Claus Theo Gärtner:"Wenn ich die Lederjacke anziehe, bin ich Matula"

Mit 282 Folgen "Ein Fall für zwei" ist Claus Theo Gärtner dienstältester Ermittler der Fernsehgeschichte. Ein Gespräch im Dienstwagen.

Fabian Mader

Claus Theo Gärtner, 67, bewegt die Zigarette so beiläufig zum Mund, als wäre Rauchen nur eine genüsslichere Form des Atmens. Er scheint nicht zu ziehen, er pustet nicht aus, der Rauch verzieht sich einfach. Er muss seine Sätze nicht unterbrechen, während er das macht. Lang sind sie sowieso nicht. Gärtner redet nicht viel. Wenn keine Frage kommt, schweigt er. Man sitzt in Matulas Dienstwagen, die Fahrt geht über 60 Kilometer vom Frankfurter Osthafen zum Zollhafen in Mainz, dem zweiten Drehort an diesem Tag. Bevor Gärtner den Wagen startet, hat er eine kleine Auseinandersetzung mit dem Navigationssystem.

Claus Theo Gärtner alias Detektiv Matula

Detektiv Matula könnte sein Kumpel sein, sagt Claus Theo Gärtner. Seit 29 Jahren spielt er die Figur. Deutschlands dienstältester Ermittler.

(Foto: dpa)

Claus Theo Gärtner: Am Zollhafen. Nummer drei.

Navigationssystem: Bitte fahren Sie links und wenden Sie nach einhundert Metern.

Gärtner: So blöd sind wir nicht. Wir fahren rechts.

Navigationssystem: Bitte fahren Sie geradeaus.

Gärtner: Och nee, wie stellt man hier den Ton ab?

SZ: Herr Gärtner, gab es in 29 Jahren einen Moment, in dem Sie dachten: Das war's, den Matula spiele ich nie wieder?

Gärtner: Ich war einmal kurz davor, Profi-Rennfahrer zu werden.

SZ: Sie hatten ein konkretes Angebot?

Gärtner: Ja.

SZ: Von wem?

Gärtner: Edgar Dören wollte mich als Fahrer für seinen Rennstall. Er ließ seine Fahrer in verschiedenen Profi-Serien starten. Das war 1997, glaube ich.

SZ: Haben Sie mit jemandem darüber gesprochen?

Gärtner: Erst mal nicht. Als ich es unserem Produzenten Georg Althammer gesagt habe, kam er zu einem Rennen, stieg in einen Helikopter und sah sich das Ganze von oben an. Ich bin den Langstrecken-Pokal damals schon nebenbei gefahren. Außerdem hatte ich das Vergnügen und die Ehre, beim Porsche-Supercup zu starten. Althammer wollte mir das ausreden, viel zu gefährlich. Ich blieb stur: Okay, dann fahre ich jetzt nur noch Rennen. Aber letztlich bin ich bei der Schauspielerei geblieben.

SZ: Warum?

Gärtner: Weil sie mir Spaß macht. Außerdem hat mir die Rolle in Ein Fall für zwei viel ermöglicht: Ich konnte reisen, ab und zu Rennen fahren. Für solche Dinge braucht man Geld. Das hab ich hier verdient.

SZ: 200 Tage im Jahr drehen Sie als Privatdetektiv. Führen Sie nicht eigentlich zwei Leben?

Gärtner: Wenn ich die Lederjacke anziehe, bin ich Matula. Ziehe ich sie aus, bin ich Claus Theo Gärtner. Für mich ist er eine Rolle, nichts weiter. Was ich tue, ist Schauspielen, nicht Schausein.

SZ: Stimmt es, dass Matulas erster Dienstwagen Ihr Privatwagen war?

Gärtner: Wir haben erst kurz vor Drehbeginn festgestellt: Der hat ja gar kein Auto. Was nehmen wir denn da für eins? Kam sofort: Porsche. Aber ein armer Polizist kann doch keinen Porsche fahren. VW? Zu langweilig. Ein Mini Cooper? Geht nicht, wie soll denn da ein Kameramann mit der Kamera rein? Da sag ich: Nehmen wir doch meins. Steht doch dort. Ein Alfa Romeo, Giulia Super.

SZ: Was hat Matula neben dem Auto von Ihnen?

Gärtner: Im Grunde alles. Ich musste die Figur ja neu erfinden, eine Geschichte hatte er nicht.

SZ: Mögen Sie ihn?

Gärtner: Er ist absolut ehrlich und authentisch. Zuverlässig. Könnte mein Kumpel sein.

