einst eine Villa geleistet, das frühere Gästehaus der Industriellenfamilie Sachs inklusive Park.

Als der Unternehmer seine Steuerschuld nicht begleichen konnte, griff sich der Fiskus die Sachs-Villa, später bot ein Immobilienmakler die "glamouröse Luxusresidenz der Extraklasse" zum Verkauf an. Die neue Unterkunft von Stefan W. wird wesentlich bescheidener ausfallen.

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