Steinbach vs. Merkel:... und dann die Polen und der Zweite Weltkrieg

Während Kanzlerin Merkel ihre Kritik bekräftigt, verteidigt Vertriebenen-Präsidentin Steinbach Bundesbanker Sarrazin - und äußert sich zum Kriegsbeginn.

S. Braun und N. Fried

Die Thesen von Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin zur Migrationspolitik haben im Vorstand der Unionsfraktion zu einem heftigen Konflikt zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, geführt. Merkel verteidigte in der Sitzung ihre öffentliche Kritik an Sarrazin. Sie hätten besonders die Vererbungstheorien Sarrazins geärgert, sagte die Kanzlerin. "Da war's bei mir vorbei. Schluss, Aus, Ende", wurde Merkel zitiert.

Federation Of German Expellees Annual Reception

Erika Steinbach legte sich erst mit Bundeskanzlerin Angela Merkel an, dann mit Kulturstaatsminister Bernd Neumann.

(Foto: Getty Images)

Steinbach forderte nach Teilnehmerangaben, man müsse Sarrazin in Schutz nehmen. Mahner wie er seien schon in der Vergangenheit zu Unrecht öffentlich verurteilt worden und "auf dem Scheiterhaufen" gelandet, wurde Steinbach zitiert. Die genetische Debatte sei ihr egal, man dürfe Sarrazin nicht alleinelassen.

Auseinandersetzung mit dem Kulturstaatsminister

Steinbach lieferte sich anschließend nach Angaben von Teilnehmern auch eine Auseinandersetzung mit Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Dabei sei es um die jüngsten Querelen im Stiftungsrat der Vertriebenenstiftung gegangen. Der Zentralrat der Juden hatte jüngst seine Mitarbeit wegen zwei Vertretern der Vertriebenen ausgesetzt. Dabei handelt es sich um Arnold Tölg und Hartmut Saenger. Tölg werden kritische Äußerungen zur Zwangsarbeiter-Entschädigung zugeschrieben. Saenger, Präsidiumsmitglied im Bund der Vertriebenen, hatte 2009 geschrieben, vor dem Zweiten Weltkrieg hätten die Großmächte eine besonders große Bereitschaft zum Krieg gezeigt. "Besonders kriegerisch" habe sich Polen aufgeführt.

Steinbach sagte dem Vernehmen nach, Tölg und Sänger seien CDU-Mitglieder, deshalb habe man die Pflicht, sich ohne Wenn und Aber hinter sie zu stellen. Neumann antwortete darauf nach Teilnehmerangaben, es sei seit Konrad Adenauer Staatsräson, den verbrecherischen Angriffskrieg Hitlers und Hitler-Deutschlands nicht in Frage zu stellen. Dies sei auch die Grundlage der demokratischen Politik in Nachkriegs-Deutschland. Äußerungen, Nazi-Deutschland sei von England in den Krieg getrieben und von Polen provoziert worden, seien unter gar keinen Umständen zu akzeptieren.

Neumann habe für diese klare Position starken Applaus erhalten, für Steinbach habe sich keine Hand gerührt, hieß es. Steinbach soll in den Applaus für Neumann hinein noch einmal einen Satz zur Verteidigung Saengers gerufen haben. Nach Angaben von mehreren Teilnehmern soll sie gesagt haben, es stimme doch, dass Polen damals mobil gemacht habe. Fraktionschef Volker Kauder unterband später eine weitere Debatte. Er sei selbst Kind von Vertriebenen und habe das Leid erlebt, wurde er zitiert. Den Polen eine Mitverantwortung am Zweiten Weltkrieg zu geben, gehe jedoch definitiv zu weit.

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