Haider und die Hypo Alpe Adria:Ein skandalöses Erbe

Fast täglich tauchen in Österreich Skandalgeschichten auf, die sich um Jörg Haider drehen. Der verstorbene Landeshauptmann von Kärnten hat die Politik zu einem Selbstbedienungsladen umgebaut. Erst jetzt werden die Dimensionen klar.

Klaus Ott und Hans Leyendecker

Edmund Stoiber schätzt Diskretion, aber wenn er davon ausgeht, dass das Gesagte vertraulich bleibt, plaudert er schon mal aus dem Nähkästchen. Mit Jörg Haider beispielsweise, erzählte neulich der frühere bayerische Ministerpräsident, sei das so gewesen: Sein CSU-Parteifreund, der damalige bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser, habe ihn vor gut drei Jahren gefragt, ob Stoiber den Kärntner Landeshauptmann treffen wolle. Es sei natürlich um den Kauf der Hypo Alpe Adria durch die Bayerische Landesbank gegangen. Haider habe auf eine Begegnung gedrängt. "Du hast wohl einen Vogel", will Stoiber zu Faltlhauser gesagt haben. Der Vorsitzende der CSU treffe sich doch nicht mit einem Rechtsradikalen.

Jörg Haider

Er war der Regisseur, gegeben wurde das Stück "Brot und Spiele", seine Partei verdiente kräftig mit: der verstorbene Kärnter Landeshauptmann Jörg Haider auf einer Harley Davidson.

(Foto: dpa)

In Bezug auf Haider stimmten bei Stoiber die politischen Instinkte. Bei vielen österreichischen Politikern, Wirtschaftsleuten und Medienmanagern stimmten sie nicht. Sie machten sich gemein mit dem Rechtspopulisten - die Folgen sind zwei Jahre nach Haiders Tod massiv zu spüren. Österreich versinkt gerade in einem Meer vermutlich echter und wahrscheinlich falscher Skandale, in denen Haider eine Rolle spielt. Ermittelt wird quer durchs Strafgesetzbuch. Unter anderem geht es um Untreue, Beihilfe zur Untreue, Bestechung, Steuerhinterziehung und Geldwäsche.

Man kann die Geschichten gar nicht so schnell erzählen, wie sie auftauchen. Da ist der echte Hypo-Alpe-Adria-Skandal mit rund fünfzig mehr oder minder schwer belasteten Verdächtigen. Da sind die Privatisierungen und die Rüstungsgeschäfte, bei denen Gefolgsleute von Haiders Rechtspartei FPÖ auffällig gut kassierten. Der Verkauf der Bundeswohngesellschaften (Buwog) etwa ist nur ein Beispiel für Millionengaunereien mittels Provision.

Die österreichische Staatsbürgerschaft war in Kärnten für eine Million Euro zu haben, öffentliche Bauaufträge waren ein Teil der Parteienfinanzierung. Bakschisch-Politik war die herrschende Ideologie. Einige neuere Spuren führen (möglicherweise im doppelten Wortsinn) in die Wüste: Haider war viermal in Libyen und dreimal im Irak. Die Frage ist: Hat der irakische Diktator Saddam Hussein, ein großer Geizhals, Haider mit Millionen Dollar ausstaffieren lassen?

Operettenhaft anmutende Affären

All die zum Teil operettenhaft anmutenden Affären haben einen gemeinsamen Kern: Haider hatte den Politikbetrieb zu einem Selbstbedienungsladen umgebaut. Er war der Regisseur, aufgeführt wurde das Stück "Brot und Spiele". Bei Banken wurden Millionen für Haiders Fußballclub eingetrieben. Der slowenische Basketballverein Laibach wurde heimlich mit 1,5 Millionen Euro bedacht. Der Straftatbestand Amtsmissbrauch wäre eine Verharmlosung für die Beschreibung solcher Umtriebe.

