Die großen Erbfälle:Millionenschwerer Tier-Professor

Nicht nur für die Tiere, auch für sich selbst trieb er viel Geld ein: Mit seinen Naturfilmen häufte der Zoodirektor Bernhard Grzimek Millionen an. Der Kampf um sein Erbe zerrüttete die ganze Familie.

Helga Einecke

Die Nummer mit den zehn sibirischen Tigern lockte im Frühjahr 1987 einen prominenten Gast in den Zirkus Althoff in Frankfurt. Der frühere Zoodirektor der Stadt, Professor Bernhard Grzimek, 77, sah von der Loge aus zu - plötzlich sackte er zur Seite.

Der Tierschuetzer Bernhard Grzimek

Bernhard Grzimek sammelte Millionen für den Tierschutz ein - doch auch er selbst war nicht arm.

(Foto: ddp)

Sein schneller Tod im Angesicht der Raubtiere hätte ihm wohl gefallen. Tiere waren sein Leben. Über Jahre hatte er als der nette "Tieronkel" im Fernsehen mit näselnder Stimme dem Publikum exotische und heimische Tiere ins Wohnzimmer gebracht. Und seine mit Sohn Michael gedrehten Filme "Serengeti darf nicht sterben" und "Kein Platz für wilde Tiere" sind Klassiker unter den Naturfilmen. Die Nation würdigte den Verstorbenen, der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker sprach von einem "unschätzbaren Beitrag zur Wahrung der Schöpfung".

Bernhard Grzimek war seiner Zeit voraus. Mitten in der Wirtschaftswunderzeit sprach er von der Zerstörung der Erde als Preis des ausufernden Wirtschaftens. Er vermarktete seine Ansichten populär im damals neuen Medium Fernsehen. Zugleich trieb er für die Sache und sich selbst Millionen ein. "Er war ein begnadeter Spenden-Beschaffer", hieß es später. Wie viel der umtriebige gelernte Tierarzt wirklich einnahm, ist schwer zu schätzen. Aber sein finanzielles Erbe war so stattlich, dass seine Familie 14 Jahre lang darum vor Gericht kämpfte.

Ex-Frau, Schwiegertochter, ein Sohn, zwei Enkel und zwei Adoptivkinder

Dieser Streit war kompliziert, weil sich der Professor verzwickte Familienverhältnisse leistete. Er verließ nach 42 Jahren seine Frau Hildegard, zog zu seiner erheblich jüngeren Schwiegertochter Erika. Nach der Scheidung heiratete er Erika, die Witwe seines Sohnes Michael, der 1959 in Afrika mit seinem Flugzeug abgestürzt war. Seine beiden Enkel Stephan und Christian zog er wie seine Kinder auf und betrieb zu Lebzeiten ihre Adoption. Sein Sohn Rochus aus erster Ehe, ein Computerfachmann, stand ihm nicht so nahe wie seine zweite Familie. Außerdem gab es noch zwei uneheliche Kinder sowie einen Adoptivsohn.

Am Landgericht Frankfurt kann man sich heute kaum noch an den Prozess erinnern, den Rochus Grzimek 1988 gegen die zweifache Witwe Erika anstrengte. Der Sohn fühlte sich wohl von der zweiten Frau seines Vaters bewusst über das wahre Ausmaß des Erbes getäuscht. Magazine wie Quick und Stern titelten: "Wo hat Grzimek seine Millionen her?" Rochus machte ein Erbe von 27 Millionen Mark geltend, das durch die Vermarktung von Büchern, Filmen und Fotos sowie eine geschickte Geldanlage angefallen sei, die Witwe soll einmal von zwölf Millionen Mark gesprochen haben.

In den Archiven lagert noch das Teilurteil des Landgerichts aus dem Jahr 1989 mit dem Aktenzeichen 2/260346/88. Darin wurde Erika Grzimek als Alleinerbin anerkannt, musste aber ihrem Stiefsohn über den Bestand des Nachlasses und alle Schenkungen seit dem Jahr 1977 Auskunft geben. Brisant an der Geschichte war, dass Grzimek sehr wohl ein Testament verfasst hatte und zwar nach seiner Heirat mit Erika.

In der Schweiz tauchen plötzlich Gold, Münzen und Aktien auf

Damit glaubte er wohl, sein Erbe gerecht zu verteilen. Er hinterließ der Witwe Eigentumswohnungen, Grundstücke, Guthaben, Wertpapiere sowie die Rechte an seinen Schriften, Bildern und Filmen. Die Kinder sollten je eine Eigentumswohnung, zwei Häuser sowie 350.000 Mark in bar bekommen. Auch seine beiden Enkel Stephan und Christian, deren Adoption erst nach seinem Tod rechtswirksam wurde, wurden bedacht. "Alles, was ich versehentlich übersehen habe und bis zu meinem Lebensende dazukommt, wende ich meiner Ehefrau zu", schloss er kryptisch.

