Unfälle - Balderschwang:Psychologe: Großes Leid muss nicht krank machen

München/Balderschang (dpa/lby) - Kinder brauchen nach einem fürchterlichen Ereignis wie dem tödlichen Traktorunfall in Balderschwang in erster Linie haltgebende Eltern, damit ihre Seele nicht dauerhaft Schaden nimmt. "Bei jüngeren Kindern ist die Kompetenz der Großen, an denen sich das Kind orientiert, entscheidend dafür, ob sich eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt oder nicht", betonte der Psychologe Simon Finkeldei von der Aetas-Kinderstiftung in München. Und: "Es hängt sehr davon ab, wie es in den nächsten vier, fünf Wochen weitergeht."

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München/Balderschang (dpa/lby) - Kinder brauchen nach einem fürchterlichen Ereignis wie dem tödlichen Traktorunfall in Balderschwang in erster Linie haltgebende Eltern, damit ihre Seele nicht dauerhaft Schaden nimmt. "Bei jüngeren Kindern ist die Kompetenz der Großen, an denen sich das Kind orientiert, entscheidend dafür, ob sich eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt oder nicht", betonte der Psychologe Simon Finkeldei von der Aetas-Kinderstiftung in München. Und: "Es hängt sehr davon ab, wie es in den nächsten vier, fünf Wochen weitergeht."

Bei dem Unfall vom Wochenende hatte ein 13-Jähriger drei Freunde im Frontcontainer eines Traktors umhergefahren, als ein 10 Jahre alter Junge und ein 13 Jahre altes Mädchen herausgeschleudert und überrollt wurden. Eine 12-Jährige blieb körperlich unverletzt, wurde aber ebenso wie der Fahrer schwer traumatisiert. Sie werden derzeit von Psychologen betreut.

Finkeldei ist auf Krisenintervention bei Kindern spezialisiert und weiß, dass es für sie nun vor allem auf ihr engstes Umfeld ankommt. "Wir haben kleine Seefahrer in einem traumatischen Sturm, da versuchen die sich am Leuchtturm zu orientieren, und von dessen Qualität hängt jetzt viel ab", verwendete der Psychotherapeut ein Bild aus der Seefahrt. Eltern hätten für Kinder per se eine zentrale Orientierungsfunktion, und sie hätten jetzt zwei wichtige Funktionen.

"Es geht zum einen um Verbindung: Ich sehe dich, ich habe eine Idee, was das für dich bedeutet", erläuterte Finkeldei. Und um Orientierung: "Wir sind die Großen, wir wissen, wie das geht, wie man auch mit heftigen Gefühlen wie Trauer, Schuld oder Scham umgeht." Damit Erwachsene lernen können, wie das geht, und neben dem eigenen Schmerz dazu in der Lage sind, sei nicht selten auch für sie gute Unterstützung sinnvoll.

Die Kinder etwa in Balderschwang müssten jetzt nicht nur den Verlust ihrer Freunde verkraften, sondern auch damit klarkommen, schlagartig im Mittelpunkt zu stehen und Etiketten angeheftet zu bekommen oder gar vorverurteilt zu werden.

Zwar mache längst nicht jedes schlimme Ereignis psychisch krank, betonte Finkeldei. Doch oft bräuchten betroffene Kinder Hilfe, um zum einen auch mal abschalten zu können, zum anderen um sich angemessen mit dem Ereignis auseinandersetzen und gute Antworten auf ihre Fragen finden zu können. Oft hätten Kinder zum Beispiel massive Schuldgefühle, erzählte Finkeldei. "Dann ist die Frage, wie ich mit der Verantwortung, die ich habe, umgehe - und auch die Verantwortung, die ich nicht habe, von mir weisen kann."

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