Rente mit 67:Wie die SPD muffig bleibt

Egal wie sich die SPD zur längeren Lebensarbeitszeit positioniert, die demographische Wirklichkeit wird in den nächsten Jahren über jeden Parteitagsbeschluss hinwegfegen.

Nico Fried

Sigmar Gabriel hat zur Rente mit 67 einen Vorschlag gemacht, dessen größter Vorzug darin bestehen dürfte, dass er den SPD-Vorsitzenden unangreifbar macht. Wer Gabriel nämlich vorwirft, er wolle die Rente mit 67 nicht mehr, dem antwortet der SPD-Chef: doch, aber erst irgendwann vielleicht. Wer ihm hingegen vorwirft, er halte an der Rente mit 67 fest, dem antwortet er: nein, nur vielleicht irgendwann. Gabriel verschiebt also die Entscheidung. Es ist ein Kompromiss, um Schaden von ihm abzuwenden. Und übermorgen wirft der SPD-Chef dann der Kanzlerin wieder Zaudern und Führungsschwäche vor.

Demonstration gegen Rente mit 67

Die Revision der Rente mit 67 ist ein Versuch der SPD, wieder auf die Gewerkschaften zuzugehen, die sie noch immer für ihre natürlichen Verbündeten hält.

(Foto: dpa)

Die Rente mit 67 ist ein letztes großes Symbol. Sie könnte in der SPD stehen für eine Zeit des vorausschauenden Regierens, deren Reformen insgesamt trotz mancher Fehler zuletzt auch die Grundlage für die schnelle Erholung Deutschlands in der Wirtschaftskrise waren. Stattdessen steht die Rente mit 67 für den Preis, den Teile der Partei und der Gewerkschaften als Beweis dafür bezahlt sehen wollen, dass die SPD ihrer angeblich so grausamen Vergangenheit abschwört. Und Sigmar Gabriel steht jetzt für das Sowohl-als-auch.

Auf dem Parteitag könnte die Schlacht geschlagen werden, die zu verhindern Gabriels Kompromiss zum Ziel hat. Dabei ist es eigentlich egal, wie sich die SPD zur längeren Lebensarbeitszeit positioniert. Die demographische Wirklichkeit wird in den nächsten Jahren über jedweden Parteitagsbeschluss hinwegfegen. Weniger Menschen werden mehr arbeiten, weil weniger Arbeitnehmer mehr Rentner länger bezahlen müssen. Gabriels Bedingung, dass mehr über Sechzigjährige arbeiten sollen, ist keine Bedingung, sondern die Beschreibung der Zukunft. Leider sagt er es nicht so. Anders als Frank-Walter Steinmeier.

In der Debatte über die Rente mit 67 findet sich der Fraktionschef nun in der gleichen Rolle wie weiland Franz Müntefering, als die SPD beim Arbeitslosengeld erstmals die Agenda unter Beschuss nahm. Steinmeier kann nun den Widerstand wählen, für den sich Müntefering seinerzeit entschied und unterlag. Weil Steinmeier aber erstens nicht so stur ist wie Müntefering und zweitens jünger, wird er sich wohl einem Kompromiss fügen. Das Gerede vom Super-Duo aus Parteichef Gabriel und Fraktionschef Steinmeier, das sich so gut versteht, ist jedenfalls als falsch entlarvt - so wie noch jede Paarbeziehung in der SPD als Lug und Trug entlarvt wurde, die von sich sagte, es passe kein Blatt Papier dazwischen.

Es ist gelinde gesagt sehr bedauerlich, dass die Sozialdemokraten auch ein Jahr nach dem Ende ihrer Regierungszeit noch immer rückwärtsgewandte Gefechte führen; als gäbe es sonst keine Probleme. Aber die Partei will unbedingt recht haben, wo sie nicht recht hat. Und sie will unbedingt umkehren, wo sie auf dem richtigen Weg war. Korrekturen mögen sinnvoll sein. Aber der einzige Beweis, den die unnütze Grundsatzdebatte wirklich erbringt, ist der Beweis, dass die SPD noch immer nur mit sich selbst beschäftigt ist - und die Umfrageergebnisse nur besser werden, weil die Regierungskoalition torkelt.

Die Revision der Rente mit 67 ist ein Versuch der SPD, wieder auf die Gewerkschaften zuzugehen, die sie noch immer für ihre natürlichen Verbündeten hält. Warum nur? Die Gewerkschaften haben die Rente mit 67 immer bekämpft, gerne, indem sie den Eindruck erweckten, es seien schon die jetzigen Rentner betroffen. Über die Agenda-Politik Gerhard Schröders wird oft gesagt, der Kanzler und seine Leute hätten es versäumt, die Reformen zu erklären. Für die Gewerkschaften und die Rente mit 67 gilt das aber auch. Sie haben es freilich nicht versäumt, sondern mutwillig unterlassen.

Schutzpatronin der Arbeitnehmer

Das sind übrigens zum großen Teil dieselben Gewerkschafter, die nun schon seit einiger Zeit bei einer christdemokratischen Kanzlerin lächelnd und, wenn's sein muss, für ein schönes Wahlkampffoto ein- und ausgehen. Angela Merkel hat die Sommers und Hubers charmiert und gehätschelt. Draußen halten die der SPD wider besseres Wissen die Rente mit 67 vor, drinnen im Kanzleramt lassen sie sich für ihren Realitätssinn loben.

Merkel inszeniert sich in der schwarz-gelben Koalition als Schutzpatronin der Arbeitnehmer und vergisst nie zu erzählen, dass sie angeblich den Kündigungsschutz gegen die böse FDP verteidigt habe. So viel Leim auf der Rute bleibt nicht ohne Wirkung: Der Widerstand der Gewerkschaften gegen Merkels unsoziales Sparpaket ist schon versiegt. Genommen wird ja nicht bei denen, die Arbeit haben, sondern bei den Arbeitslosen und ihren Kindern. Was haben die mit Gewerkschaften zu tun?

Solchen Funktionären läuft die SPD hinterher. Sie verbeugt sich vor der Klientel 50 plus und ignoriert die Jüngeren. Gabriel bedient den Strukturkonservatismus, von dem er genau weiß, dass er die Partei muffig und langweilig macht. Und die Zukunft sieht nicht besser aus, wie jüngst der neue Juso-Vorsitzende gezeigt hat, als er die sogenannte Renten-Garantie nicht als eine Frage der Generationengerechtigkeit bezeichnete. Zu so einer Nachwuchsorganisation gehen Jugendliche sicher genauso gerne wie Kinder zu einer Geburtstagsparty, auf der es Kuchen nur für die Großeltern gibt.

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