Gesellschaft - Berlin:Per Los in den Bürgerrat: Modellprojekt für mehr Demokratie

Leipzig (dpa/sn) - Was fehlt der Demokratie und wie kann man sie voranbringen? Über diese Frage diskutieren am Freitag und Samstag beim bundesweit ersten Bürgerrat zum Thema Demokratie rund 160 Menschen in Leipzig. Sie wurden per Losverfahren ausgewählt und sollen die Gesellschaft widerspiegeln. "Alte, Junge, Frauen, Männer, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund", sagte Claudine Nierth, Vorstandssprecherin des Vereins "Mehr Demokratie". Es handele sich um ein bisher einmaliges Modellprojekt.

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Leipzig (dpa/sn) - Was fehlt der Demokratie und wie kann man sie voranbringen? Über diese Frage diskutieren am Freitag und Samstag beim bundesweit ersten Bürgerrat zum Thema Demokratie rund 160 Menschen in Leipzig. Sie wurden per Losverfahren ausgewählt und sollen die Gesellschaft widerspiegeln. "Alte, Junge, Frauen, Männer, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund", sagte Claudine Nierth, Vorstandssprecherin des Vereins "Mehr Demokratie". Es handele sich um ein bisher einmaliges Modellprojekt.

Ungewöhnlich ist vor allem das Verfahren: 98 Kommunen - vom kleinen Dorf bis hin zur Großstadt - wurden deutschlandweit angefragt, per Zufall Bürger aus ihren Melderegistern auszuwählen. Von 4000 anfragten Bürgern gab es letztlich 250 Anmeldungen aus 50 Kommunen. Daraus wurden 160 für den Bürgerrat nach einem Raster ausgelost.

Bis zum Wochenende sowie Ende September wird an vier Tagen in Leipzig in kleinen Arbeitsgruppen darüber diskutiert, was der Demokratie fehlt - es geht um Volksabstimmungen, den Einfluss von Lobbyarbeit und Bürgerbeteiligung. Die Ergebnisse und Empfehlungen werden am Ende zu einem Bürgergutachten zusammengefasst und an Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble überreicht. Dieser habe zugesagt, die Ergebnisse am 15. November im Rahmen eines "Tages für die Demokratie" entgegenzunehmen, so Nierth.

Die Leipziger Politikwissenschaftlerin Astrid Lorenz, die im wissenschaftlichen Beirat zum Bürgerrat sitzt, sieht durch das Experiment Menschen einbezogen, die sich bisher nicht an derartigen Demokratie-Diskussionen beteiligt haben. "Der Bürgerrat löst nicht alle Probleme, ist aber ein interessanter Vorschlag für eine bessere Gesprächs- und Beteiligungskultur auf Bundesebene", so Lorenz. Als punktuell beratendes Gremium in bestimmten Fragen wäre ein Bürgerrat denkbar und könne neue Perspektiven einbringen.

Der Verein "Mehr Demokratie", der das Projekt zusammen mit der Schöpflin Stiftung initiiert hat, sieht in einem bunt gemischten Bürgerrat eine gute Möglichkeit, das Parlament beratend zu unterstützen - auch bei anderen Themen wie etwa Klimaschutz oder Mietpreisen.

"Warum sollte sich Politik nicht auch von Bürgern zu gewissen Themen beraten lassen?", so Nierth und verwies auf Irland, wo die "Citizens' Assembly" Empfehlungen für umstrittene Themen wie Schwangerschaftsabbrüche oder gleichgeschlechtliche Ehen gab - und damit bei der Politik Erfolg hatte. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron habe sich in diesem Sommer von einem Rat aus 150 Bürgern zum Thema Klimaschutz beraten lassen. Es tue sich etwas in Europa, sagte Nierth.

Den Vorsitz des Bürgerrates Demokratie übernimmt der ehemalige bayerische Ministerpräsident Bayerns Günther Beckstein (CSU). Er habe während seiner Amtszeit gute Erfahrungen mit Bürgerbeteiligung gemacht. "Bürgerräte bieten Bürgerinnen und Bürgern, die sich sonst nicht politisch äußern können, eine sehr gute Möglichkeit, sich einzubringen. Das verringert die Distanz zwischen der Bevölkerung und den Politikprofis."

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