Formel 1:Teamorder-Verbot wankt

Der Fia-Weltrat zieht Ferrari wegen Anweisungen an Fahrer in Hockenheim keine Punkte ab und deutet damit einen Richtungswechsel an. Die entsprechende Regel soll wohl abgeschafft werden.

René Hofmann

Die Ferrari-Stallorder beim Großen Preis von Deutschland am 25. Juli dieses Jahres auf dem Hockenheimring bleibt, bis auf die bereits ausgesprochene Buße von 100.000 Dollar, folgenlos. Angelo Sticchi Damiani, der Präsident des italienischen Motorsport-Verbandes, sagte nach einer Sitzung des World Motor Sport Councils des Automobilweltverbandes Fia am Mittwochnachmittag in Paris: Das Gremium habe einstimmig beschlossen, keine weitere Strafe zu verhängen. Ferrari bestätigte den Freispruch am Abend und kündigte an: "Alle Anstrengungen des Teams konzentrieren sich nun auf die nächste Veranstaltung, den Grand Prix, der an diesem Wochenende in Monza stattfindet."

F1 Grand Prix of Germany

Sieg ohne Reue: Felipe Massa (links) musste Fernando Alonso den Vortritt lassen. Bestraft wurde das Team nicht.

(Foto: Getty Images)

Das italienische Team hatte den Ausgang des elften der 19. WM-Läufe in diesem Jahr über Funk-Anweisungen so gestaltet, wie es ihm am günstigsten erschien: Der Spanier Fernando Alonso, der vor dem Rennen mit 98 Punkten in der WM-Wertung auf Rang fünf lag, hatte das Rennen gewonnen. Sein Teamkollege, der Brasilianer Felipe Massa, der zuvor lediglich 67 Punkte gesammelt hatte, war Zweiter geworden. In der 49. Runde hatte Massa Alonso freiwillig passieren lassen. Kurz darauf hatte Renningenieur Rob Smedley Massa am Funk gesagt: "Guter Junge. Mach jetzt einfach weiter. Tut mir leid."

Eine derartige Teamorder ist seit dem Jahr 2002 untersagt. Alonso hatte das Rennen nach 67 Runden mit mehr als vier Sekunden Vorsprung vor Massa gewonnen und den Rückstand auf Lewis Hamilton, damals Führender der Fahrerwertung, von 47 auf 34 Punkte verkürzt. Die Rennkommissare des Automobilweltverbandes Fia hatten noch an der Strecke einen Verstoß gegen Artikel 39.1 des sportlichen Reglements erkannt und die höchstmögliche Strafe verhängt, die sie aussprechen konnten: umgerechnet 77.500 Euro. Außerdem hatten sie den Fall an den Fia-Weltrat verwiesen.

Dessen Entscheidung von diesem Mittwoch deutet einen Richtungswechsel an. In der Begründung der Entscheidung heißt es: Das Gremium habe festgestellt, dass Artikel 39.1, in dem das Verbot der Teamorder festgeschrieben ist, "überprüft werden soll". Mit dieser Überprüfung wurde die Sporting Working Group beauftragt, in der alle maßgeblichen Kräfte des Sports vertreten sind. Im Klartext heißt das: Die Regel soll abgeschafft oder zumindest deutlich aufgeweicht werden. Ferrari begrüßt das.

Die Neuausrichtung dürfte mit dem Führungswechsel in der Fia zusammenhängen. Der einstige Präsident Max Mosley, unter dem das Stallorder-Verbot eingeführt worden war, hatte sich vor der Verhandlung am Mittwoch für drastische Sanktionen ausgesprochen. Seit Oktober 2009 wird der Verband aber vom Franzosen Jean Todt geführt, der als Teamchef bei Ferrari einst selbst mehrfach Stallorder anwies. Der 64-Jährige legt allerdings wert auf die Feststellung, dass er im März dieses Jahres ein neues, transparenteres Disziplinar-Verfahren in der Fia eingeführt habe. An der Sitzung am Mittwoch in Paris nahm Todt nicht teil. Sein Vize-Präsident Graham Stoker hatte den Vorsitz.

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