Musik - Kaiserslautern:Künstliche Intelligenz vollendet Beethoven

Beethoven
Lächelnde Beethoven-Statuen sind auf einem Platz zu sehen. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa/Archiv (Foto: dpa)

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Kaiserslautern (dpa/lrs) - Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) soll Ludwig van Beethovens unvollendete 10. Sinfonie vollendet werden - diese Nachricht sorgte unlängst für Aufsehen. Nach Einschätzung des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern geht es dabei aber nicht darum, Menschen Konkurrenz zu machen und visionäre Denkvorgänge im Computer nachzustellen.

"Dass KI mit genügend Aufwand Muster finden kann, die für die Musik von Beethoven charakteristisch sind, ist gar nicht so erstaunlich", sagte Paul Lukowicz, Wissenschaftlicher Direktor und Leiter des DFKI-Forschungsbereichs Eingebettete Intelligenz. Erstaunlich sei aber, dass man daraus mathematische Funktionen so generieren könne, dass das menschliche Empfinden getäuscht werde. "Die generierte Musik ist dann von dem Original nur schwer zu unterscheiden." Man sollte aber nie vergessen, dass KI nur komplexe mathematische Verfahren auf komplexe Daten anwende. "Mit menschlicher Kreativität hat das rein gar nichts zu tun", sagte Lukowicz der Deutschen Presse-Agentur.

Ein internationales Team aus Musikwissenschaftlern und Komponisten sowie dem Pianisten Robert Levin und Computer-Experten arbeite an dem Projekt, berichtete die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". Ein Sprecher der Deutschen Telekom, die das Vorhaben initiiert hat, bestätigte das Vorhaben auf dpa-Anfrage. Die Sinfonie soll am 28. April vom Beethoven-Orchester in Bonn uraufgeführt werden. Im kommenden Jahr wird der 250. Geburtstag des berühmten Komponisten (1770-1827) gefeiert. Von der 10. Sinfonie, die Beethoven nicht mehr vollenden konnte, sind nur handschriftliche Notizen erhalten.

"Die heutige KI - oder speziell das maschinelle Lernen, was ein Untergebiet der KI ist - hat wenig mit menschlicher Intelligenz zu tun", sagte Lukowicz. "Viel mehr geht es darum, in großen Datenmengen Muster zu finden und diese auf komplexe mathematische Funktionen abzubilden." Diese Funktionen können dann dazu verwendet werden, neue ähnliche Muster zu generieren. "Musik ist bekanntermaßen eng mit Mathematik verwandt." Der Versuch sei "hochgradig interessant", meinte Lukowicz. "In einer Zeit, in der KI-Systeme mehr und mehr mit Menschen in Alltag interagieren, ist es sehr wichtig zu erforschen, wie KI-Systeme subjektive Wahrnehmung modellieren können."

Auch Stephan Baumann, Musik- und KI-Forscher am DFKI, sagte, es gehe nicht darum, Musiker und Komponisten zu ersetzen. "Es geht darum, dass technologische Tools den kreativen Prozess unterstützen." Daraus könne ein "cooler Dialog" zwischen Mensch und Maschine entstehen.

Der Einsatz von Musiktechnologie habe in den Händen der kreativsten Künstler in der Vergangenheit ungeplante, interessante Neuerungen hervorgebracht, sagte Baumann. So habe der Drumcomputer nicht den Schlagzeuger ersetzt, sondern Genres wie Techno und House ermöglicht. Er geht davon aus, dass solche Tendenzen auch in Zukunft zu erwarten sind - wenn ausgereifte Musik-KI-Tools auf begnadete Musiker treffen.

Dass unter anderem Klassikliebhaber das Beethoven-Projekt kritisieren, nannte Lukowicz bedauerlich. In Teilen der Öffentlichkeit werde Künstliche Intelligenz "stark durch die Brille irgendwelcher Science-Fiction-Filme" gesehen, meinte der Fachmann.

"Hier ist Aufklärungsarbeit notwendig, damit die Menschen verstehen, dass keine Magie, sondern Mathematik und Algorithmik am Werk sind." Am Ende bleibe ein Computer ein Haufen elektrischer Schalter. "Egal, wie komplex die mathematischen Methoden sind, die darauf laufen."

Dem Zeitungsbericht zufolge wollen Wissenschaftler einen Algorithmus so trainieren, dass er die vielen fehlenden Passagen Beethoven-gemäß ergänzt. Was dabei herauskomme, wisse keiner der Beteiligten, hieß es. Schon häufiger gab es Versuche, Computerprogramme komponieren zu lassen. Dazu zählt die "Fertigstellung" der berühmten unvollendeten 8. Sinfonie in h-Moll von Franz Schubert (1797-1828).

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