Max von Thun:Ernste Absichten

Max von Thun will weg von seinem Image als Frauenheld und MTV-Rabauke - und versucht sich an düsterem Stoff. Dafür hungert er sogar.

Christian Mayer

So einer fällt auf, der kann sich schwer verstecken bei seiner Größe, und mit Spitzbärtchen und Schiebermütze sieht er aus ein Münchner Vorstadt-Stenz der angenehmen Sorte, ein wenig verwuschelt. Auftritt Max von Thun im Café Forum im Gärtnerplatzviertel, dem bevorzugten Quartier der Kreativen und Kunstsinnigen, wo man unbedingt mit dem Fahrrad zur Verabredung kommen muss, weil Autofahren (genauso wie Fernsehen) total out ist.

Fototermin zum Film 'In der Welt habt ihr Angst'

In "In der Welt habt ihr Angst" spielt Max von Thun einen Junkie. Mit der Rolle will der einstige MTV-Rabauke neues Format beweisen. 

(Foto: ddp)

Seine auffallend gute Laune muss echt sein: Die bayerische Kraftnatur Marcus H. Rosenmüller (Wer früher stirbt, ist länger tot) hat ihn für seinen neuen Historienfilm gebucht, die Dreharbeiten beginnen in wenigen Tagen, "eine Traumrolle", wie der Schauspieler gleich begeistert erzählt. Der schöne Max in der Rolle des genialischen Theatermachers und Mozart-Librettisten Emanuel Schikaneder - passt das?

Ganz gewiss wird er im Künstlerkostüm eine gute Figur machen, aber das ist nicht der Grund, warum Rosenmüller bei der Besetzung auf ihn gekommen ist. Maximilian Romedio Johann-Ernst Graf von Thun und Hohenstein, so lautet sein vollständiger Adelsname, ist in den vergangenen Jahren gereift, nahezu erwachsen geworden. Der Sohn des österreichischen Schauspielers Friedrich von Thun ist mit 33 Jahren längst nicht mehr der MTV-Rabauke und Mädchenfilm-Schwarm früherer Jahre, auch nicht der Nebenrollen-Schönling vom Dienst, der Konfektionsware mit seiner TV-Präsenz belebt.

Amüsante Karriere-Spießer

An diesem Montagabend ist Max von Thun im ZDF-Fernsehfilm Trau niemals Deinem Chef zu sehen, er spielt neben Ulrich Noethen die zweite Hauptrolle: einen arroganten Aufsteiger, der neu in die Firma kommt und auf einmal Chef sein muss, obwohl er vorher eigentlich nur mit Spritzpistolen gehandelt hat. Keine allzu bedeutende Fernsehkomödie mit einem vorhersehbaren Plot, aber irgendwie gelingt es Thun und Noethen doch, diese Farce aus dem deutschen Karrierespießer-Milieu so amüsant wie möglich zu gestalten.

"Momentan läuft's einfach gut, das ist ein glücklicher Umstand - aber ich weiß: Schon im nächsten Jahr kann es zu Ende sein", sagt er und wendet sich wieder seinem Earl-Grey-Tee zu. Die Partys hat er abgeschrieben, dafür kocht er jetzt lieber zu Hause für Freunde, "Poulet au Max" heißt seine Lieblingsgericht: karamellisierte Hühnerbrust in orangener Chilisoße. Das schmecke besser als die Häppchen auf Promifeiern, zu denen ihn früher öfter "der leere Kühlschrank" getrieben habe.

Im nächsten März kommt ein weiterer Film mit ihm ins Kino: Ein Junkie-Drama mit dem Titel In der Welt habt ihr Angst. Hans W. Geißendörfer hat das Buch geschrieben, produziert und Regie geführt, Max von Thun und Anna Maria Mühe spielen ein Pärchen, das vom Stoff nicht loskommt. "Es war großartig, so auf hässlich geschminkt zu sein, mit gelben Zähnen und hohlen Wangen", sagt Thun über die Dreharbeiten. Die komplette Verwandlung, die Entstellung habe ihn gereizt.

Überraschender Tiefgang

Wenn man sich mit dem Filmemacher Hans Geißendörfer unterhält, erfährt man erstaunliche Dinge über den vermeintlichen Fernseh-Leichtfuß. Geißendörfer hatte vor der Besetzung für seinen Sucht-Film nur so ein vages Gefühl. "Die meisten Schauspieler waren einfach zu dick für die Rolle, der Max hatte die ideale Oberfläche, sehr lang, sehr dünn. Das ist für einen Junkie natürlich sehr günstig." Es gab im Team die Sorge, Max von Thun könne doch nicht genügend Tiefgang haben für so eine Hauptrolle, aber dann habe er alle überrascht mit seiner Hingabe.

"Der hat die Bewegungen der Suchtkranken genau studiert. Er war in der Reha-Klinik, hat mit ihnen Schach gespielt und am Ende auch kapiert, wie das wirkt, wenn Menschen die Kontrolle über ihre Motorik verlieren. Wenn sie sich dabei abmühen, einen Teller Suppe entgegenzunehmen." Der Gang, die Schmerzen, die Wut, alles habe gepasst, auch der ausgemergelte Körper, denn bis zum letzten Drehtag habe Thun strenge Diät gehalten: "So was machen sonst nur amerikanische Profis", sagt Geißendörfer. "Ich finde es wunderbar, dass Max seine andere Seite entdeckt."

