Reden wir über Geld: Charles Schumann:"Ich war nie in der Schickeria"

30 Jahre Leben in Deutschlands bekanntester Bar und noch immer nicht müde: Charles Schumann über rüpelhaftes Verhalten auf bayerisch, Sünden gegenüber Gästen und seine ewige Sehnsucht.

A. Hagelüken u. A. Mühlauer

Ein Vormittag in "Deutschlands berühmtester Bar" (Tagesspiegel), dem Schumann's am Odeonsplatz in München. Charles Schumann, 68, ist da, weil er immer da ist. Durch ihn wurde aus einer Kneipe, die früher "Die Kanne" hieß, eine bundesweite Institution. Jetzt müsste der Meister nur noch überzeugt werden, über das alles zu reden.

Charles Schumann in seiner neuen Bar Camparino, 2004

Klare Ansage: "Ich will kein Stück Fleisch für 70 Euro verkaufen!" Charles Schumann kommt nach all der Zeit noch immer gerne in seine Bar.

(Foto: Rumpf, Stephan)

Charles Schumann: So, Jungs, was wollt Ihr von mir?

SZ: Mit Ihnen über Geld reden.

Schumann: Das ist doch ein Schmarrn. Da kommt doch nichts bei raus.

SZ: Es ist eine ganze Reihe von Geld-Interviews, mit Leuten wie Martin Walser oder Bushido.

Schumann: Walser? Bushido? Es interessiert mich nicht, was die von Geld halten. Ich hoffe, sie haben genug. Außerdem: Geld interessiert mich nicht.

SZ: Wenn wir uns so umschauen: Die Tische sind voll. Schafft man das, ohne sich für Geld zu interessieren?

Schumann: Ich kann nicht mal die Bilanz des Ladens lesen.

SZ: Läuft der Laden oder nicht?

Schumann: Der läuft. Könnte aber besser laufen, wenn ich mehr Ahnung vom Geld hätte. Ich hab immer sehr viel Glück gehabt.

SZ: Wann zum Beispiel?

Schumann: Als ich vom kleinen "Schumann's" in der Maximilianstraße hierher in diese riesige Location am Odeonsplatz gezogen bin, hab ich verdammt viel Geld ausgegeben. Die Banken wollten mir anfangs keinen Kredit geben, die haben mich gefragt: Wie alt sind Sie eigentlich?

SZ: Wie hoch ist die Miete?

Schumann: Die Miete ist hoch. Wenn ich aber von Gastronomen höre, die in München 40.000 Euro Miete im Monat zahlen, frage ich mich, wie die das schaffen wollen. Das ist Wahnsinn! Im Schnitt zahlt man in der gehobenen Gastronomie 10.000 bis 15.000 Euro Miete. Bei mir ist es teurer.

SZ: Wo kommt der Umsatz her?

Schumann: Wir sind mittlerweile sehr essenslastig. Das ist schlecht, finde ich.

SZ: Warum?

Schumann: Na weil der Wareneinsatz beim Essen viel zu hoch ist. Also, das sind Fragen, die müssten Sie selbst beantworten können. Ist doch klar, dass man mit Getränken mehr verdient als mit Essen.

SZ: Was überrascht: Trotz Ihrer Bekanntheit sind die Getränke für Münchner Verhältnisse recht günstig.

Schumann: Mir ist wichtig, dass hier jeder was trinken kann. Ich finde es unverschämt, wenn Bars für einen Cocktail 15 Euro verlangen und jede Kneipe um die Ecke teurer ist als wir. Es ist doch dreist, wenn ein Gastronom, bloß weil es in ist, Steaks für 70 Euro anbietet, weil das Fleisch angeblich aus Japan kommt.

SZ: Manche Gäste zahlen das.

Schumann: Na dann bin ich vielleicht doof, weil ich es nicht mache. Aber ich will kein Stück Fleisch für 70 Euro verkaufen! Nur Angeber leisten sich das. Gäste, die das bezahlen, sind nicht mein Klientel.

"Wie in einer schlechten Ehe"

SZ: Gibt es Konkurrenten, die Ihre Barkeeper umwerben, weil sie dann sagen können, der kommt vom "Schumann's"?

Schumann: Jaja, die gibt's. Aber es ist so: Wer im "Schumann's" gearbeitet hat, kann nicht mehr woanders arbeiten.

SZ: Das verstehen wir nicht.

Schumann: Es gibt nur eine Möglichkeit: entweder hier oder selbständig. Das ist jetzt keine Arroganz, das ist einfach so. Bei mir arbeiten Leute seit 20 Jahren.

SZ: Wie ist das, 20 Jahre mit Mitarbeitern zusammenzuarbeiten?

Schumann: Wie in einer schlechten Ehe. Was willst du jemandem sagen, mit dem du 20 Jahre zusammenarbeitest? Dem kannst du gar nichts mehr sagen. Aber es ist beruhigend, wenn man weiß, dass man sich auf denjenigen verlassen kann.

SZ: Wie in einer Familie.

Schumann: Ich bin kein Familienmensch. Die wenigen Stunden, die ich privat habe, bin ich am liebsten allein.

SZ: Warum?

Schumann: Weil ich Zeit brauche. Ich habe eine Freundin und einen Sohn, der in Wien studiert. Das ist schön, aber Alleinsein ist auch schön.

SZ: Wie schafften Sie es, die Bar zu führen und gleichzeitig den Sohn großzuziehen?