Vor einer Woche bezeichnete der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer "rasche, lückenlose, nachvollziehbare und wahrheitsgemäße" Aufklärung als "Gebot der Stunde". Aber das ist viel verlangt. Zwar werden in Wien wahrscheinlich noch dieses Jahr etliche Untersuchungsausschüsse eingerichtet, auch die Ermittler werden wohl die eine oder andere Abschlussverfügung zu Papier bringen. Aber die Frage bleibt, was an den Vorwürfen dran ist - und was nicht.

Auffälligerweise stammen viele der kursierenden Informationen von ehemaligen Haider-Leuten, die derzeit wie die Skorpione übereinander herfallen. Bei den österreichischen Zeitungen glaubt in diesen Tagen jeder Enthüller seine eigene Wahrheit. Fest steht immerhin, dass die geldgierigen Freunde des Jörg Haider für sich oder ihn bereits früh ein Konto im Fürstentum Liechtenstein eröffnet hatten - dort, wo das Bankgeheimnis noch sicherer war als im heimischen Kleinen Walsertal.

System des Wegsehens und Vertuschens

Kolportiert wurde in den vergangenen Wochen, Haider habe später mittels undurchsichtiger Treuhand-Konstruktionen über Millionenbeträge in Liechtenstein verfügen können, ohne selbst in Erscheinung treten zu müssen. In seinem Umfeld seien bis zu zwölf Briefkastenfirmen entstanden, durch die bis zu 45Millionen Euro geschleust worden seien. Dieser Verdacht ist ungewöhnlich vage. Auffälligerweise findet sich die Summe von 45 Millionen Euro auch in einem von der österreichischen Justiz beschlagnahmten Tagebuch eines ehemaligen Haider-Gefolgsmannes, in dem dieser angeblich Gehörtes zu Papier gebracht haben will. Man muss nicht alles für bare Münze nehmen.

Das frühere Haider-System ist ein ideales Mistbeet für Verdächtigungen geblieben. Angebliche Dokumente eines Wochenmagazins, die vorige Woche noch als Indiz dafür präsentiert wurden, dass es Haiders Liechtenstein-Connection gab, wirken Anfang dieser Woche schon leicht angeschlagen. Das Blatt hatte auf ein Geheimpapier aus Bagdad aus dem Jahr 2008 verwiesen, aus dem hervorgehe, dass Haider und einer seiner Vertrauten als Dank für treue Hilfe im Jahr 2002 fünf Millionen Euro erhalten hätten. Damals regierte in Bagdad noch Saddam Hussein.

An diesem Wochenende nun meldete eine Sonntagszeitung, es handele sich bei dem Papier um eine Fälschung. Jener Generalmajor, dessen Unterschrift sich auf dem Papier des irakischen Innenministeriums findet, habe erklärt, er kenne das alles nicht, das sei auch nicht seine Unterschrift. Selbst das Siegel auf dem Blatt sei im Jahr 2008 noch gar nicht verwendet worden. Selbst wenn die Geschichte noch mal eine Wendung erfahren sollte, wäre strafrechtlich wenig Zündstoff drin. Ein Steuerdelikt wie verschwiegene Schenkungssteuer käme vielleicht in Betracht.

Österreich ist zweifelsohne ein Rechtsstaat, aber in dem kleinen Land klaffen Theorie und Praxis zuweilen auseinander. Bei der Verfolgung von Wirtschaftskriminalität gibt es zwar die eine oder andere Gesetzeslücke, doch alles in allem fehlt es nicht an Paragraphen, sondern an Personal. Nach einem Bericht des Europarats von 2008 kommen in Österreich 2,6 Staatsanwälte auf 100.000 Einwohner. In der Bundesrepublik sind es 6,2. Österreich hat in Zusammenarbeit mit den UN, dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung und mit Interpol zwar diverse Akademien und Ämter zur Korruptionsbekämpfung eingerichtet, aber es hapert bei der Ausbildung der Beamten und es mangelt an Schwerpunktstaatsanwaltschaften, von denen es etwa in Deutschland mehr als zwanzig gibt.

Eine solch auffällige Personallücke entsteht allerdings nicht zufällig - sie gehört zum System des Wegsehens und Vertuschens.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: