Arbeitsmarkt:Systemrelevante Berufe nur mäßig bezahlt

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Arbeiten in der Altenpflege oder im Einzelhandel sind zwar systemrelevant, werden aber unterdurchschnittlich bezahlt. Foto: picture alliance / dpa (Foto: dpa)

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Wiesbaden/Berlin (dpa) - Sie werden im Netz und auf den Balkonen wegen ihres Einsatzes in der Corona-Krise gefeiert, doch Menschen in systemrelevanten Berufen verdienen häufig vergleichsweise wenig Geld.

So erhalten Altenpfleger, Lastwagenfahrer oder Beschäftigte im Einzelhandel teils deutlich weniger als Fachkräfte in der Gesamtwirtschaft, wie aus der am Freitag veröffentlichten Verdiensterhebung des Statistischen Bundesamts hervorgeht.

Vergleichsweise hohe Einkommen über dem deutschen Mittelwert von 3327 Euro haben demnach medizinische und pflegerische Fachkräfte im ausgewerteten Jahr 2019 erzielt. Hier reicht die Spanne der durchschnittlichen Brutto-Monatsverdienste von 8545 Euro für Krankenhausärzte in leitender Stellung über 4524 Euro für Intensivpfleger bis zu 3502 Euro für einfache Fachkräfte wie Krankenpfleger und Pflegerinnen. Diese machen gut die Hälfte des Krankenhauspersonals aus, so die Statistiker. Angelernte Kräfte im Krankenhaus kommen demnach ohne Sonderzahlungen auf 2763 Euro brutto.

In Alten- und Pflegeheimen müssen einfache Fachkräfte mit unterdurchschnittlichen 3116 Euro Brutto-Monatslohn zurechtkommen. Am wenigsten gibt es im Einzelhandel zu verdienen, wo über alle Leistungsgruppen hinweg im Schnitt nur 2345 Euro gezahlt werden, gut 40 Prozent unter dem bundesweiten Wert für Produktion und Dienstleistungen. Fachkräfte bekommen im Handel 2186 Euro und die große Gruppe der Angelernten sogar nur 1980 Euro bei einem Vollzeitjob.

Mit 3374 Euro liegen Fachkräfte bei Polizei und Feuerwehr ungefähr im Durchschnitt. Unterdurchschnittlich verdienen auch Fachkräfte bei der Abfallentsorgung, in der Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln, der Gebäudereinigung, im Garten- und Landschaftsbau oder im regionalen Personennahverkehr.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat auf einer anderen Datengrundlage errechnet, dass rund 90 Prozent aller Menschen in den systemrelevanten Berufen unterdurchschnittlich verdienten. Hier seien auch Überdurchschnittlich viele Frauen tätig. Gutverdiener wie Ärzte oder IT-Spezialisten fielen zahlenmäßig kaum ins Gewicht. Der durchschnittliche Brutto-Stundenlohn liege mit 18 Euro unter dem Schnitt aller Berufe mit 19 Euro.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund verlangte höhere Gehälter für die Betroffenen. "Applaus allein reicht nicht", erklärte die Vize-Vorsitzende Elke Hannack in Berlin. "Harte Arbeit, bescheidener Lohn - damit muss spätestens nach Corona Schluss sein. Die Dankbarkeit sollte sich regelmäßig zum Monatsende niederschlagen - in harten Euros auf dem Gehaltszettel." Wer in diesen Berufen arbeite, soll davon leben können, die Miete bezahlen und den nächsten Urlaub mit der Familie, meinte die Gewerkschaftern. "Auf die derzeitige gesellschaftliche Dankbarkeit muss endlich echte Aufwertung folgen, etwa durch die Ausweitung der Tarifbindung."

Die Gewerkschaft Verdi brachte eine monatliche Prämie von 500 Euro in die Diskussion. Die Beschäftigten stünden unter extremer Belastung, zum Teil gefährdeten sie auch ihre Gesundheit, erklärte Verdi-Chef Frank Wernecke. "Die Arbeitgeber müssen sich dafür erkenntlich zeigen." Der Staat solle auf die vorgeschlagene Prämie keine Steuern erheben.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände reagierte verhalten auf die Verdi-Forderung. Viele Unternehmen könnten angesichts der beispiellosen Krise kaum langfristig planen, müssten Kurzarbeit in Anspruch nehmen und stünden unter großem finanziellen Druck. Es sei daher eine sehr betriebsindividuelle Entscheidung, ob der besondere Einsatz honoriert werden könne.

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