Linke in Bayern:Kapitalfehler

Erst die Affäre um manipulierte Mitgliederzahlen - und nun soll Bayerns Linke auch noch jahrelang im Umgang mit Geld geschlampt haben: Hatten Unbefugte Zugriff auf die Kontodaten der Partei?

Uwe Ritzer

Die E-Mail hatte einen besorgten Unterton. "Ich habe dich leider nicht erreichen können", schrieb der Landesgeschäftsführer der bayerischen Linken, Niels Holger Schmidt, Anfang Juni 2009 an den "lieben M." und forderte ihn auf: "Bitte nehme die Überweisungen an die Kreisverbände von dem Sparkassen-Online-Konto NICHT mehr vor."

Linke in Bayern: Lange Reihe von Schlampereien und Merkwürdigkeiten: Bayerns Linke weisen die neuen Vorwürfe zurück.

Lange Reihe von Schlampereien und Merkwürdigkeiten: Bayerns Linke weisen die neuen Vorwürfe zurück.

(Foto: ddp)

Die Liste mit den streng vertraulichen TAN-Nummern, die man für Online-Überweisungen benötigt, solle M. bitte "zeitnah" der Landesgeschäftsstelle zukommen lassen, ebenso die PIN für das Konto. "Bitte ruf mich mal an", beendete Schmidt die Mail. Offenkundig herrschte reichlich Gesprächsbedarf.

Die Mail deutet auf einen ebenso brisanten wie vermutlich beispiellosen Vorgang hin. Die damalige Landesschatzmeisterin der bayerischen Linken, Gilberte Lebien-Schachner, soll ihrem Bruder, dem lieben M., sämtliche Zugangsdaten für ein Parteikonto des Landesverbands überlassen und ihn sogar mit Überweisungen beauftragt haben. Weil sie selbst in den Urlaub fuhr.

Konnte also ein völlig Unbeteiligter zeitweise ungehindert über die linke Parteikasse verfügen? Lebien-Schachner weist den Vorwurf energisch zurück. "Mein Bruder hatte zu keiner Zeit Zugriff auf Parteikonten", sagt sie. Dummerweise habe sie damals aber "durch einen Bedienungsfehler" die PIN-Nummer für das Konto gesperrt. "Ich habe meinen Bruder M. gebeten, mir die PIN zu entsperren", verteidigt sich Lebien-Schachner.

Nie habe sie ihm aber die sensiblen TAN-Nummern überlassen oder ihn mit Überweisungen beauftragt. "Ich wollte die Überweisungen aus meinem Urlaub heraus machen", sagt sie. Die Mail des Landesgeschäftsführers Schmidt deutet allerdings auf etwas anderes hin. "Er wusste nicht, was er da schreibt", sagt Lebien-Schachner.

Ein Landesgeschäftsführer, der phantasiert? Schmidt urlaubt und ist nicht zu erreichen. Dafür bestätigte der frühere Linken-Landeschef Franc Zega den Vorgang. Ja, der Bruder der Ex-Schatzmeisterin habe zeitweilig über die TAN- und PIN-Nummern und damit einen unerlaubten Zugang zur Parteikasse verfügt, sagte er. "Gilberte Lebien-Schachner hat sich dafür später im Landesvorstand sogar entschuldigt", sagt Zega.

Einen Unberechtigten mit einem Parteikonto hantieren zu lassen, wäre der vorläufige Höhepunkt einer langen Kette von Merkwürdigkeiten und Schlampereien bei den Finanzen der bayerischen Linken. Seit Jahren sind diese Ursache für Grabenkämpfe. Viele Fragen stehen im Raum. Schon bei der Vorgängerpartei PDS hatte es Unregelmäßigkeiten im Umgang mit Spenden gegeben.

"Es hat schwere Verstöße gegen die Finanzordnung gegeben"

Jahrelang stellte sie Quittungen über jeweils etwa 20.000 Euro für angebliche Zuwendungen aus, die in Wirklichkeit auf einem Privatkonto landeten. Nach der Vereinigung der PDS mit der WASG zur Linken fiel deren Landesschatzmeister Karsten Nissen die zweifelhafte Spendenpraxis auf. Als er die Vorgänge anprangerte, wurde er von der Parteispitze heftig bekämpft - und quittierte entnervt den Dienst.

Seriöser wurde das Finanzgebaren der bayerischen Linken auch danach nicht. Im Gegenteil. Ex-Landeschef Zega bestätigte Informationen der Süddeutschen Zeitung, wonach die Partei für 2007 und 2008 nicht über genehmigte Haushaltspläne verfügte. Solche sind vorgeschrieben und hätten vom Parteitagen verabschiedet werden müssen.

Der Etat für 2009 wurde erst im Dezember rückwirkend verabschiedet. Das heißt, dass die Partei seit ihrer Gründung fast drei Jahre lang Geld nur auf Basis von Vorstandsbeschlüssen ausgab, nicht aber im Rahmen der vorgeschriebenen Gesamthaushalte.

Intern führte dies zu Verwerfungen. Einige Kreisverbände kritisierten die Unregelmäßigkeiten bei den Finanzen. Sie bemängelten etwa die Einstellung von Landesgeschäftsführer Schmidt, weil es aus ihrer Sicht für diese Stelle und das damit verbundene Gehalt keinen vom Parteitag bewilligten Etatposten gab.

Ähnlich soll es bei der Einrichtung von Parteibüros gewesen sein. Aus dem Kreisverband Weiden wurde deshalb sogar der Vorwurf der Untreue gegen die Landesspitze laut. Selbst der Landesfinanzkommission der Partei missfiel der allzu lässige Umgang mit dem Geld. Gilberte Lebien-Schachner, als Schatzmeisterin jahrelang verantwortlich für die Parteifinanzen, wollte dazu keine Stellung nehmen. Sie beharrt darauf: Alles sei immer korrekt gelaufen.

Franc Zega zufolge war dem keineswegs so. "Es hat schwere Verstöße gegen die Finanzordnung gegeben", sagt der Ex-Landeschef - und meint damit nicht nur die fehlenden Haushalte für 2007 bis 2009. Der Landesverband sei "mehrfach faktisch pleite gewesen, was die Schatzmeisterin aber verschwiegen hat". Er und andere hätten intern wiederholt eine seriöse Finanzierung angemahnt. "Doch eine Mehrheit im Landesvorstand" aus Vertrauten des jetzigen Parteichefs Klaus Ernst habe dies verhindert.

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