Innere Sicherheit - Hannover:Verfassungsschutz: Grenzen im rechten Spektrum schwinden

Hannover (dpa/lni) - Die Trennlinien zwischen Rechtsextremisten und rechten Populisten verschwimmen nach Erkenntnissen der niedersächsischen Sicherheitsbehörden zunehmend. "Die Entgrenzung zwischen Extremismus und Populismus gerade auf der rechten Seite des Zentrums hat deutlich zugenommen", sagte Innenminister Boris Pistorius (SPD) am Mittwoch. Er stellte in Hannover den Jahresbericht des Verfassungsschutzes vor.

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Hannover (dpa/lni) - Die Trennlinien zwischen Rechtsextremisten und rechten Populisten verschwimmen nach Erkenntnissen der niedersächsischen Sicherheitsbehörden zunehmend. "Die Entgrenzung zwischen Extremismus und Populismus gerade auf der rechten Seite des Zentrums hat deutlich zugenommen", sagte Innenminister Boris Pistorius (SPD) am Mittwoch. Er stellte in Hannover den Jahresbericht des Verfassungsschutzes vor.

Die schwindende Abgrenzung lasse sich auch an der Sprache festmachen, sagte Pistorius. Noch vor fünf Jahren sei es nicht denkbar gewesen, dass Begriffe wie "völkisch" oder "Bevölkerungsaustausch" gebraucht werden. Heute gehörten sie zur öffentlichen Diskussion bestimmter Gruppen. Dies bedeute, dass Teile des Rechtsextremismus in die gesellschaftliche Mitte vordringen. Für das Grundgesetz sei dies eine ernste Gefahr, weil die Grundrechte für bestimmte Gruppen infrage gestellt würden.

"Die rechtsextremistische Szene befindet sich im Wandel, die unterschiedlichen Strömungen vermischen sich aktionsbezogen", sagte Verfassungsschutzchef Bernhard Witthaut. Als Beispiel nannte er die ausländerfeindlichen und rechten Krawalle in Chemnitz im vergangenen Herbst nach dem gewaltsamen Tod eines Deutschen, für den zwei Flüchtlinge verantwortlich sein sollen.

Die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) ist in Fraktionsstärke im niedersächsischen Landtag vertreten. Die Partei wird nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Nach Einschätzung von Witthauts Behörde umfasste die rechtsextremistische Szene in Niedersachsen im vergangenen Jahr 1170 Menschen. Im Jahr davor waren es rund 1250. Die Zahl der Mitglieder der NPD sei im gleichen Zeitraum von 300 auf 250 zurückgegangen. Die Identitäre Bewegung hat nach wie vor 50 Mitglieder. Die AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA), die in Niedersachsen seit September 2018 vom Verfassungsschutz beobachtet wurde, umfasste demnach zum Zeitpunkt ihrer offiziellen Auflösung im November 25 Mitglieder.

Die Zahl der Reichsbürger in Niedersachsen schätzt die Behörde auf nach wie vor 1400, darunter 60 Rechtsextremisten. "Reichsbürger" erkennen die Bundesrepublik und ihre Organe nicht an. Vielfach weigern sie sich auch, von Gerichten verhängte Geldstrafen zu zahlen.

Leicht gestiegen ist die Zahl der Autonomen und gewaltbereiten Linksextremisten: von 640 auf 700 Personen. "Die autonome Szene orientiert sich zu einem erheblichen Teil an aktuellen politischen Problemfeldern", sagte Witthaut. So mischten sich Linksextremisten unter die Schülerproteste der Klimaschutz-Bewegung "Fridays for Future". Auch hier sei das Ziel, in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen.

Die islamistische Szene ist nicht mehr so stark gewachsen wie in den Vorjahren. Im vergangenen Jahr zählten die Verfassungsschützer 880 Salafisten und 650 Personen, die anderen islamistischen Gruppen zugerechnet werden. "Der islamistische Terrorismus bleibt die größte Bedrohung für die innere Sicherheit", sagte Witthaut.

Gebietsverluste in Syrien und im Irak setzten die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) unter Druck, mit Anschlägen neue Schlagzeilen zu produzieren. Aktuell gebe es zwar keine konkreten Hinweise, aber es bestehe weiterhin hohe Anschlagsgefahr. Salafistenprediger hätten an Bedeutung verloren. Die Szene verhalte sich zunehmend konspirativ und verlagere ihre Aktivitäten in kleine, abgeschottete Kreise.

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