Urteil zu Wissenschaftsfreiheit:Gleiche Rechte für Fachhochschulen

Professoren an Fachhochschulen dürfen genauso forschen wie ihre Kollegen an Universitäten. Das entschied das Bundesverfassungsgericht - und wertet die FH damit auf.

W. Janisch

Das Bundesverfassungsgericht hat die Rolle von Fachhochschulen und ihrer Professoren aufgewertet. Erstmals haben die Karlsruher Richter eindeutig klargestellt, dass die Professoren an den etwa 100 staatlichen Fachhochschulen (FH) grundsätzlich den Schutz der Wissenschaftsfreiheit des Artikels 5 Abs.3 Grundgesetz genießen. In zwei Urteilen aus den Jahren 1982 und 1983 hatte Karlsruhe den Fachhochschulen die Wissenschaftlichkeit noch weitgehend abgesprochen: Eine umfassende und vertiefte wissenschaftliche Ausbildung werde nur an den Universitäten gewährt, die Fachhochschulen unterrichteten dagegen eher berufs- und anwendungsorientiert, hieß es damals.

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Erstmals haben die Karlsruher Richter eindeutig klargestellt, dass die Professoren an den etwa 100 staatlichen Fachhochschulen (FH) grundsätzlich den Schutz der Wissenschaftsfreiheit des Artikels 5 Abs.3 Grundgesetz genießen.

(Foto: Peter Endig/dpa)

Davon rückt der Erste Senat in der von Brun-Otto Bryde formulierten Entscheidung ausdrücklich ab - und zwar, weil die beiden Hochschularten sich einander angenähert hätten. Auch bei Fachhochschulen könne es zur Ausbildung gehören, die Studierenden zu wissenschaftlicher Arbeit zu befähigen. Die Mehrheit der Bundesländer gehe inzwischen sogar über die bloße Erlaubnis einer FH-Forschungstätigkeit hinaus: "Forschung wird den Fachhochschulen vielmehr als Aufgabe, teilweise sogar ohne funktionale Bindung an ihren Ausbildungsauftrag, ausdrücklich zugewiesen", heißt es in der Entscheidung. Dass die FH-Professoren wegen ihres hohen Lehrdeputats von üblicherweise 18 Semesterwochenstunden - an Universitäten liegt es 8 bis 9 Stunden - kaum Freiraum für die Forschung hätten, tue ihrer Grundrechtsposition keinen Abbruch.

Auch Zugangsvoraussetzungen und Studienziele rechtfertigen es aus Sicht des Ersten Senats nicht mehr, die Kluft aufrechtzuerhalten. An den Universitäten könnten mittlerweile auch beruflich qualifizierte Bewerber ohne Abitur studieren. Und die gestiegenen Anforderungen an FH-Studierende sei an Formulierungen in den Hochschulgesetzen ablesbar, wonach sie zu "selbstständigem Denken" oder zur "kritischen Einordnung wissenschaftlicher Erkenntnis" befähigt werden sollen. (Az: 1 BvR 216/07)

Der Hochschullehrerbund (hlb) nimmt den Richterspruch als weiteres Argument für hochschulpolitische Forderungen, etwa nach einem eigenen FH-Promotionsrecht. "Mit dem Beschluss fällt ein wesentliches Abgrenzungskriterium zwischen Universitäten und FHs weg", sagte hlb-Referent Erik Günther der SZ. Anfang Juli hatte der Wissenschaftsrat dafür plädiert, FHs mehr Freiraum zur Forschung zu gewähren. Die Unterscheidung zwischen den Hochschularten sei teilweise von der Realität überholt.

Der Beschluss dürfte zudem die Position von FH-Professoren im Konflikt um Lehraufgaben stärken; sie werden im Hochschulbetrieb häufig flexibler eingesetzt als ihre Universitätskollegen. Zwar ist eine Koordination der Lehrverpflichtungen durch die Hochschule - die ihrerseits durch die Wissenschaftsfreiheit geschützt ist - grundsätzlich zulässig. Allerdings dürfen einem Hochschullehrer nur Aufgaben innerhalb seines konkreten Amts übertragen werden, das in der Berufungsvereinbarung oder der Ernennungsurkunde umschrieben ist. Aufgaben außerhalb dieses Auftrags beeinträchtigen die Lehrfreiheit, heißt es in der Entscheidung.

Im konkreten Fall wurde die Beschwerde eines Professors für Vermessungskunde an der Hochschule Wismar allerdings abgewiesen. Er war von seinem Rektor angewiesen worden, auch Veranstaltungen im Fach Darstellende Geometrie abzuhalten. Ob dies zu seinem Fach gehörte, blieb umstritten. Im Eilverfahren hatte der Professor vor den Verwaltungsgerichten keinen Erfolg. Karlsruhe bestätigte diese Entscheidungen und verwies ihn auf das Hauptsacheverfahren.

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