Die Anwälte von Rochus und Erika Grzimek zogen vor Gericht alle Register. Die Witwe musste einräumen, Bargeld und eine Eigentumswohnung im noblen Taunusort Kronberg als Geschenk erhalten zu haben. Zum Nachlass zählten Immobilien in Kenia, Tansania und Kanada, ein Grundstück in Lugano, ein Weingut in Bad Kreuznach und ein Arabergestüt bei Schweinfurt. Im Banksafe in der Schweiz kamen 17 Kilo Gold, Münzen und Aktien zum Vorschein. Eine Beteiligung an der Wohnungsbaugesellschaft Neue Heimat war auch im Portfolio. Der Anwalt der Witwe monierte, jedes Reiseandenken hätte aufgelistet werden müssen, alte Häuser würden zu Villen hochstilisiert und schlichte Holzmöbel zu Antiquitäten gemacht. Sogar eine Rolex, ein Geschenk des WWF, und der verschrottete Familien-BMW wurden gerichtsbekannt.

Der offen ausgetragene Streit rief die Steuerbehörden auf den Plan. Sie hatten schon zu Grzimeks Lebzeiten versucht, Licht in die weltweit verstreuten Liegenschaften und Beteiligungen des Zoodirektors zu bringen. Allerdings sind Steuerdelikte nach zehn Jahren verjährt, was bei der Länge des Prozesses relevant war. Zumindest vermutete der Anwalt des Klägers eine mutwillige Verschleppung, um den Fiskus zu prellen.

Erst einige Jahre nach dem Tod von Grzimek wurde die Adoption seiner beiden Enkel rechtskräftig. Das war eine schlechte Nachricht für deren Onkel Rochus, denn sein Pflichtteil am Erbe halbierte sich dadurch. Also teilte er auch seine Forderung auf 1,5 Millionen Mark. Der Anwalt der Witwe konterte kühl: "Wir haben seinen Anspruch auf 90771,05 Mark ausgerechnet und Schadenersatzforderungen gegen ihn. Das gleicht sich dann aus", sagte er im Januar 1997.

Damit bestanden noch immer tiefe Meinungsverschiedenheiten über die Bewertung der Hinterlassenschaft. Neue Sachverständige sollten die Immobilien sowie die Buch- und Filmrechte taxieren. Es ging um die Immobilien in Afrika, der Schweiz und das Weingut. Erst 2001 einigten sich die Erben in einem außergerichtlichen Vergleich, behielten aber die Details für sich.

Grzimeks Lieblingsenkel Christian, der seinen Großvater in den letzten Lebensjahren auf strapaziösen Reisen begleitet hatte, will heute nicht mehr über den Erbstreit reden. Am Telefon sagt er: "Davon will doch kein Mensch mehr etwas wissen." Ohnehin habe er den Streit nicht angefangen. Er betreibt die Bildagentur Okapia in Frankfurt, fühlt sich eher der Fotografie verpflichtet - aber auch der Frankfurter Zoogesellschaft.

Bernhard Grzimek - noch immer populär

Dagmar Andres-Brümmer spricht mit Respekt über Professor Grzimek. Sie arbeitete für die Zoologische Gesellschaft Frankfurt, die weltweit Projekte für den Schutz von Natur und Tieren betreibt und von Grzimek gegründet wurde. "Er war der Übervater, ein schillernder Medienstar, mein Idol", erzählt die Biologin.

Seine Popularität bringt der Gesellschaft noch heute Millionenspenden aus Erbschaften ein, damit lassen sich Naturprojekte in aller Welt finanzieren. Für sein Vermächtnis ist Andres-Brümmer dankbar. Sie bewundert Grzimeks Gespür dafür, in der bedrohten Natur selbst eine Infrastruktur aufzubauen, um die Nähe zur Basis zu suchen. Ländern wie Tansania oder Ecuador habe er gesagt: "Die Serengeti und Galapagos sind eure Kronjuwelen." Heute präsentieren beide Nationen ihre Naturreservate und leben auch vom Tourismus.

Auch der Frankfurter Zoo hat seinen Förderer neu entdeckt. Die Straße am Tiergelände wurde nach ihm benannt, es gibt ein Grzimek-Camp. Zum 100. Geburtstag des Tier-Professors erschien eine Sonderbriefmarke, man flog mit einer nachgebauten Original-Maschine in die Serengeti und feierte. "Der ganze Clan war da", erzählt Andres-Brümmer.

Das klingt nach einem versöhnlichen Ausklang eines Familiendramas. Claudia Sewig kommt in ihrem Buch "Der Mann, der die Tiere liebte" zu einem anderen Schluss: Der Erbstreit endete mit der Zerrüttung der Familie, schreibt sie.

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