SZ: Ein Kumpel, der konstant Geldprobleme hat...

Gärtner: ...die er mit Fassung trägt. Er bettelt ja nicht.

SZ: Er prügelt sich ziemlich oft.

Gärtner: Nun gut, wie er seine Gegner hin und wieder zum Untertan macht, ist kein besonders sympathischer Zug.

SZ: Fans Ihrer Serie haben ausgerechnet, dass Matula in den ersten 200 Folgen 37 Mal zusammengeschlagen wurde.

Gärtner: Sehen Sie: Matula hat Mumm. Wenn es um Gerechtigkeit geht, nimmt er eine blutige Nase in Kauf. Der schützt sich nicht. Ich denke, darin liegt der Reiz der Figur: Viele wären gern selbst so mutig wie er. Ob ich diese Dinge privat machen würde? Ich weiß es nicht.

SZ: Was bedeutet für Sie Männlichkeit heute?

Gärtner: Mit Gewalt hat es jedenfalls nichts zu tun. Ich muss mich nicht geprügelt haben, um als Mann durchzugehen. Zwei Dinge vielleicht: Geradlinigkeit. Verlässlichkeit. Die ist in jeder Beziehung zwischen Menschen essentiell. Sei es bei der Arbeit am Set, gegenüber Freunden, überall sind Sie darauf angewiesen, sich auf andere verlassen zu können.

SZ: Und Matula hat diese Qualitäten?

Gärtner: Ja. Er ist ein bisschen rau, aber ein guter Kerl. Glauben Sie mir.

Bartwuchs und andere Privilegien

SZ: Nach 29 Jahren trägt Matula das erste Mal Bart. Wie kam es dazu?

Gärtner: Ich war im Urlaub und hatte meinen Rasierapparat vergessen. Am vierten Tag wollte ich mir einen kaufen. Aber meine Frau hat gesagt, ich soll ihn für den Urlaub dran lassen. Dann hab ich mich so an den Bart gewöhnt, dass ich ihn gar nicht mehr abrasiert habe. Nach vier Wochen Indien kam ich ins Produktionsbüro. "Oh Gott: Ein Bart." Die waren echt schockiert. Ich wollte ihn aber dran lassen. Die Produktionsleitung war strikt dagegen, die Figur zu verändern. Also haben wir eine Musterszene aufgenommen. Danach waren alle der Meinung, der Bart bleibt dran.

SZ: Wie viel Pflege müssen sie aufwenden?

Gärtner: Ganz wenig.

SZ: Ihre Maskenbildnerin hat erzählt, Sie stutzen den Bart einmal pro Woche.

Gärtner: Aber sie nennt das Kontur.

SZ: Sie hat auch gesagt, dass Sie glücklicherweise sehr geringen Bartwuchs hätten und dass sie deshalb wenig Aufwand mit der Pflege hätte.

Gärtner: Hier an den Wangen zum Beispiel wächst mir kein Bart. Nur am Kinn, wie bei Ho Chi Minh.

SZ: Haben Sie am Set auch andere Eigenheiten durchgesetzt?

Gärtner: Es gibt da schon Privilegien. Es ist ja bekannt, dass der Service stimmen muss, damit die Schauspieler die optimale Leistung bringen. Ich habe das Privileg, erst um zehn anzufangen. Die Drehtage beginnen um neun, oder um acht. Ich komm um zehn. Die Dispo legt meine Szenen entsprechend.

SZ: Wie lange machen Sie das noch?

Gärtner: Vor zehn Jahren habe ich gesagt: Das mache ich jetzt noch zwei Jahre, dann wurden es noch zwei, dann noch zwei. Also: Keine verlässliche Prognose möglich. Ich würde mich zu Tode langweilen, wenn ich das nicht mehr machen würde.

SZ: Nehmen wir an, das ZDF sagt in einem Jahr: Ein Fall für zwei wird abgesetzt. Wie reagieren Sie?

Gärtner: Überrascht, weil die Serie nach wie vor viele sehen wollen. Sie ist Kult. Es gibt sogar Bands, die Lieder über Matula geschrieben haben. Bei einer war ich mal auf dem Konzert: Superpunk. "Matula, hau mich hier raus, du hast es mir versprochen. Ma-tu-la".

SZ: Nehmen wir an, es geht dennoch irgendwann zu Ende. Beziehen Sie dann ein Strandhaus auf den Bahamas und genießen Ihren Ruhestand?

Gärtner: Das würde ich machen und es vierzehn Tage lang wunderbar finden. Aber dann müsste wieder was Neues passieren.

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