Tinnitus:Das Klingeln nach dem Klingeln

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Österreichische Forscher sehen einen Zusammenhang zwischen Handys und Tinnitus: Bei intensiver Nutzung verdoppelt sich das Risiko für Ohrgeräusche.

Christopher Schrader

Tinnitus ist eine rätselhafte, belastende Krankheit. Wer chronisch daran leidet, hört permanent Geräusche, die nichts mit der Außenwelt zu tun haben: Es klingelt, summt, rauscht oder knistert im Ohr.

Etwa zehn Prozent der Deutschen leiden häufig oder dauerhaft unter Tinnitus. Bei manchen könnte das mit dem intensiven Handy-Gebrauch zusammenhängen. (Foto: ag.ap)

Etwa zehn Prozent der Deutschen gaben in einer Forsa-Umfrage an, häufig oder dauerhaft unter Tinnitus zu leiden. Über die Ursachen ist wenig bekannt. Es verwundert daher nicht, dass Betroffene und Experten auch Handys und Mobilfunkmasten verdächtigen.

Tierversuche mit Ratten im deutschen Mobilfunk-Forschungsprogramm hatten eine Verbindung ausgeschlossen. Eine Forschergruppe aus Wien hat nun die erste Studie bei Menschen vorgelegt, die eine mögliche Verbindung aufzeigt.

Die Wissenschaftler um Michael Kundi von der Medizinischen Universität Wien haben 100 Tinnitus-Patienten mit 100 Kontrollpersonen verglichen. Sie waren in den Jahren 2003 und 2004 in die Ambulanz der Hals-Nasen-Ohren-Klinik gekommen, die Kontrollpersonen vor allem wegen Sprachbildungsproblemen und Kehlkopfentzündungen.

Als die Forscher beide Gruppen verglichen, stellten sie zunächst keine signifikanten Unterschiede fest ( Occupational and Environmental Medicine, online).

Nur bei einem Drittel der Tinnitus-Patienten zeigte sich in der Studie ein nennenswertes Risiko. Es waren Betroffene, die vor Beginn ihrer Symptome das Handy mindestens vier Jahre lang benutzt und ihrer Erinnerung nach meist an die Seite des Kopfes gehalten hatten, an der sie jetzt Geräusche hörten.

Ihr Risiko, an Tinnitus zu leiden, war deswegen fast verdoppelt. Die statistische Zuverlässigkeit dieser Aussage erreichte zudem eine wichtige Grenze. Mediziner wenden, um die Güte ihrer Daten zu beurteilen, einen Test an. Nur wenn ihr Resultat zu höchstens fünf Prozent auf reinen Zufällen beruhen kann, nennen sie es signifikant. Im Fall der Wiener Studie ergab die Prüfung, dass die Verdopplung des Risikos mit exakt fünf Prozent Wahrscheinlichkeit zufällig entstanden sein könnte.

Das gibt Anlass, die Begleitumstände besonders genau zu überdenken. Die Autoren fragen sich selbst, ob nicht allein das Ans-Ohr-Pressen des Apparates den Blutfluss beeinträchtigt oder ob übermäßige Lautstärke den Tinnitus begünstigt habe, wie man es bei Call-Center-Angestellten beobachtet hat. Sie haben zudem keine Informationen über Lärm oder Stress im Leben ihrer Probanden, entschieden sich aber am Ende, ihren Daten zu vertrauen.

© SZ vom 20.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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