Patentstreit über Pflanzenzüchtungen:Die Anfertigung des Brokkolis

Landwirte, Politiker und Wissenschaftler demonstrieren vor dem Europäischen Patentamt. Dort soll entschieden werden, ob Pflanzenzüchtungen patentierbar sind. Die Macht der Industrie über die Landwirtschaft würde damit erheblich wachsen.

V. Bernau und K. Blawat

Schwarzer Rauch steigt über dem Europäischen Patentamt auf: Eine ziemliche Sauerei sei das, sagt Greenpeace-Aktivist Martin Hofstetter. Offen lässt er, ob er vom Rauch spricht, der aus dem rostigen Ofen kriecht, in dem einige Bauern symbolische Patentschriften verfeuern. Oder davon, was an diesem Dienstag in dem Gebäude passiert.

'Brokkoli-Patent' steht auf dem Prüfstand

Eine Demonstrantin hält vor dem Europäischen Patentamt in München ein Plakat mit der Aufschrift "Nein zu Patenten auf Pflanzen und Tiere!" in die Höhe. Nun verhandelt die Große Beschwerdekammer der Behörde über das 'Brokkoli-Patent'. Eine Entscheidung fällt wohl aber erst Ende des Jahres.

(Foto: dpa)

Dort beschäftigt sich die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts (EPA) mit der Entstehungsgeschichte von Brokkoli. Die Kernfrage in der mündlichen Verhandlung lautet: Sind die Kohlgewächse eines britischen Unternehmens eine technische Erfindung - und damit patentierbar?

So sieht es die Firma Plant Bioscience, die vor acht Jahren ein europäisches Patent für ihre Pflanzen erhielt. Sie enthalten eine angeblich krebsbekämpfende Substanz hundertfach stärker konzentriert als normaler Brokkoli.

Patente auf biologische Züchtungen nicht erlaubt

Gegen das Patent haben die Saatgutkonzerne Syngenta und Limagrain Einspruch eingelegt, weil der aufgepeppte Brokkoli ihrer Ansicht nach durch ein "im Wesentlichen biologisches" Verfahren gezüchtet wurde. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Pflanzen, die sich für die Weiterzucht eignen, mit Hilfe eines technischen Verfahrens ausgewählt würden, sagte ein Syngenta-Vertreter:

"Es ist heutzutage normal, dass Biologie und Technologie eng verzahnt sind." Patente auf biologische Züchtungen aber erlaubt das europäische Recht nicht. Wie die umstrittene Formulierung auszulegen ist, müssen die Patentrichter nun klären. Zeitgleich verhandeln sie einen ähnlichen Fall, in dem es um Tomaten mit besonders niedrigem Wassergehalt geht. Das israelische Landwirtschaftsministerium hält darauf ein Patent, gegen das der niederländische Lebensmittelkonzern Unilever vor sechs Jahren Einspruch einlegte.

Warum die Richter ihre Entscheidung in beiden Fällen erst fürs Jahresende ankündigen, wird schnell klar. Wort für Wort zerpflücken alle Parteien die strittige Formulierung und verweisen auf feine Unterschiede in den mehrsprachigen Gesetzestexten. Biologisch sei ein Verfahren nur, wenn es ohne Zutun des Menschen stattfinden könne, sagen die Patentinhaber. Der technische Anteil des gesamten Zuchtverfahrens sei zu gering, um es als Erfindung schützen zu lassen, argumentieren hingegen die Kläger.

In den USA schon Alltag

Dabei wissen beide Seiten, dass es im Kern nicht um eine Formulierung geht, sondern um die Frage, ob Patente auf Pflanzen und Tiere rechtmäßig sind. Die beiden Patente beschränken sich nicht auf das Zuchtverfahren, sondern beziehen auch die Gewächse selbst, ihr Saatgut und ihre Nachkommen mit ein.

Greenpeace-Vertreter Martin Hofstetter fürchtet, dass das Amt das Patent durchwinken wird. Deshalb steht er nun vor einem Gemüsestand, in dem Blumenkohl, Mais, Melonen, Sonnenblumen und Tomaten liegen. Alles bereits patentiert, wie es grüne Schilder ausweisen.

Mit Landwirten, Politikern und Wissenschaftlern hat sich Hofstetter für den Protest zusammengetan. Sie eint die Sorge, dass nach etwa 1200 bereits bestehenden Patenten auf gentechnische Verfahren zukünftig auch solche Verfahren leichter patentiert werden könnten, die auf Kreuzung und Selektion basieren.

Auch in Europa könnte dann passieren, was in den USA schon Alltag ist: Dass sich Konzerne über Jahrhunderte überlieferte Zuchtverfahren als ihre Erfindung schützen lassen und Saatgut nur gegen Gebühren freigeben. Und dass Bauern nicht mehr einen Teil der Ernte einbehalten und in der nächsten Saison aussähen oder zur weiteren Zucht verwenden können.

Aus Indien angereist, um in München zu protestieren

"Was heute hier entschieden wird, hat Strahlkraft in die ganze Welt", sagt Pankaj Bhushan. Der Bauer ist aus Indien angereist, um in München zu protestieren. Nicht nur, weil hier das Patentamt seinen Sitz hat. Auch weil es in anderen Ländern nicht einmal eine Debatte über Biopatente gibt. Die Deutschen sind auf ihre Nachbarländer angewiesen, um die europäische Patentrichtlinie und damit auch die Entscheidungsgrundlage für das EPA zu ändern.

Matthias Miersch, umweltpolitischer Sprecher der SPD, ist auf die Bühne vorm Patentamt geklettert. Dort erinnert er an die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, die Reichweite von Biopatenten zu begrenzen. "Ich nehme Sie beim Wort, Frau Aigner", ruft er.

Die CSU-Landwirtschaftsministerin hatte in den vergangenen Tagen mehrmals betont: "Die Schöpfung gehört allen Menschen." Unter dem Beifall der Demonstranten fordert Miersch nun auch, eine Prozesskostenhilfe für Bürger einzuführen, um Patentansprüche auf Zuchtverfahren anzufechten. Mehr als 100.000 Euro kostet ein solcher Gerichtsstreit bis in die letzte Instanz. Viel für Mittelständler, die die europäische Landwirtschaft bislang prägen.

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