Thun selbst wirkt sehr zurückhaltend, oft zweifelnd im Gespräch, er will keinen Wind um sich machen, obwohl Bescheidenheit früher nicht gerade seine Stärke war. "Greatest Hits" hieß sein erstes Album als Sänger und Gitarrist, dafür engagierte er gleich ein Dutzend Profimusiker, um auf der Bühne auf Kosten der Plattenfirma ordentlich Party zu machen, um mit dem Publikum zu spielen, was ja noch immer seine Lieblingsbeschäftigung ist, ganz egal, ob Kino oder Fernsehen, Hauptsache, möglichst viele Leute schauen hin. Und gespielt hat er in diesem Jahr schon viele Charaktere: Künstler, Bauunternehmer, Meisterdieb, Marketingmanager, meist mit einem gewissen Schlag bei den Frauen, das nimmt man ihm ab. Das Düstere, Desperate musste er sich dagegen erst erarbeiten.

Der Graf als Kronrpinz

Ein Wendepunkt war wohl die Rolle des österreichischen Kronzprinzen Rudolf, einziger Sohn der berühmten Sissi. Mit dieser Rolle machte der adlige Schauspieler Ende 2006 Schlagzeilen zwischen Wien und Salzburg: Jeder Schritt, jeder melancholische Blick, jede Gefühlsregung war Anlass für Kommentare im ORF-Orbit, die 11-Millionen-Euro-Produktion unter der Regie von Robert Dornhelm bewegte ganz Österreich, aber die Zuschauer waren mit Max von Thuns Darstellung dann doch zufrieden: "Wir hatten 45 Prozent Marktanteil, unfassbar für deutsche Verhältnisse."

In Deutschland schrumpfte der Historien-Zweiteiler zu einer 90-Minuten-Fassung zusammen, weil man den Zuschauern offenbar keinerlei Interesse an den politischen Hintergründen der k.u.k-Monarchie zutraute. Max von Thun ärgert das bis heute sehr: "Die ARD hat das Ding brutal zusammengeschnitten, die haben daraus eine reine Liebesgeschichte gemacht. Ich find' das sehr schade."

jenseits des Bewährten

Der Münchner gehört schon einer Generation an, für die das Fernsehen immer bedeutungsloser wird, weil es die Menschen seiner Altersgruppe nicht mehr anspricht, weil es oft zu belanglos und mutlos ist. Er selbst schaut in seiner Wohnung an der Isar gemeinsam mit seiner Freundin lieber DVDs an: amerikanische Filme, Klassiker, Dokumentationen. Seine Bewunderung gilt Schauspielertypen wie Steve McQueen, Spencer Tracy, George Clooney, oder Regisseuren wie den Coen-Brüdern.

"Dominik Grafs Serie Im Angesicht des Verbrechens über die Berliner Russen-Mafia habe ich mir an zwei Abenden reingezogen, da kann ich nicht warten, bis die nächste Folge läuft." Es ist eine Generation, die sich das Programm nicht mehr vorschreiben lässt, die es aktiv gestaltet - genauso wie der Schauspieler Max von Thun nicht jede Rolle annimmt und Klischees aus dem Weg geht. "Manche Drehbücher kriege ich schon gar nicht mehr zugeschickt, die Produzenten wissen wohl, dass mich die nächstbeste Pilcher-Verfilmung nicht interessiert." So was sagt sich natürlich leicht, wenn gerade die passenden Angebote vorliegen.

Bei seinem Vater hat er erlebt, wie es sein kann, auf ein Rollenmuster festgelegt zu sein. Friedrich von Thun spielt im Fernsehen meist den charmanten Aristokraten, den klugen Professor, manchmal auch den eleganten Altplayboy, so funktioniert Fernsehen eben, es ist die Wiederholung des Bewährten. "Er kriegt nun mal diese Gentleman-Rollen. Dabei lechzt er danach, mal einen Obdachlosen spielen zu dürfen", sagt sein Sohn. Glücklicherweise habe sein Vater lauter Filme gedreht, für die er sich nicht schämen müsse - nicht mal für seine Auftritte als Reporter im Schulmädchenreport.

Siebziger-Jahre-Erotik könne sehr komisch sein, sagt Max von Thun, der seinen Vater gelegentlich mit alten DVDs aus grauer Vorzeit beschenkt, die dieser wiederum mit stoischer Gelassenheit entgegennimmt. Jugendsünden? Nein, dazu sind diese Sex-Klamotten viel zu harmlos, und Friedrich von Thun spielte damals ohnehin nur einen Reporter, der seine Hosen anlassen darf.

Das neckische Spielchen zwischen Vater und Sohn geht vielleicht auch ein wenig darum, wer gerade erfolgreicher ist in diesem unsteten Beruf, in dem nach jedem Erfolg immer gleich die Leere droht, das Warten auf die Rolle, die mehr ist als ein Job. Momentan muss sich zumindest einer von beiden da keine Sorgen machen. Max von Thun beherrscht die Kunst, gelassen zu bleiben, das hat er wohl auch vom Vater, und der Münchner Stenz in ihm weiß genau: Ein bisserl was geht immer.

Trau niemals deinem Chef, ZDF, 20.15 Uhr.

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