Portugal:Prominente Kinderschänder

Nach einem Marathon-Prozess spricht ein Gericht in Lissabon die Urteile gegen einen Pädophilenring: Bis zu 18 Jahre müssen dessen Mitglieder hinter Gitter - Politiker und Fernsehstars sollen jahrelang in einem Kinderheim missbraucht haben.

Javier Cáceres

Nach fast sechsjähriger Dauer hat der Prozess um einen Pädophilenring portugiesischer Promis aus Politik und Medien, die sich jahrelang und hundertfach an jugendlichen Bewohnern des Kinderheims Casa Pia vergangen hatten, ein vorläufiges Ende gefunden. Ein Richtergremium sah es nach mehr als 460 Verhandlungstagen und fast 1000 Zeugenanhörungen als erwiesen an, dass sich die insgesamt sieben Angeklagten des Kindesmissbrauchs, der Vergewaltigung oder der Kuppelei schuldig gemacht haben.

Portugal: Ort des Leidens für viele Kinder: Das Kinderheim Casa Pia, in dem sich ein Pädophilenring hundertfach an den jugendlichen Bewohnern verging.

Ort des Leidens für viele Kinder: Das Kinderheim Casa Pia, in dem sich ein Pädophilenring hundertfach an den jugendlichen Bewohnern verging.

(Foto: AFP)

Die Richterin Ana Peres hatte sich in Lissabon mit den Parteien am Freitag zwar darauf verständigt, lediglich eine Zusammenfassung des Verdikts vorzutragen. Allerdings dauerte auch dies mehrere Stunden. Das Urteil umfasst in voller Länge mehrere tausend Seiten. Die Strafen, die am Freitag verkündet wurden, liegen zwischen knapp sechs und 18 Jahren.

Dass mit diesem Konvolut ein Schlusspunkt hinter den Mammut-Prozess gesetzt wäre, glaubt in Portugal niemand. Schon jetzt lassen Äußerungen von Anwälten darauf schließen, dass sich die Justiz auf eine Flut von Einsprüchen einstellen kann. "Ich hoffe, dass meine Enkel das letztinstanzliche Urteil erleben", ätzte ein Anwalt vor Verkündung des mehrfach verschobenen Urteils.

Das fünftägige Plädoyer des Staatsanwalts, der Gefängnisstrafen für alle Angeklagten gefordert hatte, wurde bereits Ende November 2009 gehalten. Der Fall Casa Pia erschütterte die portugiesische Gesellschaft im Mark. Nicht nur wegen der Qualen, von denen die 32 Opfer berichteten. Sondern auch, weil sich unter den Beschuldigten der 68-jährige Carlos Cruz befand, der vor der Affäre noch einer der beliebtesten Fernsehmoderatoren des Landes war.

Teure Anwälte zogen den Prozess in die Länge

Cruz, der am Freitag zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde, bestritt wie nahezu alle Mitangeklagten sämtliche Vorwürfe. Nur der frühere Fahrer des Waisenhauses, Carlos Silvino, der als Jugendlicher ebenfalls Casa-Pia-Bewohner war und selbst sexuell misshandelt wurde, gestand. Die Mitangeklagten belastete er schwer. Er erhielt 18 Jahre Haft, die einzige Frau unter den Beschuldigten wurde indes freigesprochen.

In Portugal gilt als ausgemacht, dass der Ring weit mehr Personen umfasste. Im Laufe der Jahre fielen Namen von Ex-Ministern, anderen Politikern und weiteren TV-Stars. Doch nicht nur das sorgte in Portugal für das Gefühl, dass vor dem Gesetz manche eben doch gleicher sind als andere. Schließlich griffen die meisten Angeklagten auf die besten und teuersten Anwälte des Landes zurück, die dann den Prozess geschickt in die Länge zogen.

Umgekehrt klagten die Beschuldigten über Indiskretionen und Vorverurteilungen. Auf der Strecke blieb das karge Restvertrauen in Portugals Justiz. Die Opfer fürchten längst, dass der Fall Casa Pia dasselbe Schicksal erleidet wie so viele Rechtsfälle im Land - und unter einer dicken Schicht aus Staub verschwindet.

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