Barack Obama in Bedrängnis:Amerikas Linke zerfleischt sich

Unter Obamas Anhängern steigt der Frust. Der US-Präsident wird von der Linken immer häufiger in die Nähe seines Amtsvorgängers Bush gerückt. Selbst Michael Moore sucht Streit mit dem Weißen Haus.

Christian Wernicke, Washington

Immerhin, Michael Moore kann noch lachen. Zwar wirkt es etwas gequält, wie der beleibte Filmemacher sich ein Grinsen abringt "über diesen Herrn Gibbs" und dessen "merkwürdiges Auspeitschen der Linken". Aber dann schreitet Moore, der ewig unzufriedene Anhänger von Präsident Barack Obama, zur spöttischen Attacke auf den Sprecher des Weißen Hauses. Weil Robert Gibbs, der Präsidentenvertraute, in einem Interview gefordert hatte, Amerikas nörgelnde Linke solle sich wegen ihrer politischen Halluzinationen "mal einem Drogentest unterwerfen", erinnerte Moore an die alte Regel: "Meine Erfahrung ist, dass derjenige, der sich am meisten Sorgen macht über die Rauchware im Zimmer, immer auch der ist, der das schwerste Zeug schmaucht."

Barack Obama in Bedrängnis: Übt Kritik am Präsidenten: Der Filmemacher Michael Moore, hier auf dem Weg zu einem Auftritt in der Larry-King-Fernsehshow.

Übt Kritik am Präsidenten: Der Filmemacher Michael Moore, hier auf dem Weg zu einem Auftritt in der Larry-King-Fernsehshow.

(Foto: AP)

Der wahre Spinner, das will Michael Moore dem zumeist linken Publikum beim Kabelsender MSNBC einhauchen, sei Robert Gibbs. Der hatte, nach Wochen bisweilen ätzender Kritik von linksliberalen Demokraten am vermeintlich zu lauen Kurs der Obama-Regierung, in einem Interview mit Washingtons Insider-Zeitung The Hill seinen Frust abgelassen. Und gepoltert: "Diese Leute werden erst zufrieden sein, wenn wir ein öffentliches Gesundheitswesen wie in Kanada einführen. Oder wenn wir das Pentagon abgeschafft haben." Amerikas unzufriedene Linke solle sich bitteschön der Wirklichkeit stellen. Besonders empört hat Gibbs, dass sein Dienstherr und Freund Obama neuerdings von der Linken in die Nähe von dessen Amtsvorgänger gerückt wird: "Ich höre, dass diese Typen sagen, er sei wie George Bush", schimpfte der Pressesprecher, "das ist doch verrückt!" Also: Drogentest.

Gibbs war die politische Sicherung durchgebrannt, weshalb er sich prompt entschuldigte: "Ich schau zu viel Kabelfernsehen, ich gebe es ja zu. Tag für Tag, es ist frustrierend." Dennoch, die Linke hat mit Gibbs nun eine Zielscheibe im Nebenzimmer des Oval Office. Und zumindest ein Kongressabgeordneter forderte bereits Gibbs' Rücktritt.

MSNBC ist Teil von Gibbs Problem. Die drei Moderaten, die dort jeden Abend jeweils eine Stunde lang ihre linken Talkshows inszenieren, präsentieren allabendlich irgendeinen progressiven, linken oder liberalen Zeitzeugen, der dem Präsidenten vorhält, dass er seine Wahlversprechen verrate. Organisationen von Schwulen und von Linken beklagen, dass die US-Armee weiterhin geoutete Homosexuelle rauswerfe. Sprecher der Latinos schimpfen, Obama habe sie und seine Zusage für eine Reform des Einwanderungsrechts vergessen. Und Bürgerrechtler mögen in Guantanamo oder in den US-Militärlagern in Afghanistan kaum mehr einen Unterschied ausmachen zu den Haftregeln unter Bush und Rumsfeld.

Demotivierte Parteibasis

Alle zusammen beklagten, Obamas Taktik demotiviere die Parteibasis - und riskiere eine schlimme Niederlage bei den Kongresswahlen im November. Bisher hatte das Weiße Haus diese Vorhaltungen gelassen gekontert. Umfragen bewiesen doch, dass drei Viertel aller linken Wähler stramm hinter Obama stünden. Nun ging Robert Gibbs einen forschen Schritt weiter. Leider gebe es neben all den treuen Anhängern jedoch "einige professionelle Linke", die ihre Unzufriedenheit in den Medien kultivierten. Will sagen: Berufsnörgler.

Auch diesen Vorwurf hat Moore spöttisch gekontert: "Das wäre das erste Mal, dass Amerikas Linke professionell ist." Die harte linke Basis, so Moore, werde zwar zur Wahl gehen im November: "Aber die weiche Mitte, die Obama 2008 gewählt hat, wird enttäuscht zu Hause bleiben."

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