Höhere Lasten für Atomkonzerne:Eine rätselhafte Vereinbarung

Hat sich die Bundesregierung von der Atombranche bei den Verhandlungen zur Laufzeitverlängerung über den Tisch ziehen lassen? Ein Papier entlastet Berlin zumindest teilweise von diesem Vorwurf.

Claus Hulverscheidt und Michael Bauchmüller

Der Atomkompromiss der schwarz-gelben Koalition wird die Betreiber der 17 deutschen Kernkraftwerke womöglich teurer zu stehen kommen als bisher gedacht. Das ergibt sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung aus einer schriftlichen Vereinbarung, die die Bundesregierung mit den Konzernen geschlossen hat. Demnach erhöht sich bei steigenden Firmengewinnen auch der sogenannte Förderbeitrag, den die AKW-Betreiber ab 2017 an den Staat zahlen müssen. Mit dem Geld will der Bund einen Fonds zur Förderung erneuerbarer Energien und zur Verbesserung der Energieeffizienz aufbauen.

BUND fordert festhalten am Atomausstieg

Vertreter der Bundesregierung hatten die Belastung der Konzerne durch den neuen Energiefonds zuletzt stets auf neun Euro pro Megawattstunde beziffert. Aus der Vereinbarung der Regierung mit der Atomwirtschaft geht jedoch hervor, dass die "freiwilligen" Beitragszahlungen der Konzerne sowohl an die Inflationsrate als auch an die Entwicklung des Strompreises gekoppelt werden.

(Foto: ddp)

Das Eckpunktepapier für einen künftigen Vertrag zwischen Staat und Atombranche, das fünf Seiten umfasst, wird bislang unter Verschluss gehalten. Dabei entlastet es die Regierung zumindest teilweise von dem Vorwurf, sie habe sich in der Frage, welchen Teil der zusätzlichen Laufzeitgewinne die Konzerne an den Staat abführen müssen, von der Branche "über den Tisch ziehen lassen".

Kopplung an Inflationsrate und Strompreis

So hatte etwa das Berliner Öko-Institut moniert, dass die Kraftwerksbetreiber Eon, RWE, EnBW und Vattenfall unabhängig von der Entwicklung des Strompreises den Festbetrag von neun Euro pro Megawattstunde Atomstrom in den Energiefonds des Bundes einzahlen müssten. Bleibe der Strompreis über Jahrzehnte konstant, ergebe sich daraus eine Gewinnabschöpfungsquote von etwa 46 Prozent. Schon im Falle eines moderaten Preisanstiegs sinke dieser Wert jedoch auf 28 Prozent. Dies stehe in krassem Widerspruch zu dem Versprechen von Union und FDP, mindestens die Hälfte der Zusatzgewinne einzusammeln, die sich aus der Laufzeitverlängerung um durchschnittlich zwölf Jahre ergeben.

Tatsächlich hatten Vertreter der Bundesregierung die Belastung der Konzerne durch den neuen Energiefonds in den vergangenen Tagen stets auf jene neun Euro pro Megawattstunde beziffert. Aus der Vereinbarung der Regierung mit der Atomwirtschaft geht jedoch hervor, dass die "freiwilligen" Beitragszahlungen der Konzerne sowohl an die Inflationsrate als auch an die Entwicklung des Strompreises gekoppelt werden.

Steigt dieser Preis über einen bestimmten Wert, wird auch der Förderbeitrag angehoben. Umgekehrt könnte sich der Beitrag bei einem sinkenden Strompreis auch verringern, allerdings sind hier die Voraussetzungen rigider. Der Mechanismus soll gewährleisten, dass sich die Gewinnabschöpfungsquote über die Jahre nicht wesentlich verändert. Sie liegt nach Aussagen von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) klar über 50 Prozent. Einige Jahre nach Inkrafttreten des Vertrags zwischen Regierung und Atomfirmen soll überprüft werden, ob der Mechanismus funktioniert.

In dem Eckpunktepapier wird zudem festgeschrieben, dass die Konzerne für die Zeit bis Anfang 2017 eine Vorauszahlung an den Energiefonds von insgesamt 1,4 Milliarden Euro leisten: jeweils 300 Millionen Euro 2011 und 2012 sowie je 200 Millionen Euro in den Jahren 2013 bis 2016. Der Bund rechnet diese Vorausleistung auf künftige Beitragszahlungen der Betriebe an, muss sie dafür aber nicht zurückzahlen, wenn die nächste Regierung die Laufzeitverlängerung wieder zurücknehmen sollte. SPD und Grüne hatten damit bereits gedroht.

Weiter offen blieb am Mittwoch, warum die Regierung die Vereinbarung mit den Unternehmen bislang geheim gehalten hat. Der Verdacht, die Koalition habe sich nicht der Kungelei mit den Atomkonzernen verdächtig machen wollen, wurde in Regierungskreisen jedenfalls zurückgewiesen. "Es war doch immer klar, dass ein so komplexer Sachverhalt nicht auf Zuruf geregelt werden kann, sondern schriftlich fixiert werden muss", hieß es. "Alles andere wäre doch absurd."

Im Übrigen handele es sich noch nicht um das endgültige Vertragswerk, sondern lediglich um eine Art Vorvereinbarung mit den Kernkraft-Betreibern. Die Bundesregierung hatte die Vereinbarung noch in der Nacht zu Montag mit den Unternehmen ausgehandelt, also kurz nach der koalitionsinternen Einigung auf längere Atomlaufzeiten. Gegen halb sechs am Montagmorgen war das Papier unterzeichnet worden.

Die Opposition kritisierte die Geheimhaltung scharf. In einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte die SPD-Fraktion am Mittwoch die sofortige Offenlegung der Vereinbarung. "Wir alle haben ein Recht darauf zu erfahren, wie und wie stark die vier großen Energiekonzerne Einfluss auf die Atomverhandlungen in Regierung und Opposition nehmen konnten", schrieb der geschäftsführende Fraktionschef Joachim Poß an die Kanzlerin. Auch die Grünen protestierten. "Wir fragen uns, was die Öffentlichkeit da nicht mitbekommen soll", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Bärbel Höhn: "Das ganze riecht unangenehm nach Kungelei."

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