Kachelmann-Prozess:Pochermann und die "Lausemädchen"

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Er kam mit Mähne, Unschuldsmiene und den Lausemädchen: Oliver Pocher überrascht zum Prozessauftakt gegen Jörg Kachelmann in einer neuen Paraderolle.

Lena Jakat

Am Morgen des Prozessauftakts gegen Wettermoderator Jörg Kachelmann fährt ein schwarzer Van am Landgericht Mannheim vor, hinter den getönten Scheiben lassen sich die Mähne und das von zahllosen Fotos vertraute blütenweiße Shirt Kachelmanns ausmachen. Doch der Herr, auf den sich die Armee lechzender Fotografen stürzt, der laut Bild.de "minutenlang" die Sicherheitskräfte vor dem Justizgebäude narrt und sogar Zufahrt zur Tiefgarage erhält, ist nicht Jörg Kachelmann. Im Auto sitzt TV-Comedian Oliver Pocher.

Ist er's oder ist er's nicht? Beim zweiten Hinschauen wird klar: Nach dem Joker, Tom Cruise und Oliver Kahn hat sich TV-Comedian Pocher etwas Neues einfallen lassen und ist als der Angeklagte höchstselbst zum Kachelmann-Prozess erschienen. (Foto: Reuters)

Der falsche Kachelmann ließ in Mannheim die Scheibe auf der Beifahrerseite herunter und rief: "Ich bin unschuldig." Dass mit ihm irgendetwas nicht stimmte, dürfte allerdings auch der verschlafenste Reporter an diesem Montagmorgen bemerkt haben. Spätestens, als Pocher in seiner Kachelmann-Camouflage den Wagen verließ, um eine Erklärung zu verlesen.

Der Sat-1-Spaßmacher rezitierte zuerst eine Danksagung an eine Firma namens "Logimaster". Sie habe während seiner Untersuchungshaft die Koordination, Abwicklung und Betreuung der "Lausemädchen" übernommen, zitiert die Online-Ausgabe der Bild-Zeitung Pochers Parodie. Wie man sehe, hätten sich die "Wogen" inzwischen geglättet, so der falsche Kachelmann weiter. Man suche eine 14- bis 20-Zimmer-Immobilie im Raum Frankfurt.

Die "Lausemädchen" hatte Pocher auch gleich mitgebracht: Eine Handvoll junger Frauen begleiteten den falschen Kachelmann. Sie trugen den Kosenamen, mit dem der echte Kachelmann eine seiner Geliebten laut Bunte einst bedacht haben soll, auf weißen T-Shirts unter roten Herzchen. Zudem waren die Uniformen der Statistinnen ordentlich durchnummeriert.

Während Pochers Herzdamen vor dem Gerichtsgebäude mit einem breiten Lächeln posierten, ist dieses den echten "Lausemädchen" wohl längst vergangen. Die eigenwillige Berichterstattung um das mutmaßliche Kachelmann-Opfer Sabine W. griff Alice Schwarzer am Montag in der ersten Folge ihrer Prozessberichterstattung in der Bild-Zeitung auf.

Die Emma-Chefredakteurin ist eine, die Kachelmann "immer gut leiden" konnte und sich auch deshalb an der Schlammschlacht um seinen Prozess stößt. "So ein Klima", schreibt Schwarzer auf der Kachelmann-Sonderseite, "kann nur entstehen, wenn ein Mensch öffentlich degradiert und für vogelfrei erklärt wird." Um ihrerseits für eine sachliche Berichterstattung aus dem Gerichtssaal zu sorgen, hat die Journalistin die Bild-Zeitung zum Organ der Wahl erkoren. Mindestens einmal pro Woche soll sie dort aus Mannheim berichten.

Derweil saß am ersten Prozesstag vor Ort eine Spitze des Kachelmann-Doubles Pocher viel besser, als er sich das beim Zurechtlegen seiner "Lausemächden"-Rede wohl hätte vorstellen können: "Wie ich erfahren habe, befindet sich unter den Richtern auch eine Frau", ließ er Schaulustige und Journalisten wissen. "Da möchte ich dringend um Austausch durch einen Mann bitten, damit das ganze hier nicht zur Hexenjagd ausartet."

Tatsächlich wurde der Prozess nach nur wenigen Minuten vertagt. Allerdings nicht aus Geschlechtergründen - sondern weil zwei der vorsitzenden Richter befangen sein sollen.

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