Kirche - Mainz:Bischofskonferenz: Grundsätze für Zahlungen nach Missbrauch

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Stephan Ackermann, Bischof von Trier. Foto: Harald Tittel/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Mainz (dpa) - Die deutschen Bischöfe haben neue Leitlinien für Zahlungen an Betroffene von sexuellem Missbrauch beschlossen, die allerdings hinter den Empfehlungen einer unabhängigen Arbeitsgruppe zurückbleiben. Ein zentrales unabhängiges Gremium soll künftig die Höhe der Zahlungen festlegen, wie der Trierer Bischof Stephan Ackermann zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am Donnerstag in Mainz mitteilte. Die Details der Umsetzung sollen bis Herbst feststehen. Die Betroffenenorganisation "Eckiger Tisch" zeigte sich enttäuscht.

Die neuen Grundsätze sehen ein zentrales und unabhängiges Expertengremium vor, das in Anlehnung an das Niveau gerichtlicher Schmerzensgeldentscheidungen die Höhe von Geldleistungen festsetzt. Die Höhe der individuellen Einmalzahlung soll sich am "oberen Bereich" gerichtlicher Entscheidungen orientieren, heißt es - die entsprechenden Tabellen reichen nach Angaben Ackermanns bis etwa 50 000 Euro. In Einzelfällen könnten aber auch höhere Leistungen möglich sein.

"Damit nehmen wir Bischöfe unsere institutionelle Verantwortung noch einmal deutlicher wahr", sagte der am Dienstag gewählte neue Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing. Die neuen Grundsätze ermöglichten höhere Zahlungen als bisher.

Bislang können Anträge für "Leistungen in Anerkennung des Leids" gestellt werden, eine Zentrale Koordinierungsstelle (ZKS) spricht dann eine Empfehlung zur Höhe der Leistung aus. Seit 2011 wurden nach Angaben der Bischofskonferenz Empfehlungen für etwas mehr als 2000 Menschen in Höhe von insgesamt 10,1 Millionen Euro ausgesprochen, also im Durchschnitt 5000 Euro.

Der Beschluss der Bischofskonferenz bleibt aber hinter den Empfehlungen einer unabhängigen Arbeitsgruppe zurück, die der Bischofskonferenz im September vergangenen Jahres auf der Vollversammlung in Fulda vorgelegt worden waren. Diese sahen ein Grund-Schmerzensgeld von 10 000 Euro und zusätzlich entweder einen pauschalen Entschädigungsbetrag von 300 000 Euro oder einen gestuften Entschädigungsbetrag von 40 000 bis 400 000 Euro vor. Nach der MHG-Studie zu Missbrauch in der katholischen Kirche wurden von 1946 bis 2014 mindestens 3677 Minderjährige Opfer sexueller Gewalt von mindestens 1670 Klerikern.

In der Arbeitsgruppe hat auch Matthias Katsch von der Betroffenenorganisation "Eckiger Tisch" mitgewirkt. "Das ist keine Entschädigung und kein Ausgleich für die Verbrechen der Institution", sagte Katsch der Deutschen Presse-Agentur. Die katholische Kirche dürfe nicht hinter die Einsicht zurückfallen, "dass sie als Institution schuldhaft Mitverantwortung trägt". Nun aber sei die Kirche nicht mehr bereit, "für die Folgen dieses Versagens einer Institution im Leben der Menschen einzustehen", sagte Katsch. Offenbar habe sich in den Beratungen der Bischofskonferenz der kleinste gemeinsame Nenner durchgesetzt. Der "Eckige Tisch" werde sich die Grundsätze sorgfältig anschauen und dann über das weitere Vorgehen entscheiden.

Die Grundsätze sehen vor, dass die erste Verantwortung für Zahlungen bei den Tätern liege. Ansonsten entscheiden die jeweiligen Bistümer selbst, wie sie die Zahlungen finanzieren. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), die Vertretung der katholischen Laienverbände, hat sich entschieden dagegen gewandt, dass die Kirche ihre Ausgleichszahlungen aus den laufenden Kirchensteuereinnahmen deckt. Über eine Solidarkomponente sollen finanzschwächere Bistümer etwa in Ostdeutschland die Unterstützung reicher Diözesen erhalten. Auch will sich die Bischofskonferenz bemühen, die Ordensgemeinschaften mit in das neue System zu holen.

Empfänger von bisherigen Leistungen sollen keinen Nachteil haben und können erneut einen Antrag stellen. Weiter bezahlen wollen die Bistümer auch die Kosten für Therapien als Folge von sexueller Gewalt. Dies erstrecke sich auch auf Paartherapien, sagte Ackermann. Mit der Aufstellung einheitlicher Kriterien reagiere die Bischofskonferenz auf die bisherige Kritik mangelnder Einheitlichkeit und Transparenz. Die Grundsätze griffen mehrere Punkte der Empfehlungen der Arbeitsgruppe auf. Dabei sei die materielle Leistung nur eine Komponente in der Begegnung mit den Betroffenen, betonte der Trierer Bischof, der Beauftragter der Bischofskonferenz für Fragen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger im kirchlichen Bereich ist.

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