Obamas General David Petraeus:Ankämpfen gegen das Getöse

David Petraeus, Afghanistan-Kommandeur der Nato, relativiert die Spekulationen um einen Abzug im Sommer 2011 - weil er sich gegen eine Debatte stemmen will, die bedenkliche Formen angenommen hat.

Stefan Kornelius

Am Sonntag hat in den USA eine erstaunliche Auseinandersetzung begonnen: der Kampf gegen den Abzug aus Afghanistan. Er wird geführt gegen die öffentliche Meinung und damit gegen die Mehrheit im Kongress, die aus vielen guten und weniger guten Gründen auf diese Öffentlichkeit hört. Er wird geführt mit dem Blick auf den Terminkalender, der Präsident Barack Obama und seiner Regierung nicht viele günstige Optionen lässt. Und er wird geführt gegen alle in Afghanistan, die entweder aus Furcht vor oder in freudiger Erwartung eines nahen Abzugs bereits ihre Geschäfte machen.

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General Petraeus relativiert das Abzugsdatum, das Obama ins Spiel gebracht hat. Er handelt aus Loyalität, hat die Debatte um den Abzug doch ein bedenkliches Eigenleben entwickelt.

(Foto: AFP)

Der Kommandeur der internationalen Truppe in Afghanistan, David Petraeus, ist ein Abzugsspezialist. Er leitete den Abzug der US-Streitkräfte aus dem Irak ein, der in diesem Sommer einen symbolischen Abschluss finden soll. Er wurde wieder auf Posten in Afghanistan verdonnert, weil er dort dasselbe Kunststück noch einmal vollbringen soll. Sein Vorgänger, General Stanley McChrystal, feuerte sich quasi selbst aus dem Kommandostuhl, indem er ein allzu knackiges Interview gab, in dem er den Präsidenten und seine Entourage lächerlich machte.

Man darf heute getrost behaupten, dass McChrystal seine Worte sehr genau gewählt haben muss. Er ist Soldat, und ein Soldat lässt sich lieber wegen einer politischen Unbotmäßigkeit feuern, als dass sein Name mit einem ruhmlos beendeten Krieg in Verbindung gebracht wird.

McChrystal wusste im Frühjahr, dass es in Afghanistan keine Meriten mehr zu gewinnen gab. Er kannte den politischen Terminkalender, der einen Abzugsautomatismus zu entwickeln versprach, weil die Raus-aus-Afghanistan-Stimmung zu den Zwischenwahlen im November und zu einer wichtigen Senatsanhörung im Dezember an Schärfe gewinnen wird. Also ging McChrystal, ehe er den Abzugsverwalter spielen musste. Präsident Obama verpflichtete Petraeus, der mit seinem Irak-Lorbeer längst eigene politische Ambitionen entwickelt hatte. Das war ein kluger Schachzug des Präsidenten. Der General ist nun zur Loyalität verpflichtet.

Diese Loyalität gebietet Petraeus, die Spekulationen um einen Abzugsbeginn im Sommer 2011 zu relativieren. Eigentlich verkündet der General auch keine Sensationen. Obama hatte bei der Verkündung seiner Strategie im Dezember in der Militärakademie Westpoint gesagt, der Beginn des Abzugs sei im Sommer 2011 vorstellbar, wenn es die Umstände zuließen. Diese Worte haben ein Eigenleben entwickelt, so dass heute nicht wenige in der amerikanischen aber auch in der europäischen Öffentlichkeit den Eindruck haben müssen, im Sommer 2011 stehe der komplette Abzug an. Das ist Unfug.

Petraeus macht also nichts anderes, als das Gewicht des Kommandeurs gegen eine unselige Abzugs-Interpretation zu stemmen. Damit beugt er erstens Enttäuschungen vor, und zweitens will er wohl verhindern, dass sich das Gerede zu den amerikanischen Wahlen hin zum Getöse steigert.

Ob die Kraft des Generals ausreicht, ist freilich zweifelhaft. Die Öffentlichkeit in den USA aber auch in Europa will sich von Argumenten nicht mehr beeindrucken lassen, selbst wenn sie militärisch und politisch richtig sind. Sie hat nach zehn Jahren genug von Afghanistan. Das hätte der Präsident bedenken sollen, als er das Datum "Sommer 2011" wählte - auch wenn noch so viele Bedingungen damit verknüpft waren.

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