Die Linke: Streit um Klaus Ernst:Porsche-Klaus und die "Lebenslüge"

Andere machen Sommerpause, die linke Basis drischt auf ihren Parteichef ein. Der Lebensstil von Klaus Ernst erregt die Gemüter. Führende Genossen verteidigen ihn: Schuld sei das ungeklärte Verhältnis der Sozialisten zum Geld.

Michael König

Der Mann ist Gewerkschaftler. Er fährt ein zehn Jahre altes Auto. Im Sommer wohnt er auf einem Hof, der keine Zufahrt hat und keinen Stromanschluss, wie er betont. Die Pacht für den Hof teile er sich mit Freunden - seit 22 Jahren. So gesehen ist Klaus Ernst, der Chef der Linken, ein Aushängeschild seiner Partei: Bescheiden, naturverbunden, hart arbeitend.

Politischer Aschermittwoch - Die Linke

Klaus Ernst ist wegen seines Gehalts bei Teilen der Parteibasis in Ungnade gefallen.

(Foto: dpa)

Aber so sehen das derzeit wenige. Viele Parteigenossen halten Ernst eher für einen Champagner-Linken, der den Hals nicht voll bekommt.

Sie weisen genüsslich darauf hin, dass Ernsts Auto ein Porsche 911 und sein Hof ein Anwesen in den österreichischen Alpen ist, nahe Kitzbühel, mit Blick auf den Wilden Kaiser. Dass er von der Partei monatlich 3500 Euro bekommt, zusätzlich zu seiner Abgeordnetendiät. Und dass er es offenbar trotzdem nötig hat, auf Kosten des Bundestags zu Gewerkschaftstreffen zu fliegen - die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Untreue und Betrugs gegen ihn.

"Nicht deutlich verschlechtern"

Während die übrige Politik Sommerpause macht, geht es bei den Linken hoch her. Immer mehr Kritiker des Parteichefs aus Bayern äußern ihren Unmut über dessen vermeintliche Raffgier. An der Reizfigur Klaus Ernst entzündet sich ein Streit darüber, wie viel Geld ein Linker verdienen kann, ohne die linke Idee zu verraten.

Das Salär von Klaus Ernst beläuft sich auf etwa 13.000 Euro brutto im Monat - etwa 7700 Euro Diäten, gut 1900 Euro für seine Mitgliedschaft im Vorstand der Bundestagsfraktion und besagte 3500 Euro für den Job des Parteichefs. Netto bleiben Ernst nach eigener Aussage 5000 Euro im Monat. "Das ist natürlich viel Geld, ich weiß. Aber ich halte es für gerechtfertigt. Was ich mache, ist keine 08/15-Aufgabe", sagte Ernst im Gespräch mit der WAZ-Gruppe. Er habe seinen Job bei der IG Metall aufgegeben und sich "nicht deutlich verschlechtern" wollen. Außerdem schäme er sich nicht für seinen Porsche.

Die selbstbewussten Zitate schürten die Wut bei den Genossen. "Wie soll ich ein einfaches Parteimitglied noch dazu ermutigen, fünf Euro in die Parteikasse zu spenden, wenn die Linke es für das Spitzenpersonal mit vollen Händen ausgibt?", fragte etwa der sächsische Bundestagsabgeordnete Michael Leutert in der Online-Ausgabe des Spiegels. Es gebe "massiven Unmut an der Basis", die Linke müsse aufpassen, "dass wir unsere Glaubwürdigkeit nicht verspielen".

In der Welt schoss die Europaabgeordnete Cornelia Ernst gegen ihren Namensvetter: "Das Extragehalt von Klaus Ernst ist nicht nachvollziehbar." Es sei "unverständlich", dass der Parteichef mehrere tausend Euro erhalte, während seine Ko-Vorsitzende Gesine Lötzsch darauf verzichte. Lötzsch möchte nach eigenen Angaben keinen Vertrag mit der Partei abschließen, weil ihr Arbeitsverhältnis mit der Berliner Humboldt-Universität ruht.

Gabriel bekommt das Doppelte

Selbst in der linientreuen Zeitung Neues Deutschland war von "Raffke-Vorwürfen" und "Selbstalimentierung" die Rede. In einem Brief des sächsischen Landesverbands wird die Frage aufgeworfen, "ob ein Mensch, sei seine Stellung noch so exponent, mehr zum Leben braucht als eine Bundestagsdiät". In Baden-Württemberg hatten Vertreter zweier Kreisverbände gar den Rücktritt von Ernst gefordert. Vier Funktionäre kündigten an, die Partei zu verlassen.

Die Debatte hat derartig an Fahrt aufgenommen, dass für störende Details keine Zeit bleibt. Dass der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel zusätzlich zu seiner Abgeordneten-Diät etwa 7000 Euro von der Partei bekommt, also doppelt so viel wie Ernst, spielt keine Rolle. Auch die Tatsache, dass schon Ernsts Vorgänger Lothar Bisky 3500 Euro einstrich, wird ausgeblendet. Bei der grauen Eminenz aus Ostdeutschland hatte sich darüber niemand beschwert.

Führende Linke bemühen sich nun um Mäßigung, um die Partei vor einer Zerreißprobe zu bewahren. Die stellvertretende Vorsitzende der Linken, Halina Wawzyniak, sagt im Gespräch mit sueddeutsche.de, Klaus Ernst habe "nach den Regeln der Partei den Anspruch auf das Geld. Alles andere ist seine individuelle Entscheidung." Sie selbst verzichte auf 750 Euro, die ihr monatlich von der Partei zustehen würden.

Ramelow kritisiert "Kampagne"

Dem Parteichef dürfe kein persönlicher Vorwurf gemacht werden, stattdessen müsse die Bezahlung der Parteispitze generell überprüft werden: "Eine Partei, die von sich behauptet, anders zu sein als alle anderen, sollte sich bei der Bezahlung ihrer Vorsitzenden vielleicht nicht an allen anderen orientieren", sagt Wawzyniak.

Ramelow-Beobachtung auf dem Prüfstand

Rivalen: Parteichef Klaus Ernst und der Thüringer Spitzenlinke Bodo Ramelow.

(Foto: dpa)

Der Thüringer Linke Bodo Ramelow beklagt, seine Partei habe "für jeden Mitarbeiter einen Tarifvertrag abgeschlossen. Nur bei den Spitzenleuten ist nichts geregelt." Es sei eine "alte Lebenslüge" der Vorgängerpartei PDS, "an dieser Stelle keine Klarheit zu schaffen". Es müsse "ein ehrlicher Umgang mit der Bezahlung her", sagt Ramelow zu sueddeutsche.de: "Wir brauchen klare Verhältnisse."

"Mehr wert als die Almhütte"

Wie viele andere Genossen bezweifelt Ramelow allerdings, dass der Streit um Klaus Ernst mit einer Neuregelung der Bezüge beendet wäre. Dazu könnte es am 6. September kommen, wenn der Parteivorstand mit den Landesverbänden "die Verständigung suchen und die gefassten Beschlüsse zur Hauptamtlichkeit erläutern" will, wie es in einer Mitteilung heißt.

Ramelow befürchtet vielmehr, dass hinter der "Kampagne" gegen Klaus Ernst persönliche Motive der Kritiker stecken: "Ich höre jetzt einige Stimmen, die schon damals in Rostock nicht zufrieden waren." Auf dem Rostocker Parteitag im Mai war Ernst mit 74,9 Prozent gewählt worden - im Vergleich zu Gesine Lötzsch (93 Prozent) ein eher schwaches Ergebnis.

Obwohl Ramelow, wie Ernst ein Westdeutscher in der ostdeutsch geprägten Partei, als möglicher Nachfolger des derzeitigen Parteichefs gehandelt wird, stellt sich das Mitglied des Thüringer Landtags hinter seinen Spitzengenossen - und kokettiert mit seinem eigenen Vermögen: "Ich besitze ein kleines Ferienhaus in Thüringen, das mehr wert ist, als Klaus Ernst in seine Almhütte gesteckt hat."

Im Gegensatz zu Ernst fahre er allerdings keinen Porsche, räumt Ramelow ein. Ihm genügt ein Škoda Roomster - ein Kleinwagen mit großer Klappe.

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