Schumann: Das ist doch selbstverständlich. Ich bin immer um Mitternacht nach Hause gegangen, damit ich mit ihm aufstehen konnte.

SZ: Ihre Frau hat Sie verlassen, als Ihr gemeinsamer Sohn gerade mal fünf Jahre alt war. Wie sehr schmerzte das?

Schumann: Es sind immer beide schuld. Sie wollte nach Amerika und Karriere machen. Und ich hab nie Zeit gehabt. Wir haben uns im Guten getrennt, uns nicht beschimpft oder gestritten. So, Jungs, das reicht jetzt, oder?

SZ: Wie finden Sie es hier im Laden nach all den Jahren?

Schumann: Schön, sonst hätte ich ja aufgehört. Ich würde gern woanders hin, irgendwo ans Meer. Wenn ich nur wüsste wohin, wäre ich schon längst weg.

SZ: Das sagen Sie seit 30 Jahren.

Schumann: Stimmt, aber ich hoffe, ich sage das nicht, bis ich sterbe.

SZ: Gibt es eine biologische Grenze?

Schumann: Mitte 70. Aber noch bin ich fit, ich gehe zu keinem Arzt.

SZ: Sie haben Angst vor der Diagnose.

Schumann: Wenn ich fühlen würde, dass es zu Ende geht, hoffe ich, dass ich noch in der Lage wäre, Entscheidungen zu treffen.

SZ: Das bringt dann auch nichts mehr.

Schumann: (lacht) Stimmt, aber ich will nicht zuschauen, wie ich selbst zerfalle.

"Wir waren jung, dumm, unverschämt"

SZ: Wie geht man mit Gästen um: eher diplomatisch oder mit klaren Ansagen?

Schumann: Das ist eine Altersfrage. Im alten "Schumann's" haben wir uns schlecht benommen. Wir waren jung, dumm, unverschämt. Wir haben uns verhalten, als wären wir im Film. Schlimmer kann man eine Bar nicht führen.

SZ: Wie haben Sie sich aufgeführt?

Schumann: Halt bayerisch schlecht, rüpelhaft. Am Anfang waren wir überfordert, weil der Laden so wahnsinnig voll war. Deshalb hab ich auch am Samstag zugesperrt, weil ich es leid hatte, vier Stunden lang an der Tür zu stehen. Hier ist es auch voll, aber es ist sehr demokratisch geworden. Ich selber bin ja auch...

SZ: ...braver geworden?

Schumann: Reifer. Der Gast muss spüren, dass man für ihn da ist. Das versuche ich.

SZ: München galt lange Zeit als zu laut und zu angeberisch. Sie, als einer, der die Stadt verkörpert, haben es geschafft, eher bescheiden aufzutreten.

Schumann: Ich war nie in der Schickeria. Ich gehe zu keiner Vernissage, in keine Premiere. Da stehen und sitzen nur die gleichen rum. Das ist in anderen Städten genauso. Wenn ich in Berlin in eine bestimmte Bar gehe, weiß ich, wer da ist.

SZ: War Berlin je eine Option für Sie?

Schumann: Hab ich mir mal vorgestellt. Berlin ist eine Hassliebe für mich. Viele meiner alten Gäste leben mittlerweile dort. Die haben am Anfang geschimpft: Uns fehlt das Hofpfister-Brot und das "Schumann's". So ein Schmarrn, das macht doch eine Stadt nicht aus.

SZ: Ihr Name ist längst eine Marke geworden. Und Sie verdienen als Werbegesicht Geld. Wie kam es dazu?

Schumann: Eine Freundin von mir kam mal von Japan nach München und hat sich mit einer Vogue-Redakteurin bei mir zum Abendessen getroffen. Die wollten eine Fotostrecke machen. Da haben sie mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte. Da bin ich halt nach Paris. Später kam der Baldessarini von Hugo Boss und hat mich angesprochen. Für den hab ich zehn oder elf Jahre Werbung gemacht.

SZ: Was hat er Ihnen bezahlt?

Schumann: So wenig, dass ich gesagt habe, er soll es behalten. Das ist wahr! Ich hatte nie einen Vertrag mit denen, dafür konnte ich mir Klamotten aussuchen.

SZ: Aber von anderen Werbepartnern bekommen Sie schon Geld, oder?

Schumann: Natürlich. Letztens hab ich mit der Schauspielerin Jessica Alba ein Ding gemacht, da wird mehr bezahlt.

SZ: Es gibt Cocktails, die Sie selbst erfunden haben. Bringt das Geld?

Schumann: Nein, das kann man nicht schützen. Aber von meinem Buch "American Bar" habe ich eine Viertelmillion verkauft. Das läuft immer noch gut.

SZ: Ist es nicht eine Illusion, wenn manche Gäste täglich in einer Bar sind: Sie ist nicht wirklich dein Wohnzimmer, die anderen Gäste sind nicht wirklich deine Freunde. Kann eine Bar so etwas sein wie ein Heimatort?

Schumann: Es ist ein Ort, wo man weiß: man kann hingehen, egal was ist. Aber man kann auch wieder gehen. Das kann man zu Hause manchmal nicht.

SZ: Kommen Sie noch gerne hierher?

Schumann: Klar, ich komm in der Früh rein, rede g'scheid daher, kümmere mich um meine Mitarbeiter, um meine Gäste. Ist doch super! So, Jungs, Ihr habt mich jetzt zwei Stunden aufgehalten, Kruzifix! Das reicht jetzt, oder?

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