Verteidigung:Kramp-Karrenbauer will weltweit eingreifen

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Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bei einem Besuch des Bundeswehrstandorts Rheinbach. Foto: Oliver Berg/dpa (Foto: dpa)

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München/Berlin/Paris (dpa) - Mit einem Nationalen Sicherheitsrat und schnelleren Parlamentsbeschlüssen will Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer Deutschland auf größere militärische Aufgaben vorbereiten.

Sie höre aus allen Richtungen, dass Deutschland eine Rolle als "Gestaltungsmacht" annehmen müsse, sagte die Ministerin am Donnerstag in einer Grundsatzrede vor dem Führungsnachwuchs der Bundeswehr in München. Die CDU-Chefin präsentierte ihr neues Selbstverständnis für die Bundeswehr als direkte Konsequenz auf Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus und autoritäre Mächte.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete den Vorschlag eines Nationalen Sicherheitsrates ihrer Ministerin als wichtige Idee. Allerdings sei sie keineswegs neu. Am Rande eines Besuchs von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte sie, man habe dies innerhalb der Unionsparteien schon seit Jahren erwogen: Doch bisher sei es nicht möglich gewesen, dies in Koalitionsverträgen zu verankern, sagte Merkel.

Für Kramp-Karrenbauer steht schon jetzt fest: Mit einem Nationalen Sicherheitsrat könne schneller und effektiver auf Krisen reagiert werden. Die Institution solle Instrumente von Diplomatie, Militär, Wirtschaft, Handel, Innerer Sicherheit und Entwicklungszusammenarbeit koordinieren. Allerdings müsse Deutschland zu Fragen, die strategische Interessen betreffen, auch eine eigene Haltung entwickeln. Wenn nötig, müsse das Spektrum militärischer Mittel zusammen mit den Verbündeten auch ausgeschöpft werden. Dafür müsse aber innenpolitisch gestritten werden.

Kramp-Karrenbauer äußerte Verständnis für Zweifel der Verbündeten am Handlungswillen in Deutschland: "Wir Deutschen sind oft besser darin, hohe Ansprüche, auch moralisch hohe Ansprüche zu formulieren, an uns und an andere, als selbst konkrete Maßnahmen vorzuschlagen und umzusetzen." In den USA schwänden Wille und Kraft, überproportionale Beiträge zu leisten.

Deutschland müsse seine Möglichkeiten allerdings realistisch einschätzen. "Ein Land unserer Größe und unserer wirtschaftlichen und technologischen Kraft, ein Land unserer geostrategischen Lage und mit unseren globalen Interessen, das kann nicht einfach nur am Rande stehen und zuschauen." Sie betonte dabei die militärische Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern und die Bedeutung eines starken deutsch-französischen Tandems - aber stets als Ergänzung zur Nato.

Vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron kamen allerdings äußerst kritische und auch resignative Töne zur Nato. Er sagte dem britischen Wirtschaftsmagazin "Economist" (Donnerstag), das Verteidigungsbündnis sei "hirntot". Es gebe bei strategischen Entscheidungen keine Koordinierung zwischen den Nato-Ländern und den USA. Macron warnte zudem die europäischen Länder, dass diese sich nicht mehr auf die USA verlassen könnten.

Bei einer Pressekonferenz mit Stoltenberg in Berlin wies Merkel diese Einlassung Macrons mit deutlichen Worten zurück: "Diese Sichtweise entspricht nicht meiner." Macron habe "drastische Worte" gewählt. "Ein solcher Rundumschlag ist nicht nötig, auch wenn wir Probleme haben, auch wenn wir uns zusammenraufen müssen." Die Nato sei in deutschem Interesse und sei das Sicherheitsbündnis für Deutschland. Sie habe zwar immer wieder gesagt, Europa müsse sein Schicksal ein Stück weit mehr selbst in die Hand nehmen. "Aber die transatlantische Partnerschaft ist unabdingbar für uns."

Merkel bekräftigte beim Besuch Stoltenbergs, dass Deutschland seine Ausgaben für die Verteidigung bis 2024 auf 1,5 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) anheben werde. Man liege damit nicht in der Spitzengruppe, aber man habe diese Ausgaben in den vergangenen Jahres gesteigert. Das von Kramp-Karrenbauer (CDU) vorgeschlagene Ziel, die Verteidigungsausgaben bis 2031 auf die in der Nato schon für 2024 vereinbarten 2,0 Prozent zu heben, nannte die Kanzlerin realistisch, aber auch ambitioniert.

Stoltenberg zeigte sich zufrieden, dass Nato-Mitglieder nach Jahren der Reduzierung ihrer Verteidigungsausgaben diese jetzt wieder steigerten. Es sei froh, dass der Nato-Haushalt im kommenden Jahr 100 Milliarden US-Dollar mehr umfasse.

US-Chefdiplomat Mike Pompeo und Außenminister Heiko Maas (SPD) bekräftigten indes knapp 30 Jahre nach dem Fall der Mauer die Bedeutung der Nato für die gemeinsame Sicherheit. "Die USA bleiben Europas wichtigster Verbündeter und Deutschlands wichtiger Verbündeter außerhalb Europas", sagte Maas bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem US-Außenminister in Leipzig.

Die deutsch-amerikanischen Beziehungen haben sich seit dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump Anfang 2017 verschlechtert. Die US-Regierung warf dem Nato-Partner Deutschland mehrfach mangelnde Militärausgaben vor. Gleichzeitig setzte Trump mehrfach auf politische Alleingänge ohne Abstimmung mit den Partnern, was Fragen zur Verlässlichkeit der USA im Bündnis aufwarf.

Pompeo würdigte Deutschlands Rolle bei der internationalen Krisenbewältigung. "Wir haben dieselben Prinzipien, dieselben Sorgen. Gelegentlich haben wir einen anderen Ansatz. Das passiert unter guten Freunden und Verbündeten."

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